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# taz.de -- Verschmutztes Trinkwasser in Bayern: Gift aus dem Hahn
> Aufregung im Landkreis Altötting: Die Menschen an der Alz haben jahrelang
> mit PFOA-belastetem Trinkwasser gelebt.
Bild: Wasser ist gesund – wenn keine Schadstoffe darin sind
MÜNCHEN taz | Stell dir vor, eine Behörde bemerkt, dass du Tag für Tag
verseuchtes Wasser trinkst und sich in deinem Blut in hoher Konzentration
ein krebserregender Stoff findet. Und was tut sie? Nichts. So fühlen sich
derzeit die Menschen in Emmerting, einer kleinen Gemeinde in der Nähe des
oberbayerischen Wallfahrtsorts Altötting.
Erst durch einen Bericht des Alt-Neuöttinger Anzeigers erfuhren die meisten
von ihnen vor rund zwei Wochen von einer Studie, die bereits ein Jahr alt
ist. Darin waren drei Experten im Auftrag des Landesamts für Gesundheit und
Lebensmittelsicherheit zu dem Ergebnis gekommen, dass das Wasser im
Chemiedreieck zwischen Salzach und Inn stark mit perfluorierter Octansäure
(PFOA) belastet ist. Und nicht nur das: Blutproben ergaben, dass die
Emmertinger das Gift in einer Konzentration im Blut haben, der den Wert,
den das Bundesumweltamt für unbedenklich hält, weit überschreitet. Warum
hat man sie nicht informiert, fragen sich nun die Emmertinger?
Es ist freilich nicht das erste Mal, dass die Menschen in der Gegend von
PFOA gehört haben. Schon 2006 hatte Greenpeace in Proben aus der Alz
PFOA-Werte festgestellt, die die des Rheins um das Zehntausendfache
übertrafen. 50 Aktivisten der Organisation pumpten daraufhin das Abwasser
des Chemieunternehmens Dyneon einfach auf das Firmengelände zurück. Erst
2008 wurde die PFOA-Produktion eingestellt.
PFOA kommt in der Natur nicht vor. Die Chemikalie wird wegen ihrer wasser-
und fettabweisenden sowie hitzebeständigen Eigenschaften in der
Textilindustrie und bei der Herstellung von beschichteten Pfannen
eingesetzt. Sie gilt jedoch als höchstwahrscheinlich krebserregend.
Die Fassungslosigkeit der Menschen in der 4.000-Einwohner-Gemeinde war
offensichtlich, als am vergangenen Dienstag in der Turnhalle des Ortes eine
Informationsveranstaltung anberaumt wurde. Die Halle war voll, rund 300
Menschen waren gekommen. Vor Fernsehkameras des Bayrischen Rundfunks taten
die Bürger ihren Frust kund: „Wir werden doch von hinten bis vorne
belogen“, sagte eine ältere Frau. Ein anderer Besucher meinte:
„Deprimierend ist das einfach.“
Das Gesundheitsamt seinerseits gab sich überrascht. Der Behördenleiter
sagte auf der Infoveranstaltung in der Turnhalle, man habe das Ergebnis der
Studie doch damals auf der Homepage des Landratsamts verlinkt. 800 User
hätten diesen Link auch angeklickt.
„In Emmerting überschreiten alle bis auf eine Blutprobe den HBM-I-Wert für
PFOA“, heißt es darin. „Diese unbefriedigende Situation sollte unverzügli…
durch Maßnahmen der Trinkwasseraufbereitung verbessert werden.“ Herrmann
Fromme, einer der Autoren der Studie, kam auch zu der Veranstaltung in
Emmerting und bemühte sich, die Betroffenen zu beruhigen.
## Schädliche Wirkung schwer nachweisbar
Es sei sehr schwer, PFOA eine konkrete gesundheitsschädliche Wirkung
nachzuweisen, sagte Fromme laut der Lokalzeitung. Er verwies auf Beispiele
stark belasteter Regionen in den USA, wo es nicht gelungen sei, diesen
Zusammenhang zu belegen. Die Weltgesundheitsorganisation stufe den Stoff
zwar als möglicherweise krebserregend ein, dasselbe gelte aber
beispielsweise auch für rotes Fleisch. Auch für stillende Mütter gab Fromme
Entwarnung, ihren Kleinkindern drohe keine Gefahr durch PFOA.
Tatsächlich waren die Behörden nach Veröffentlichung der Studie aktiv
geworden. Brunnen in der Region wurden stillgelegt oder mit
Aktivkohlefiltern ausgestattet. Nur in Kastl nicht. Die Nachbargemeinde von
Emmerting bezieht noch bis 2018 mit PFOA belastetes Trinkwasser aus einer
alten Anlage.
21 Nov 2017
## AUTOREN
Dominik Baur
## TAGS
Wasser
Verschmutzung
Bayern
Trinkwasser
Trinkwasser
Wasserversorgung
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