| # taz.de -- Vermisste UN-Experten im Kongo: Schreckliche Gewissheit | |
| > Die zwei im Kongo vermissten UN-Experten sind tot. Ihre Leichen wurden in | |
| > der Provinz Kasai gefunden. Das alles ist kein Zufall. | |
| Bild: UN-Sicherheitskräfte nahe Kananga in der Provinz Kasai | |
| Goma taz | Niemand verdient es, so zu sterben. Vor allem nicht die beiden | |
| UN-Ermittler, [1][die vor über zwei Wochen im Herzen der Demokratischen | |
| Republik Kongo spurlos verschwanden]. Jetzt wurden ihre Leichen entdeckt: | |
| verscharrt nahe eines Flusses in der Provinz Kasai. Geköpft und | |
| zugerichtet. | |
| Die brutale Ermordung des Amerikaners Michael Sharp und der Schwedin Zaida | |
| Catalan sagt vieles aus: sowohl über das Niveau der Gewalt, die im Kongo | |
| derzeit vorherrscht, als auch über das gestörte Verhältnis zwischen der | |
| UN-Mission (Monusco) und Kongos Regierung. | |
| Die beiden waren sogenannte UN-Experten, die vom Sicherheitsrat entsandt | |
| wurden, um die Sanktionen über den Kongo zu überwachen. Michael Sharp, 34 | |
| Jahre, war der Koordinator der Expertengruppe. Zaida Catalan, 36, war | |
| zuständig für Menschenrechte, vor allem mit Fokus auf Kindersoldaten. Vor | |
| mehr als zwei Wochen waren sie in die Region Kasai gereist, um dort zu | |
| recherchieren. | |
| Über soziale Netzwerke waren zuvor Handyvideos publik geworden: Einheiten | |
| von Kongos Armee schossen auf junge Männer, manche noch fast Kinder, die | |
| lediglich mit Stöcken und Steinschleudern bewaffnet ihre Dörfer | |
| verteidigen. Typische Milizen, wie es im Kongo unzählige gibt. Berichte von | |
| mehr als ein Dutzend Massengräbern waren aufgetaucht. | |
| Menschenrechtsverbrechen im großen Stil – durchgeführt von der Armee? | |
| Ich kannte Michael gut, er war seit mehr als fünf Jahren im Kongo | |
| unterwegs. Keiner kennt manche Rebellengruppen so gut wie er. Der | |
| Amerikaner aus Kansas sprach fließend Deutsch, er hatte in Marburg | |
| studiert. Zaida war zuvor für NGOs in Afghanistan und der West Bank im | |
| Einsatz gewesen. Beide wussten was sie taten, als sie nach Kasai | |
| aufbrachen. Sich im kongolesischen Dschungel auf Motorräder zu schwingen | |
| und weitab von jeglichen Straßen, Städten und UN-Lagern zu recherchieren – | |
| das ist Teil des Jobs. So sind wir alle unterwegs: Ermittler, Journalisten, | |
| Researcher. | |
| ## Erst kamen die Gerüchte | |
| Ihre letzte Spur verlor sich vor mehr als zwei Wochen im Dorf Bunkonde, | |
| südlich der Provinzhauptstadt Kananga. Dort waren sie am Nachmittag | |
| eingetroffen, hat das Such-Team der Monusco herausgefunden. Von dort aus | |
| hatten sie noch Telefonanrufe und SMS geschickt – normale Kommunikation, | |
| keine Notrufe oder Alarmsignale. Sie waren mit einem kongolesischen | |
| Übersetzer und drei Motorradfahrern unterwegs. Alle sechs verschwanden an | |
| jenem Sonntagnachmittag spurlos. | |
| Direkt am Montag begann der gewaltige UN-Apparat im Kongo nach seinen | |
| beiden Ermittlern zu suchen. Das Problem: Die Region Kasai galt jahrelang | |
| als relativ friedlich, die UN hatte bislang kein Lager dort, keine | |
| Blauhelme, keine Fahrzeuge. Die Ermittlungen liefen nur schwerfällig an. | |
| Gerüchte schwirrten umher: Sie reichten von Lebenszeichen bis hin zu | |
| verstümmelten Leichen. | |
| Kongos Regierungssprecher Lambert Mende hatte von vornherein die Milizen | |
| verantwortlich gemacht. Doch niemand verlangte Lösegeld. Normalerweise sind | |
| Kongos Milizen fix, einen Twitter-Account aufzusetzen und politische | |
| Forderungen zu stellen. Mit jedem Tag der Stille wurde uns mehr und mehr | |
| bewusst: Sie müssen tot sein, sonst hätte sich doch wer gemeldet. Gerüchte | |
| aus Armee-Kreisen machten die Runde. Von Verstümmelungen war die Rede. Wir | |
| ahnten alle Schreckliches. | |
| Anwohner eines Dorfes fanden am Montag Gräber am Ufer des Flusses Moyo. | |
| Darin drei Leichen: zwei weiße, eine ohne Kopf. Und wie sich später | |
| herausstellte, die des kongolesischen Übersetzers. Die Dorfbewohner | |
| informierten die örtliche Polizei. Am Dienstag konnte die UN die Leichen | |
| bergen. | |
| ## Die Gewalt nimmt kein Ende | |
| „Mir fehlen die Worte“, schrieb Michaels Vater kurz darauf auf Facebook. Er | |
| war von US-Behörden informiert worden, dass sie DNA-Tests durchführen | |
| müssen, um die Identität festzustellen. Kurz darauf erklärte | |
| UN-Generalsekretär Antonio Guterres den Eltern sein Beileid: „Ich verlasse | |
| mich auf die kongolesischen Behörden, dass sie Ermittlungen in diesem Fall | |
| anstellen“, sagte er und kündigte auch von UN-Seiten Untersuchungen an. | |
| Das ist alles kein Zufall: Am heutigen Mittwoch wird im UN-Sicherheitsrat | |
| über das neue Jahresmandat der UN-Mission im Kongo abgestimmt. Dienstag war | |
| es in der Hauptstadt Kinshasa zu Ausschreitungen gekommen, nachdem die | |
| Verhandlungen zwischen Regierung und Opposition gekippt waren. Die Gewalt | |
| nimmt kein Ende, im Gegenteil. | |
| Auch mir fehlen die Worte. Ich schreibe fast jeden Tag über | |
| Menschenrechtsverbrechen im Kongo: Gewalt, Vergewaltigungen, Tot und | |
| Grausamkeiten gibt es zu genüge. Es tut nur besonders weh, wenn man die | |
| Opfer persönlich kennt. Mögen sie in Frieden ruhen. | |
| 29 Mar 2017 | |
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| ## AUTOREN | |
| Simone Schlindwein | |
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