# taz.de -- UN-Bericht zu Kriegsverbrechen in Kasai: Kongos Regierung deckt Mas… | |
> Es gibt kollektive Morde an missliebigen Bevölkerungsgruppen im Kongo – | |
> mit „direkten Befehlen und sorgfältiger Planung“ von Amtsträgern. | |
Bild: Eine Überlebende des Angriffs der regierungstreuen Miliz „Bana Mura“… | |
BERLIN |taz | | In der Kasai-Region der Demokratischen Republik Kongo | |
begehen staatlich unterstützte Milizen Massaker, die als Verbrechen gegen | |
die Menschlichkeit vor den Internationalen Strafgerichtshof gebracht werden | |
könnten. Dies schreibt die UN-Menschenrechtskommission in [1][einem am | |
Freitag veröffentlichten Bericht]. „Erschütternde Opferberichte deuten auf | |
Komplizenschaft der Regierung in Massakern auf ethnischer Grundlage in | |
Kasai hin“, erklärt die UN-Behörde. In Kasai wurden seit dem Ausbruch von | |
Kämpfen zwischen der Regierungsarmee und der oppositionellen Miliz „Kamuina | |
Nsapu“ vor einem Jahr Tausende Menschen getötet und 1,4 Millionen | |
vertrieben. Die Zahl der Flüchtlinge steigt immer weiter, humanitäre | |
Hilfswerke haben zu ihnen kaum Zugang. | |
Neuerdings gehen als „Bana Mura“ bekannte Milizen, die laut UNO zum Teil | |
von staatlichen Stellen aufgestellt und aufgerüstet worden sind, kollektiv | |
gegen die Volksgruppen der Luba und Lulua vor, aus denen sich die Kamuina | |
Nsapu rekrutieren. Der UN-Bericht, der Vorfälle im Distrikt Kamonia der | |
Provinz Kasai zwischen März und Juni 2017 schildert, erhebt nun die bisher | |
konkretesten Vorwürfe gegen diese Milizen und deren Verbindungen in den | |
Staatsapparat. | |
„Während die Kamuina Nsapu gezielte Tötungen vorgenommen haben sollen, | |
zumeist an Amtsträgern und mutmaßlichen Hexen, haben die Bana Mura | |
angeblich einen Feldzug mit dem Ziel durchgeführt, die gesamte Luba- und | |
Lulua-Bevölkerung in den von ihnen angegriffenen Dörfern auszulöschen“, so | |
der UN-Bericht. Die Bana Mura in Kasai rekrutieren sich demnach aus den | |
Volksgruppen der Tchokwe, Pende und Tetela. Ihren Namen haben sie sich | |
selbst gegeben, so der Bericht, der allerdings nicht weiter ausführt, woher | |
er kommt: „Bana Mura“ heißt „Leute aus Mura“ und bezieht sich auf die | |
Militärbasis Mura bei Likasi in Katanga, eines der wichtigsten | |
Ausbildungszentren der kongolesischen Armee. | |
Als „Bana Mura“ wurden bereits nach Kongos umstrittenen Wahlen von 2011 | |
Angehörige von Todesschwadronen im Umfeld der Sicherheitskräfte bezeichnet, | |
die gegen Anhänger des damaligen Oppositionsführers Etienne Tshisekedi | |
vorgingen. Tshisekedi stammt aus Kasai, die Luba der Region sind die | |
treueste Basis seiner Partei. Er erkannte damals seine Wahlniederlage gegen | |
Präsident Joseph Kabila nicht an, und nach Protesten fielen Dutzende seiner | |
Anhänger außergerichtlichen Hinrichtungen zu Opfer. | |
## „Direkte Befehle, sorgfältige Planung“ | |
Der Krieg in Kasai begann im August 2016, als Anhänger eines von der | |
Polizei getöteten traditionellen Führers, den die Regierung nicht | |
anerkannte, unter seinem Kriegsnamen zu den Waffen griffen. Genannt Kamuina | |
Nsapu, drängte diese Miliz zunächst die Armee der Region mit Blitzangriffen | |
auf Städte in die Defensive. Die Armee schlug mit blutigen Rachefeldzügen | |
gegen die Zivilbevölkerung zurück. | |
Laut dem UN-Bericht begann die Kamuina-Nsapu-Miliz im März 2017, nicht nur | |
staatliche Stellen anzugreifen, sondern auch Angehörige von Volksgruppen | |
mit hochrangigen Vertretern im staatlichen Sicherheitsapparat: Tchokwe und | |
Pende. Daraufhin hätten diese Volksgruppen eigene Milizen gebildet. Laut | |
den von der UNO befragten Opfern hätten diese Milizen seitdem Angriffe auf | |
Dörfer „infolge direkter Befehle und sorgfältiger Planung durch mache | |
lokalen Amtsträger“ durchgeführt. | |
„Vom Team gesammelten Informationen deuten darauf hin, dass die Angriffe | |
der Bana Mura vorgeplant zu sein scheinen, mit der aktiven Beteiligung | |
identifizierter lokaler Amtsträger, nämlich Angehörige der Sicherheits- und | |
Streitkräfte sowie traditioneller Führer“, heißt es in dem Bericht. | |
## 24. April: Das Massaker von Cinq | |
So griffen die Bana Mura am 24. April das Dorf Cinq im Distrikt Kamonia der | |
Provinz Kasai an – nachdem die lokalen Behörden die nicht-Lubasprachigen | |
Bewohner aufgfordert hatten, den Ort zu verlassen, und traditionelle Führer | |
der Tchokwe, Tetela und Pende auf Versammlungen ihre eigenen Anhänger mit | |
Geld und Waffen ausgestattet hatten. Straßensperren wurden errichtet, um | |
eine Flucht der Luba aus Cinq in Richtung der Provinzhauptstadt Tshikapa zu | |
verhindern. | |
Am 24. April griffen schließlich 200 bis 500 mit Macheten, Messern und | |
Gewehren bewaffnete Männer Cinq an. „Zeugen sagten, dass sie unter den | |
Angreifern lokale zivile und militärische Autoritäten erkannten.“ Die Luba | |
und Lulua des Ortes wurden „in ihren Häusern, auf den Straßen, im nahen | |
Wald, im Gesundheitszentrum und in einer Apotheke“ angegriffen. Zwei | |
überlebende Mitarbeiter des Gesundheitszentrums sagten laut UN-Bericht aus, | |
dass „90 Patienten, außerdem mehrere medizinische Kräfte und schutzuchende | |
Dorfbewohner, erschossen, zerstückelt oder lebendig verbrannt“ wurden. | |
Viele der Toten wurden geköpft, zwei schwangeren Frauen wurden die Bäuche | |
aufgeschlitzt und die Föten zerhackt. In den Tagen danach wurden weitere | |
Dörfer auf ähnliche Weise angegriffen. Einigen Überlebenden gelang in | |
tagelangen Fußmärschen durch den Busch die Flucht nach Angola, manche mit | |
klaffenden Wunden, die nach der Ankunft zu Amputationen führten. Die | |
UN-Experten haben die Verstümmelungen mehrerer Überlebender aus Cinq | |
fotografisch dokumentiert. | |
## 96 Flüchtlinge befragt | |
Die UN-Experten befragten zwischen dem 13. und 23. Juni insgesamt 96 | |
Flüchtlinge aus Kasai im Nachbarland Angola. Auf Grundlage dieser | |
Befragungen zählen die UN-Experten, dass zwischen 12. März und 19. Juni die | |
Bana Mura 150 Menschen massakriert haben, die Kamuina Nsapu 79 und die | |
Armee 22. | |
Insgesamt spricht der UN-Bericht von „mindestens 282“ dokumentierten Opfern | |
von Menschenrechtsverletzungen, davon 113 Frauen und 68 Kinder. Es gehe um | |
251 extralegale Tötungen, 17 Verstümmelungen, neune Entführungen, vier | |
Vergewaltigungen und eine Verhaftung. Von 62 getöteten Kindern waren 30 | |
unter acht Jahre alt. | |
Diese Zahlen können aufgrund der geringen Datenbasis nur einen winzigen | |
Ausschnitt des Gesamtgeschehens darstellen. Der Bericht konzentriert sich | |
auf einen einzigen Distrikt einer einzigen der fünf Kasai-Provinzen. Nur | |
30.000 der 1,4 Millionen Kasai-Flüchtlinge haben Angola erreicht. Viele | |
andere irren monatelang ohne jede Versorgung in Kongos Wäldern umher. Die | |
UN-Mission im Kongo (Monusco) hat bisher 80 Massengräber in Kasai | |
identifiziert. | |
Unabhängige Untersuchungen in Kasai werden der UNO von Kongos Regierung | |
allerdings nicht gestattet. Im März wurde der Leiter der UN-Expertengruppe, | |
die die geltenden UN-Sanktionen gegen den Kongo überwacht, in Kasai | |
zusammen mit der Menschenrechtsexpertin der Gruppe ermordet, als sie | |
Massengräber untersuchen wollten. Es gibt Hinweise, dass staatliche Stellen | |
in diese Morde verwickelt waren. | |
4 Aug 2017 | |
## LINKS | |
[1] http://www.ohchr.org/EN/NewsEvents/Pages/DisplayNews.aspx?NewsID=21937&… | |
## AUTOREN | |
Dominic Johnson | |
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