# taz.de -- Kommentar Flüchtlingspolitik in Europa: Nichts sehen, nichts höre… | |
> Die meisten Fliehenden bleiben nahe ihrer Heimat. Im Kongo steigen die | |
> Flüchtlingszahlen. Die Krise verschärft sich, die EU bleibt ignorant. | |
Bild: Die UN-Friedensmission ist gescheitert, das Land ist auf sich allein gest… | |
In den deutschen und europäischen Diskussionen über die richtige | |
Flüchtlingspolitik wird ein Aspekt meist übersehen: Die allermeisten | |
Fliehenden und Verjagten der Welt bleiben so nahe an ihrer Heimat, wie es | |
geht. Entweder wollen sie einfach möglichst schnell wieder zurück nach | |
Hause, oder sie haben gar nicht die Möglichkeit, weiter zu reisen als einen | |
Fußmarsch. Oder aber Terror und Gewalt hindern sie daran, sich in | |
Sicherheit zu begeben. Die schlimmsten Flüchtlingsdramen der Welt sind | |
daher auch oft die unsichtbarsten – und spielen in der politischen Debatte | |
keine Rolle. | |
Nirgends auf der Welt steigt die Zahl der Binnenflüchtlinge derzeit so | |
rasant an wie [1][in der Demokratischen Republik Kongo]: 3,8 Millionen | |
waren es vor einem Monat, annähernd 4 Millionen dürften es mittlerweile | |
sein. Die Hälfte davon ist seit Sommer 2016 dazugekommen. Und ein Ende ist | |
nicht abzusehen: Jeden Monat werden es gut 100.000 mehr. In immer mehr | |
Teilen des riesigen Landes mit 80 Millionen Einwohnern auf der Fläche | |
Westeuropas breiten sich Konflikte aus, bei denen Terror gegen die | |
Zivilbevölkerung das beliebteste Kriegsmittel ist. Inzwischen steigt auch | |
die Zahl der Unterernährten im Kongo deutlich an – derzeit 7,7 Millionen, | |
es werden immer mehr, und das in einem der fruchtbarsten Länder der Erde. | |
Zusammen mit ähnlichen Krisen minderer Größenordnung in Südsudan und der | |
Zentralafrikanischen Republik offenbart sich hier ein länderübergreifendes | |
Scheitern der internationalen Friedenssicherung. Im Kongo steht nämlich | |
auch die größte UN-Friedenstruppe der Welt. Bisherige Friedensstrategien | |
bauen darauf auf, den kongolesischen Staat zu stärken, weil Staatszerfall | |
als Grund für die verbreitete Gewalt gesehen wird. Aber wenn staatliche | |
Akteure selbst [2][Gewaltakteure] sind und staatliche Organe nicht neutral | |
agieren, sondern Konflikte mit anheizen, fördert diese Strategie die | |
Instabilität, statt sie einzudämmen. | |
Unter diesem Aspekt ist das ganze Gerede von Fluchtursachenbekämpfung und | |
Unterstützung für Afrikaner, damit sie zu Hause bleiben, ziemlich sinnfrei. | |
Die Kongolesen – und die Südsudanesen und Zentralafrikaner – bleiben ja zu | |
Hause. In Elendsquartieren – in Sichtweite ihrer Heimat und in Schussweite | |
ihrer Feinde. Und genau deswegen schert sich der Rest der Welt nicht im | |
geringsten um ihr Überleben. | |
2 Sep 2017 | |
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## AUTOREN | |
Dominic Johnson | |
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