Introduction
Introduction Statistics Contact Development Disclaimer Help
# taz.de -- Verkauf eines Wohnblocks in Neukölln: Die Versteigerung eines Vers…
> In der Framstraße steht ein ganzer Häuserblock zum Verkauf. Dagegen regt
> sich Protest. Denn eigentlich gilt für den Reuterkiez Milieuschutz.
Bild: Auch die Bewohner in der Framstraße fürchten Mieterhöhungen
In einem Fenster einer Erdgeschosswohnung in der Neuköllner Framstraße
stehen drei Winkekatzen und tun, was sie eben zu tun pflegen. Die gold- und
silberfarbenen Figürchen winken unaufhörlich mit ihren linken Pfoten. Man
könnte es als freundliche Geste deuten – aber auch als böses Omen. Denn
wenn sich die Befürchtungen der Mieter bewahrheiten, sind sie vielleicht
ein Abschiedsgruß.
Die Aufregung in der Framstraße, einer etwa 100 Meter langen Gasse zwischen
Pannier- und Nansenstraße, ist derzeit groß, denn der ganze Block steht zum
Verkauf. Noch im Juni sollen bei vier separaten Versteigerungen insgesamt
14 Häuser unter den Hammer kommen. Bislang gehörte das Ensemble einer
Erbengemeinschaft. Durch eine sogenannte Teilungsversteigerung soll diese
aufgelöst werden; die Erben können sich dann einzeln auszahlen lassen. Zum
Verkauf steht etwa das Eckhaus Fram-/Pannierstraße, ein wuchtiges, 1920
errichtetes Haus mit 64 Wohnungen. Marktwert: 5,4 Millionen Euro. Zu haben
ist aber auch ein Innenhof mit Büro-Garagen. Kostenpunkt: 660.000 Euro.
## Eine neue Ära
Für den Komplex im Reuterkiez könnte damit eine neue Zeit anbrechen, die im
Umfeld schon längst Einzug gehalten hat. Während überall im Kiez die Mieten
explodieren, Alteingesessene verdrängt werden und Galerien und Bars schon
wieder für Restaurants weichen müssen, blieb im Block vieles beim Alten. Im
Hof weist ein Messingschild auf eine Senatsverordnung von 1959 hin, wonach
Teppiche nur freitags und sonnabends von 8 bis 13 Uhr geklopft werden
dürfen. Geldbuße bei Zuwiderhandlungen: 150 DM. Viele der etwa 300 Mieter
in den betroffenen 180 Wohnungen wohnen hier schon lange, einige von ihnen
Jahrzehnte. Entsprechend günstig sind die Mieten.
So geht aus einem 60-seitigen Wertgutachten des Amtsgerichts Neukölln
hervor, dass die durchschnittliche Miete im Eckhaus derzeit bei 4,20 Euro
pro Quadratmeter liegt – deutlich unter dem Mietspiegel. Der Gutachter
schreibt: „Ich unterstelle, dass eine Mietsteigerung um 15 Prozent sofort
zum Wertermittlungsstichtag möglich ist.“ Erhöhungen, die sich aus
eventuellen Modernisierungsmaßnahmen ergeben, nicht eingerechnet.
Als möglicher Käufer gilt die Immobilienfirma Dr. Hintze & Co. mit Sitz in
der Zehlendorfer Hohenzollernstraße. Diese hat wohl schon einen Teil der
Erbmasse übernommen und will nun über die Versteigerung alleiniger
Eigentümer des Blocks werden. Auf Nachfrage der taz teilte das Unternehmen
mit: „Wir gehen davon aus, dass wir auch das letzte Drittel erwerben
werden, da uns ja bereits zwei Drittel gehören und es für Dritte sehr
schwierig sein dürfte, uns hier zu überbieten.“ Weiterhin schreiben sie:
„Für die Mieter gibt es keinen Grund zur Beunruhigung, da der jetzige
Mehrheitseigentümer ja bestehen bleibt, und natürlich sollen die
Mietverhältnisse weitergeführt werden.“ Letzteres ist indes klar, denn es
gilt der Grundsatz: Kauf bricht Miete nicht. Ob Modernisierungen geplant
seien, beantwortete das Unternehmen nicht.
Aus einem Erdgeschossfenster im mit hohen Tannen bewachsenen Hof beugt sich
ein Mieter mit tätowiertem, freiem Oberkörper. Von der Versteigerung habe
er erst durch seine Nachbarn erfahren, erzählt er. Nun befürchtet er, „dass
die Mieten teurer werden, das Dachgeschoss ausgebaut und der Hof zerstört
wird“. Seit 15 Jahren lebe er hier, aber ihm ist klar: „Besser wird hier
nüscht für die Mieter.“
Den Kreativen, die in den einstöckigen Hofbauten Ateliers und Büros haben,
wurde bereits Ende April fristlos gekündigt. Sie alle hatten
Untermietverträge, doch der Hauptmieter hatte die Miete seit Monaten nicht
gezahlt. Immerhin: Erst dadurch erfuhren die Bewohner der Häuser von den
anstehenden Auktionen. An einer kurzfristig anberaumten Versammlung in der
Nikodemuskirche in der Nansenstraße vergangene Woche nahmen 60 Bewohner
teil. Beraten ließen sie sich durch den Mieterverein und die
Mietergemeinschaft. Inzwischen haben die Aktiven die Internetseite „Unser
Block bleibt“ eingerichtet, und in den Hausfluren werben sie für ein
Folgetreffen. Über ihre Planungen haben sie vorerst Schweigen vereinbart.
Eine Mieterin sagt nur, dass die Unterstützung riesig sei und sie „einige
Aktionen“ geplant hätten.
## Gebiet unter Milieuschutz
Seit Februar gilt der Reuterkiez als Milieuschutzgebiet, wenn auch erst im
Juli zwei Mitarbeiter damit beginnen werden, die damit verbundenen
Maßnahmen zu überwachen. Grundsätzlich sieht die Verordnung ein kommunales
Vorkaufsrecht beim Verkauf von Wohnhäusern vor. Da es sich in diesem Fall
jedoch um eine Versteigerung handelt, entfällt diese Möglichkeit. Thomas
Blesing (SPD), Neuköllns Baustadtrat, sagt: „Da können wir gar nicht tätig
werden.“ Eine Beteiligung einer Wohnungsbaugesellschaft, etwa der
Neuköllner Stadt und Land, an der Versteigerung sieht Blesing auch
kritisch: „Dies müsse kaufmännisch betrachtet werden“, sagt er; außerdem
„müsste sehr, sehr schnell gehandelt werden.“
## Noch andere Interessenten?
Der Sprecher von Stadt und Land, Frank Hadamczik, sagte hingegen der taz:
„Das Verfahren ist uns bekannt. Wir prüfen derzeit, ob wir uns daran
beteiligen.“ Weiterhin verwies er auf den Auftrag des Unternehmens,
Wohnungen zu bauen, aber auch neue hinzuzukaufen.
Auch der grüne Vorsitzende des Bauausschusses, Jochen Biedermann, will sich
für einen Kauf, mindestens aber eine Beteiligung durch Stadt und Land an
der Versteigerung einsetzen. „Jetzt ist die Politik gefordert, den Auftrag
an die kommunalen Wohnungsbaugesellschaften, ihren Bestand durch Zukauf zu
vergrößern, auch in die Tat umzusetzen“, sagt er. Vom Bezirk, dessen
ehemaliger Bürgermeister Heinz Buschkowsky im Aufsichtsrat der Stadt und
Land sitzt, erwarte er ein klares Signal. „Das würde helfen.“
Ebenso müsse die Politik von vornherein klar machen, dass sie die
Möglichkeiten des Milieuschutzgebietes voll nutzen wird. Diese sehen etwa
das Verbot von Luxussanierungen und der Umwandlung von Miet- in
Eigentumswohnungen vor. Viele Maßnahmen, Balkone, Aufzüge, Dachgeschosse,
energetische Sanierung, müssten aber genehmigt werden.
In der Organisierung der Bewohner sieht Biedermann ein wichtiges Signal an
mögliche Investoren. Unabhängig davon sieht Biedermann in der Organisierung
der Bewohner ein wichtiges Signal an mögliche Investoren. Diese gelte es zu
„verschrecken“.
27 May 2016
## AUTOREN
Erik Peter
## TAGS
Berlin-Neukölln
Wohnungen
Gentrifizierung
Vorkaufsrecht
Mieten
Immobilienmarkt
Mieten
Notunterkunft
Schwerpunkt Schillerkiez in Berlin
Integration
## ARTIKEL ZUM THEMA
Vorkaufsrecht ausgehebelt: Unser Block wird Samwer-Block
Im Reuterkiez sollen die letzten Häuser eines Blocks an Investoren gehen.
Vorkaufsrecht ausgehebelt
Studie sieht Ende des Mietanstiegs voraus: Rostock statt Berlin
Längst nicht alle wollen mehr in die Metropolen. Eine Studie sieht
mancherorts die Trendwende bei Mieten und Kaufpreisen voraus. Doch das ist
umstritten.
Gentrifizierung und Milieuschutz: Investoren suchen neue Ziele
Zu spät, zu wirkungslos: Opposition und Mietervertreter kritisieren die
Verordnung, die Umwandlung von Miet- in Eigentumswohnungen erschweren soll.
Wohnblock-Versteigerung in Neukölln: Ein Investment mit Risiko
14 Häuser kommen unter den Hammer, schon wandeln Investoren durch die Höfe.
Doch die organisierten Bewohner haben einen Grund zur Hoffnung.
Das war die Woche II: Senat mal mit Geschick
Der ausbleibende Protest der Bezirke gegen die Standorte von
Flüchtlings-Unterkünften zeigt: Die Einsicht, dass etwas geschehen muss,
setzt sich durch.
Bilanz nach fünf Jahren Gentrifizierung: Schillerkiez ist überall
Vor fünf Jahren wurde der Tempelhofer Flughafen zum Park. Für die Bewohner
des angrenzenden Viertels begann die Zeit von Aufwertung und Verdrängung.
Ein Resümee.
Heinz Buschkowsky geht: Der Integrationsverweigerer
Er spricht eine deutliche Sprache. Und er polarisiert: Buschkowsky
beherrschte die Inszenierung und machte sich und Neukölln berühmt.
You are viewing proxied material from taz.de. The copyright of proxied material belongs to its original authors. Any comments or complaints in relation to proxied material should be directed to the original authors of the content concerned. Please see the disclaimer for more details.