# taz.de -- Vorkaufsrecht ausgehebelt: Unser Block wird Samwer-Block | |
> Im Reuterkiez sollen die letzten Häuser eines Blocks an Investoren gehen. | |
> Vorkaufsrecht ausgehebelt | |
Bild: Mieter*innen-Demo im Reuterkiez | |
BERLIN taz | Vor vier Jahren gehörte Ariane Brenssell noch zu den | |
Mieter*innen, die Glück gehabt hatten. Damals war ihr [1][Häuserblock im | |
Neuköllner Reuterkiez] zwischen Fram-, Pannier-, Nansen- und Pflügerstraße | |
[2][zu zwei Dritteln an ein Firmengeflecht der Brüder Hintze gefallen], an | |
dem auch die durch ihr Beteiligungsunternehmen Rocket-Internet bekannt | |
gewordenen Samwer-Brüder beteiligt sind. | |
Fast 100 Jahre lang hatte sich der aus 17 Häusern bestehende Block im | |
Privatbesitz der Berliner Familie Lindow befunden. Die Häuser waren gut in | |
Schuss, die Mieten günstig, die Mieter*innen zufrieden. | |
Fünf Häuser konnten 2016 vor der Übernahme der Spekulanten gerettet werden, | |
darunter auch jenes von Brenssell in der Framstraße. Sie verblieben im | |
Eigentum des Nachlassverwalters einer Lindow-Erbin, Christian Derpa – und | |
für die Mieter*innen änderte sich zunächst nichts. | |
Für ihre unmittelbaren Nachbar*innen kam es dagegen wie befürchtet. „Mit | |
dem neuen Vermieter gibt es viel Trouble: Untermietverträge werden nicht | |
genehmigt, die Mietpreisbremse umgangen, Nebenkostenabrechnungen kommen | |
nicht oder sind fehlerhaft“, so Brenssell, die sich seit dem Verkauf ihrer | |
Nachbarhäuser im Verein „Unser Block bleibt“ engagiert. Die Mieten stiegen | |
bei Neuvermietungen von 6 auf 15 Euro an, im Hof des Ensembles ist ein | |
Neubau vermeintlicher Luxuswohnungen geplant. | |
## Interessenten sprangen ab | |
Anfang September erreichte Brenssell und die Mieter*innen der Häuser | |
Framstraße 3, 5, 7, 9 und Nansenstraße 11 über das Bezirksamt die | |
Nachricht, dass nun auch ihre Häuser verkauft wurden. Der Kaufpreis beläuft | |
sich auf etwa acht Millionen Euro – viel angesichts der derzeitigen Mieten, | |
aber im Vergleich zu vielen anderen Immobilienverkäufen dennoch tragbar. | |
Mehrere Wohnungsbaugesellschaften und Genossenschaften bekundeten | |
Interesse, über das Vorkaufsrecht einzusteigen und die Häuser einem | |
renditegetriebenen Investor wegzuschnappen. Doch nach Einsicht in die | |
Grundbücher und den Kaufvertrag zogen alle zurück. | |
Aus den der taz vorliegenden Grundbuchauszügen geht hervor, wieso: Vor | |
anderthalb Jahren ließ der Nachlassverwalter Derpa ebenjene Gesellschaften, | |
die bereits im Besitz des restlichen Blocks sind, ein Ankaufsrecht | |
einräumen, per Eigentumsübertragungsvormerkung. | |
Selbst wenn eine Wohnungsbaugesellschaft per Vorkaufsrecht in den Vertrag | |
einsteigen würde, hätten die Hintze- und Samwer-Gesellschaften das Recht, | |
die Gebäude zum Verkehrswert einzufordern. Die Klausel macht das | |
Vorkaufsrecht zur Makulatur, da ein Käufer Gefahr lief, die Häuser | |
unmittelbar zu verlieren und dabei sogar finanziellen Schaden | |
davonzutragen. | |
Wieso Derpa, der sich vor vier Jahren noch gegen eine Gesamtübernahme des | |
Blocks durch Hintze und Samwer stemmte, diese nun auf jene Weise | |
privilegiert, ist unklar. Eine Anfrage der taz ließ Derpa unbeantwortet. Am | |
Donnerstag empfängt er eine Vertreterin der Häusergemeinschaft. Viel | |
Hoffnung, dass der Deal noch einmal rückgängig gemacht wird, besteht | |
allerdings nicht. | |
14 Oct 2020 | |
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## AUTOREN | |
Erik Peter | |
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