# taz.de -- Verfassungsgericht entscheidet: Alter Bundestag kann Geld raushauen | |
> Linke und AfD wollten eine Abstimmung des alten Parlaments zur | |
> Schuldenbremse verhindern. Doch das Bundesverfassungsgericht wies ihre | |
> Anträge zurück. | |
Bild: Erarbeitet von Massen, verprasst von wenigen: Geld, das der alte Bundesta… | |
Freiburg taz | Der Bundestag kann am Dienstag noch in alter Besetzung die | |
Schuldenbremse im Grundgesetz lockern. Das Bundesverfassungsgericht lehnte | |
[1][vier Eilanträge] dagegen ab. Die Grundgesetzänderung mit alten | |
Mehrheiten verletze nicht das Demokratieprinzip und die Abgeordnetenrechte. | |
Am kommenden Dienstag wird der Bundestag noch einmal zu einer Sondersitzung | |
mit den alten Mehrheiten zusammenkommen. Auf der Tagesordnung steht eine | |
dreifache Änderung des Grundgesetzes. Danach sollen Verteidigungsausgaben | |
über 45 Milliarden Euro nicht mehr auf die Schuldenbremse angerechnet | |
werden. | |
Das Gleiche soll für ein Sondervermögen in Höhe von 500 Milliarden Euro zur | |
Modernisierung der Infrastruktur gelten. Und schließlich sollen die | |
Bundesländer künftig genau so viel Schulden machen können wie der Bund, das | |
heißt pro Jahr rund 15 Milliarden Euro. | |
Seit dem frühen Freitagnachmittag kann das Paket auch [2][mit einer | |
Zwei-Drittel-Mehrheit im Bundestag rechnen]. Die kommende Koalition aus | |
CDU/CSU und SPD einigte sich mit den Grünen auf einen Kompromiss zu den | |
geplanten Grundgesetzänderungen. So sollen 100 Milliarden Euro des | |
Sondervermögens für Klimaschutz-Investitionen reserviert werden. Und mit | |
den [3][Verteidigungsausgaben sollen zum Beispiel auch Hilfen für | |
überfallene Staaten wie die Ukraine] von der Schuldenbremse ausgenommen | |
werden. | |
Diese Grundgesetzänderungen wollen [4][CDU/CSU], SPD und Grüne unbedingt | |
noch in der jetzt zu Ende gehenden Legislaturperiode beschließen. Denn noch | |
haben die drei Fraktionen gemeinsam die Zwei-Drittel-Mehrheit, die für | |
Verfassungsänderungen erforderlich ist. Im neu gewählten Bundestag würden | |
dafür auch Stimmen der Linken (die jedoch erhöhte Militärausgaben ablehnt) | |
oder der AfD (die die Schuldenbremse nicht aufweichen will) benötigt. | |
Am frühen Freitagnachmittag war allerdings noch unklar, ob der Bundestag am | |
kommenden Dienstag überhaupt zur entscheidenden Sondersitzung | |
zusammenkommen kann. Es gab mehrere Organklagen von alten und neuen | |
Abgeordneten, die dies verhindern wollten. Über vier Organklagen und die | |
dazugehörigen Eilanträge hat das Bundesverfassungsgericht nun entschieden. | |
Konkret ging es um Anträge der kommenden Linken-Fraktion, der aktuellen | |
AfD-Fraktion, von fünf AfD-Abgeordneten um Christian Wirth sowie der | |
ausgetretenen Ex-AfD-Abgeordneten Joana Cotar. | |
## Vier Anträge abgelehnt | |
Der Zweite Senat des Bundesverfassungsgerichts unter Vizepräsidenten Doris | |
König hat alle vier Anträge am Donnerstag abgelehnt und dazu am | |
Freitagnachmittag vier separate Beschlüssen veröffentlicht. Dabei hatten | |
die Argumente, die teilweise von Linken und AfD ähnlich vorgebracht wurden, | |
durchweg keinen Erfolg. | |
So verstoße es nicht gegen das Demokratieprinzip des Grundgesetzes, wenn | |
der alte Bundestag noch das Grundgesetz ändert, obwohl der neue Bundestag | |
bereits gewählt ist. Die Richter:innen verwiesen auf Artikel 39 des | |
Grundgesetzes, wonach der alte Bundestag handlungsfähig bleibt, bis sich | |
der neue Bundestag konstituiert hat. | |
Letzteres muss spätestens 30 Tage nach der Neuwahl erfolgen. Tatsächlich | |
ist die erste Sitzung des neuen Bundestages für den 25. März geplant. Bis | |
dahin hat der alte Bundestag noch alle Kompetenzen. Dies gelte auch dann, | |
wenn der Bundestag vorzeitig aufgelöst wurde, so die Richter:innen. | |
Bundestags-Präsidentin Bärbel Bas (SPD) habe auch nicht dadurch ihre | |
Pflichten verletzt, dass sie noch einmal den alten Bundestag einberufen | |
hat. Zwar könnte seit diesem Freitag (ab Verkündung des amtlichen | |
Endergebnisses der Bundestagswahl) auch der neue Bundestag einberufen | |
werden. Es gebe jedoch keine Pflicht hierzu, so die Richter:innen. | |
## Genug Zeit, um Anträge zu lesen | |
Da die Fraktionen von CDU/CSU und SPD eine Einberufung des alten Bundestags | |
beantragt hatten, durfte Bas diesen Antrag umsetzen. Dies wäre nur dann | |
ausgeschlossen gewesen, wenn sich der neue Bundestag von sich aus | |
konstituiert hätte. Danach hätte ein Drittel der Abgeordneten des neuen | |
Bundestags die Einberufung des neuen Bundestags fordern müssen. Dies sei | |
aber nicht erfolgt, stellten die Verfassungsrichter:innen fest. | |
Die Einberufung des alten Bundestags wurde auch korrekt eingefordert. Von | |
AfD-Seite war beanstandet worden, dass nicht ein Drittel der alten | |
Abgeordneten mit ihrer Unterschrift eine Sondersitzung verlangt haben. Das | |
Verfassungsgericht stellte nun aber klar, dass das Grundgesetz keine so | |
strengen Form-Erfordernisse aufstelle. Es genüge auch, dass die | |
Fraktionsvorsitzenden von zwei Fraktionen (CDU/CSU und SPD), die gemeinsam | |
mehr als ein Drittel der Abgeordneten stellen, eine Sondersitzung | |
beantragen. | |
Das Bundesverfassungsgericht hat die Abstimmung am Dienstag auch nicht | |
deshalb verhindert, weil die Abgeordneten zu wenig Zeit für die Lektüre und | |
Beratung der Anträge haben. Im Sommer 2023 hatte das Gericht bei den | |
Beratungen zum Heizungsgesetz auf Klage des CDU-Abgeordneten Thomas | |
Heilmann eine längere Pause für Beratungen gefordert. | |
Diesmal lehnte es entsprechende Anträge jedoch ab. Der Antrag der | |
AfD-Abgeordneten um Christian Wirth hatte nicht genügend Substanz, so | |
Karlsruhe, und im Fall der Ex-AfD-Abgeordneten Joana Cotar spreche die | |
Folgenabwägung gegen einen Aufschub. Angesichts des nahen Endes der | |
Legislaturperiode drohe der Verfall der Anträge. | |
Zwar liegen in Karlsruhe weitere Organklagen und Verfassungsbeschwerden | |
vor, über die noch nicht entschieden ist. Es ist aber davon auszugehen, | |
dass das Bundesverfassungsgericht die aussichtsreichsten Eingaben für eine | |
sofortige Entscheidung ausgewählt hat. | |
14 Mar 2025 | |
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## AUTOREN | |
Christian Rath | |
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