| # taz.de -- Urteil zu Bundestagsausschüssen: AfD auf die Plätze verwiesen | |
| > Die AfD hat keinen Anspruch, Vorsitzende von Bundestagsausschüssen zu | |
| > stellen. Eine Klage der Fraktion lehnte das Bundesverfassungsgericht ab. | |
| Bild: Die AfD sieht rot: Der Zweite Senat unter der Vorsitzenden Doris König l… | |
| Karlsruhe taz | Die Bundestagsfraktion der AfD hat keinen Anspruch auf drei | |
| Ausschussvorsitze im Bundestag. Das Bundesverfassungsgericht wies am | |
| Mittwoch eine entsprechende Klage der Fraktion ab. [1][Auch die Abwahl des | |
| AfD-Politikers Stephan Brandner als Vorsitzender des Rechtsausschusses] | |
| beanstandete Karlsruhe nicht. | |
| Die AfD sitzt seit 2017 im Bundestag. Während der großen Koalition von 2017 | |
| bis 2021 war sie sogar größte Oppositionspartei. Nach den Proporzregeln | |
| durfte sie damals die Vorsitzenden der Ausschüsse für Haushalt, Recht und | |
| Tourismus vorschlagen. Vorsitzender des Rechtsausschuss wurde damals der | |
| AfD-Abgeordnete Stephan Brandner, der aber schon 2019 wieder abgewählt | |
| wurde, nachdem er immer wieder durch anstößige Äußerungen aufgefallen war. | |
| [2][So hatte er nach dem Anschlag auf die Synagoge von Halle 2019 einen | |
| Tweet verbreitet], der sich mokierte, dass Politiker nun in Synagogen | |
| „herumlungern“. | |
| In der aktuellen Wahlperiode standen der AfD nach ihrem Stimmanteil wieder | |
| drei von 27 Ausschussvorsitzen zu. Konkret durfte sie die Vorsitzenden der | |
| Ausschüsse für Innenpolitik, Gesundheit und Entwicklungszusammenarbeit | |
| vorschlagen. Doch ihre Kandidat:innen wurden nicht gewählt. Die drei | |
| Ausschüsse haben bis heute keine Vorsitzenden, sondern werden von | |
| Stellvertreter:innen aus anderen Fraktionen organisiert. Gegen diese | |
| Blockade erhob die AfD Organklage und berief sich auf ihr Recht auf | |
| Gleichbehandlung. In der Geschäftsordnung des Bundestags heiße es, dass die | |
| Ausschussvorsitze „im Verhältnis der Stärke der einzelnen Fraktionen“ | |
| verteilt werden. | |
| Das Bundesverfassungsgericht lehnte die Klage nun jedoch einstimmig ab. | |
| Ausschussvorsitzende seien im Grundgesetz nicht erwähnt. Wie sie bestimmt | |
| werden, könne der Bundestag in seiner Geschäftsordnung daher autonom | |
| regeln. Anders als bei der Besetzung der Ausschüsse, die die Gesetzgebung | |
| vorbereiten und daher entsprechend dem Wahlergebnis zusammengesetzt sein | |
| müssen, gebe es für die Ausschussvorsitze keine verfassungsrechtlichen | |
| Vorgaben. | |
| ## Wahl von anderen Vorsitzenden „vertretbar“ | |
| Das Gericht will zwar kontrollieren, ob der Bundestag seine | |
| Geschäftsordnung „fair und loyal“ auslegt und anwendet. Der | |
| Ausschussvorsitz, der die Sitzungen vorbereitet und leitet, habe jedoch vor | |
| allem organisatorische Bedeutung. Hier wollen die Richter:innen nur | |
| kontrollieren, ob sich der Bundestag „evident sachwidrig“, also | |
| „willkürlich“ verhält – was Karlsruhe hier verneinte. | |
| Es sei durchaus „vertretbar“ die Ausschussvorsitzenden zu wählen, auch wenn | |
| der in der Geschäftsordnung vorgesehene Proporz dann nicht zustande kommt. | |
| Schließlich heiße es in der Geschäftsordnung auch, die Ausschüsse | |
| „bestimmen“ ihre Vorsitzenden selbst. Dass die Vorschläge der Fraktionen | |
| jahrzehntelang fast immer im Konsens abgenickt wurden, ändere daran nichts. | |
| Auch früher sei vereinzelt gewählt worden, so die Richter:innen. Bei einer | |
| freien Wahl könne die AfD jedenfalls nicht verlangen, dass ihre Vorschläge | |
| eine Mehrheit finden. | |
| Erfolglos war auch die AfD-Klage gegen die Abwahl von Stephan Brandner als | |
| Vorsitzendem des Rechtsausschusses. Die Fraktion hatte argumentiert, dass | |
| eine Abwahl in der Geschäftsordnung nicht vorgesehen sei. Die | |
| Bundestagsmehrheit hatte jedoch entgegnet, dass nach einer Wahl auch eine | |
| Abwahl möglich sein müsse. Auch diese Auslegung der Geschäftsordnung hielt | |
| das Bundesverfassungsgericht in seinem Urteil für „vertretbar“. | |
| Noch im Gerichtssaal sprach AfD-Mann Brandner von einem schwarzen Tag für | |
| den Parlamentarismus und Oppositionsrechte. Die Mehrheit könne einen | |
| Ausschussvorsitzenden der Opposition jetzt jederzeit und ohne jede | |
| Begründung einfach abwählen. „Mehrheiten können sich aber auch ändern“, | |
| fügte Brandner hinzu. | |
| Johannes Fechner, Justiziar der SPD-Fraktion, freute sich dagegen über das | |
| Urteil: „Jetzt ist klar, dass wir Hetzer und unqualifizierte Personen von | |
| wichtigen Posten fernhalten können.“ | |
| ## Keine Auswirkungen auf Thüringen und Sachsen | |
| Schon 2022 war die AfD in Karlsruhe mit einer ähnlichen Klage gescheitert. | |
| Damals hatte das Bundesverfassungsgericht entschieden, dass die AfD keinen | |
| Anspruch auf einen Vizepräsidenten des Bundestags hat. Die anderen | |
| Fraktionen seien nicht verpflichtet, Kandidat:innen der AfD zu wählen, | |
| hieß es damals. | |
| Das Karlsruher Urteil hat keine direkten Auswirkungen auf diebevorstehende | |
| Wahl von Ausschussvorsitzenden [3][in den frisch gewählten Landtagen von | |
| Thüringen und Sachsen]. Dort gelten die jeweiligen Landesverfassungen und | |
| Geschäftsordnungen, im Streitfall muss das jeweilige | |
| Landesverfassungsgericht entscheiden. | |
| 18 Sep 2024 | |
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| ## AUTOREN | |
| Christian Rath | |
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