| # taz.de -- Unterbringung von Geflüchteten in Berlin: Täglich grüßt das Mur… | |
| > Die Hangars in Tempelhof werden wieder Notunterkunft für Geflüchtete – | |
| > aber dieses Mal besser, sagt die Politik. | |
| Bild: Ist doch in Ordnung? Franziska Giffey (SPD) und Katja Kipping (Linke) beg… | |
| Berlin taz | Die Inszenierung ist fast perfekt: Bunte Fahnen im | |
| Eingangsfoyer heißen mehrsprachig „Willkommen“, drinnen in Hangar 3 des | |
| ehemaligen Flughafens Tempelhof wartet eine Phalanx aus Kameraleuten und | |
| Fotografen vor zwei Mikrofonständern und einer Videoleinwand. In dem | |
| Container daneben brennt das Licht, so dass man das Zimmer mit zwei | |
| Doppelstockbetten, vier Spindschränken, einem Tisch mit zwei Stühlen gut | |
| sehen kann. Auftritt Franziska Giffey (SPD) und Katja Kipping (Linke). | |
| Wortreich erklären die Politikerinnen am Donnerstag, warum alles ganz | |
| anders ist als 2016 bis 2018. Damals waren in den Flugzeughallen bis zu | |
| 3.000 Geflüchtete untergebracht, es gab „Wohnwaben“ mit je sechs | |
| Doppelstockbetten. So fürchterlich waren die Zustände, dass Kippings | |
| Vorgängerin Elke Breitenbach (Linke) kurz vor Weihnachten 2018 die | |
| Notunterkunft „freiziehen“ ließ. | |
| Mit den Containern sei es nun „menschenwürdig“, erklärt die Regierende | |
| Bürgermeisterin, da sie Privatsphäre ermöglichen. „Wir haben aus der | |
| Erfahrung gelernt.“ Die Sozialsenatorin ergänzt: „Offensichtlich gibt es | |
| nun Schutz nach oben, man ist den Tauben nicht ausgeliefert, kann | |
| individuell verdunkeln.“ Und es gebe WLAN. | |
| Dennoch sei man über die Situation nicht glücklich, versichern beide. Doch | |
| die hohen Flüchtlingszahlen, aus der Ukraine und anderen Teilen der Welt, | |
| ließen keine andere Möglichkeit zu als Notunterkünfte. 100 | |
| Asylbewerber:innen kommen laut Giffey täglich in Berlin an, dazu 70 | |
| Ukrainer:innen: Die durch den Ukraine-Krieg verschärfte Unterbringungskrise | |
| sei „eine große Herausforderung“ für Berlin. Kipping sekundiert: 85.000 | |
| Ukrainer*innen hätten einen Antrag auf Aufenthalt gestellt, 46.000 | |
| Erlaubnisse seien erteilt worden. | |
| ## In der Krise muss man flexibel sein | |
| Die Botschaft ist klar: Angesichts dieser Zahlen kann niemand der Politik | |
| vorwerfen, dass die Hangars wieder eröffnen. Schon am Freitag sollen die | |
| ersten 200 Asylbewerber*innen aus dem überfüllten Ankunftszentrum in | |
| Reinickendorf einziehen. Platz ist für 850 Menschen, 215 Container stehen | |
| in Hangar 2 und 3 bereit. Es gibt Aufenthaltssäle für das Vollcatering, | |
| Behindertentoiletten, „Schutzräume“ für Frauen und Kinder, Security und | |
| Sozialarbeiter:innen als Ansprechpersonen. Und „zum Glück“, so | |
| Giffey, gibt es nebenan in Hangar 1 noch Tamaja – der frühere Betreiber der | |
| Hangars unterhält dort eine „Plattform für zivilgesellschaftliches | |
| Engagement“, sprich: Spiel-, Sport- und Begegnungsmöglichkeiten. | |
| Die neuen Container-Hangars betreiben Arbeiterwohlfahrt (AWO) und | |
| Internationaler Bund gemeinsam – eine aus der Not geborene Kooperation, | |
| weil sich zuerst niemand fand, der vor Weihnachten mal eben 50 neue | |
| Mitarbeiter:innen hat – so viele sollen den Betrieb sichern. „Das war | |
| wirklich kurzfristig, wir müssen erst mal Leute aus anderen Einrichtungen | |
| abziehen“, sagt AWO-Mitte-Chef Manfred Nowak. Darauf angesprochen, | |
| bestätigt Kipping den allgemeinen Fachkräftemangel. Alle seien daher | |
| gefragt, „flexibel zu agieren, das geht weiter mit Kita, Schule und Ärzen“. | |
| Sprich: In harten Zeiten wird nicht gejammert, sondern geackert. Giffey und | |
| Kipping vergessen darum auch nicht das Lob an alle Beteiligten, die die | |
| neue Notunterkunft so schnell möglich gemacht haben. Ein Werbefilm, der mit | |
| schönen Bildern und Kaufhausmusik zeigt, wie das THW in Windeseile | |
| (Zeitraffer!) die Container-Hangars zusammenzimmert, rundet die Vorstellung | |
| ab. Nur einen kleinen Schönheitsfehler bringt der anschließende Rundgang zu | |
| Tage: Der Weg zu den Duschen und WCs, in Containern auf der „Luftseite“ | |
| Richtung Rollfeld aufgestellt, ist bei Regen nicht trockenen Fußes zu | |
| erreichen. Aber bis Ende Januar, sagt irgendjemand eilfertig, werde das | |
| überdacht. | |
| Macht die Politik also dieses Mal alles richtig? Ist Rot-Grün-Rot der | |
| bessere Krisenmanager als Rot-Schwarz, das 2015/16 Dutzende Turnhallen für | |
| Geflüchtete requirieren musste? Dies wolle man „unter allen Umständen | |
| verhindern“, betont Giffey, das schaffe nur Unmut in der Bevölkerung und | |
| „ist auch nicht gut für die Flüchtlinge“. | |
| ## Etwas fehlt in diesem Theater | |
| Worum es nicht geht in diesem Theaterstück, ist das, was gleichzeitig am | |
| anderen Ende der Stadt passiert. Auf dem Rollfeld des anderen früheren | |
| Flughafens in Tegel sollen bis Jahresende vier Mal so viele Plätze für | |
| Geflüchtete entstehen, 3.200 Betten – in Zelten, die nun „Leichtbauhallen�… | |
| heißen, weil das besser klingt. Felicitas Karimi, die unter den | |
| Journalist:innen die Presseerklärung des Flüchtlingsrats verteilt, ist | |
| daher wütend: „Es geht doch nicht, dass man hier sagt, wir wollen es besser | |
| machen, und gleichzeitig entsteht in Tegel etwas, das sogar schlimmer ist | |
| als Tempelhof damals!“ | |
| Ihre Argumente für die harten Worte: keine Stellwände für ein Minimum an | |
| Privatheit, Doppelstockbetten so niedrig, dass man auf dem unteren nicht | |
| mal sitzen kann, keine Spinde, Tische oder Stühle, die ganze Nacht brenne | |
| das Licht. Bis zu zwei Monaten müssten dort Menschen ausharren, so Karimi, | |
| abgeschirmt von der Öffentlichkeit, Zutritt nur mit dem Shuttle-Bus | |
| möglich. | |
| Aber ist es nicht wahr, wie Kipping eben sagte, dass es schlicht zu wenig | |
| Wohnungen gibt für so viel Zuzug? Nein, widerspricht Karimi und führt an, | |
| was Flüchtlingsrat und andere Hilfsorganisationen seit Monaten kritisieren: | |
| Viele Wohnungsangebote gingen verloren, weil die Sozialbehörden sich | |
| wochenlang Zeit ließen mit der Bearbeitung, oft nicht zustimmten wegen ein | |
| paar Euro über der Mietobergrenze. Der Bausenator verweigere Geflüchteten | |
| den WBS, es fehlten Wohnungsberatungsstellen. Mit all diesen „kleinen | |
| Maßnahmen“, so Karimi, könnte man die Situation in den Unterkünften spürb… | |
| entspannen. | |
| Helfen würde auch, sagt sie, wenn man die privaten Gastgeber*innen, die | |
| zehntausende Ukrainer*innen aufgenommen haben, von Amts wegen besser | |
| behandelte. „Oft müssen sie Wochen und Monate auf die Miete vom Jobcenter | |
| warten“, bekämen keinen Energiekostenzuschuss wie in anderen Städten, | |
| Beratungsangebote für den Bürokratiedschungel fehlten auch. „Kein Wunder, | |
| dass viele Gastgeber:innen abspringen.“ | |
| Auch Giffey hatte zuvor von den privaten Gastgeber*innen gesprochen. | |
| Man brauche mehr Unterkünfte, „weil die Berliner:innen nicht mehr | |
| aufnehmen können“. Über die Gründe sagte die Regierende: nichts. | |
| 22 Dec 2022 | |
| ## AUTOREN | |
| Susanne Memarnia | |
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