| # taz.de -- Umweltpsychologe über Klimawandel: „Alarmismus vermeiden“ | |
| > Beim Klimawandel sei es wichtig, Handlungsmöglichkeiten anzubieten. Sonst | |
| > reagierten Menschen oft mit Verdrängung, erklärt Torsten Grothmann. | |
| Bild: Victoria Fälle in Zimbabwe am 17. Januar 2019 (li.) und nach einer lange… | |
| taz: Herr Grothmann, wir haben in den letzten Tagen viel über neue Studien | |
| berichtet, die die Folgen des [1][Klimawandels] drastisch beschreiben. War | |
| das aus psychologischer Sicht alles umsonst? | |
| Torsten Grothmann: Nein, man muss immer noch auf die Risiken hinweisen. | |
| Aber man sollte Alarmismus und Katastrophismus vermeiden, wenn man keine | |
| Handlungsmöglichkeiten anbieten kann, die die Katastrophen vermeiden. Denn | |
| sonst reagieren Menschen oft mit Verdrängung und nicht mit Handeln. | |
| Es heißt oft, wir wissen genug beim Klima. Wissen wir vielleicht zu viel? | |
| Menschen fühlen sich überfordert, wenn sich das Wissen nur auf das Risiko | |
| bezieht, also auf die Klimafolgen. Dann entsteht dieses Gefühl | |
| „Ogottogott“, weil man meint, man kann nichts tun. Da entsteht | |
| Hoffnungslosigkeit. | |
| Wenn das Wissen nur ein schwacher Faktor ist, der uns zum Handeln bringt, | |
| was tut es dann? | |
| Menschen in Deutschland wissen viel über die Risiken, aber zu wenig über | |
| wirklich wirksame Gegenmaßnahmen. Es gibt ja Dinge, die man tun kann, um | |
| sich an den Klimawandel anzupassen, zum Beispiel das eigene Haus | |
| starkregensicher machen. Und man kann den Menschen sagen, wo die großen | |
| Hebel im Klimaschutz sind, um etwas zu bewirken: [2][weniger fliegen], | |
| weniger Fleisch essen. Man muss auch den Mechanismen entgegenarbeiten, mit | |
| dem sich die Leute selbst belügen: den Müll trennen, dann aber dreimal im | |
| Jahr in den Urlaub zu fliegen. | |
| Es heißt, wenn man nur das Negative betont, hat das nicht nur keine | |
| Wirkung, sondern kann sogar nach hinten losgehen. | |
| Das ist eine reale Gefahr. Angst ist in geringen Dosen motivierend, aber | |
| wenn sie überhandnimmt, entstehen Abwehrreaktionen. Das ist sicher auch so | |
| bei manchen Klimawandelleugnern, einfach eine emotionale Überforderung. | |
| Sie sagen, Angst bringt kaum etwas, wohl aber positive Gefühle wie Stolz | |
| oder Hoffnung. Dazu gibt es in der Klimadebatte aber leider nicht viel | |
| Anlass. | |
| Es stimmt, auf der Risikoseite ist es schwer, etwas Positives zu | |
| kommunizieren. Aber beim Klimaschutz gibt es da durchaus viel. Man kann | |
| zufrieden und stolz darauf sein, wenn man wirksam wird: nicht mehr fliegt | |
| oder kein Fleisch mehr isst. Wer etwas tut oder bewusst etwas nicht tut, | |
| hat auch oft mehr Hoffnung. | |
| Dann kommt das Argument: Was ich und was wir in Deutschland tun, hat | |
| ohnehin keine Auswirkungen auf das Klima. | |
| Ob Menschen sich als wirksam erfahren, messen sie nicht nur daran, ob sie | |
| damit den Klimawandel aufhalten. Es kann auch reichen, wenn Menschen | |
| denken: Ich bin wirksamer als vorher. Das wird noch stärker, wenn sie sich | |
| in Gruppen organisieren, etwa in einer Kommune. Auch Vorbilder wie | |
| [3][Greta Thunberg] sind wichtig, das gibt vielen Motivation. Es macht auch | |
| einen Unterschied, wenn sich die Kommunikation spezifisch an eine | |
| Zielgruppe richtet: Also über Klimafolgen nicht allgemein reden, sondern | |
| mit dem Blick auf Deutschland. Und [4][mit Gutverdienern] muss man anders | |
| reden als mit Armen, weil hoher Konsum mehr CO2-Emissionen nach sich zieht. | |
| Wie effizient ist denn demnach die Klima-Kommunikation der Bundesregierung? | |
| Der Regierung fehlt der Mut in der Kommunikation, sie will niemandem | |
| wehtun. Die Umweltverbände kommen klassischerweise zu sehr über die Risiken | |
| und zu wenig über die Optionen zum Handeln. Und oft wird kommuniziert, was | |
| alles noch schiefläuft, dass zum Beispiel die große Mehrheit immer noch | |
| fliegt. Aber der Hinweis, dass die Mehrheit sich noch nicht klimaschützend | |
| verhält, kommt bei vielen so an, dass sie es auch nicht machen müssen. Es | |
| sollte daher mehr über Vorbilder und [5][gute Beispiele] berichtet werden, | |
| die vormachen, wie Klimaschutz gelingt. | |
| Sie sagen, die Bundesregierung ist zu mutlos. Aber beim Klimapaket hat sie | |
| doch getan, was Sie fordern: alle mitnehmen, keinem wehtun, keine Angst | |
| machen. | |
| Man muss die Leute abholen, wo sie sind, ihnen aber auch etwas zutrauen. | |
| Die Bereitschaft, das eigene Handeln umzustellen, ist größer, wenn es als | |
| gerecht gilt, weil alle ein bisschen leiden müssen. Aber dafür müsste man | |
| der Wirtschaft so viel zumuten wie den Bürgern und den Einkommensgruppen | |
| auch gleich viel je nach ihren Einkommen. | |
| Was machen die „[6][Fridays for Future]“ richtig dabei? | |
| Sie bieten mit Greta Thunberg ein Vorbild, machen die Kommunikation aber | |
| auch moralisch. Das fehlt bisher. Sie klagen es als unfair an, wie wenig | |
| gemacht wird. Es geht bisher in der Klimakommunikation zu viel um Wissen, | |
| zu wenig um Moral. | |
| Angstmachen funktioniert nicht, die Moralkeule aber schon? | |
| Moral im Sinne von: „Du sollst!“ funktioniert nicht, im Sinne von „Wir | |
| sollen!“, das funktioniert. Gemeinschaftliche Verantwortung gegenüber | |
| zukünftigen Generationen und den Menschen in Entwicklungsländern, das | |
| geht, wenn es fair ist. | |
| Wenn morgen die Kanzlerin bei Ihnen ein Konzept zur Klimakommunikation | |
| bestellen würde, wie würde das aussehen? | |
| (langes Schweigen) Wir brauchen mehr und tiefgehendere Bürgerdialoge. Kein | |
| Greenwashing, sondern ernsthafte Gespräche dazu, was müsste euer Milieu, | |
| eure Einkommensgruppe, euer Berufszweig machen; was wäre notwendig, was | |
| kann man euch zumuten, wie können wir das umsetzen. Da würden wir in jeder | |
| Zielgruppe aufklären, Akzeptanz schaffen und eine faire Lastenteilung | |
| verhandeln. Das könnte uns voranbringen. | |
| 10 Dec 2019 | |
| ## LINKS | |
| [1] /!t5008262/ | |
| [2] /NSA-Ueberwachung/!5060232 | |
| [3] /Der-Hype-um-Greta/!5626397 | |
| [4] /Philosoph-ueber-mehr-Klimaschutz/!5565964 | |
| [5] /Daenemark-legt-beim-Klimaschutz-vor/!5644321 | |
| [6] /Friday-For-Future-Berlin/!5642746 | |
| ## AUTOREN | |
| Bernhard Pötter | |
| ## TAGS | |
| Schwerpunkt Klimawandel | |
| Moral | |
| Greta Thunberg | |
| Katastrophe | |
| Schwerpunkt Klimawandel | |
| Umwelt | |
| CO2-Emissionen | |
| CO2-Emissionen | |
| Greta Thunberg | |
| Greta Thunberg | |
| Greta Thunberg | |
| Schwerpunkt Fridays For Future | |
| ## ARTIKEL ZUM THEMA | |
| Diskussionsreihe zum Untergang: Man muss schon auch Angst haben | |
| Die Katastrophe ist nicht mehr aufzuhalten, das Ende unserer Zivilisation | |
| ist nah, sagt die Kollapsologie. Im Brecht-Haus wird darüber diskutiert. | |
| Soziologin über Klimabewusstsein: „Verbote sind nicht unpopulär“ | |
| Damit Bürger:innen Klimaschutz akzeptieren, darf er nicht als Vorschrift | |
| daherkommen? Stimmt nicht unbedingt, sagt die Soziologin Christiane Lübke. | |
| Deutschlands desaströse Umweltbilanz: Verpasst oder verschoben | |
| Von Artenvielfalt bis Klimaschutz: 2020 sollen in der EU und in Deutschland | |
| viele Umweltziele erreicht werden. Aber die Aussichten sind düster. | |
| CO2-Preis soll auf 25 Euro steigen: Durchbruch bei Klimapaket | |
| Erst traten die Länder auf die Bremse, jetzt geht alles ganz schnell. Bund | |
| und Länder haben sich in den Verhandlungen zum Klimapaket geeinigt. | |
| Klimawandel an der Nordseeküste: Grüne Vorbilder im Watt | |
| Helgolands Bürgermeister wirbt für den „Green New Island Deal“. Er will d… | |
| Nordseeinseln zu Vorreitern in Sachen CO2-Neutralität machen. | |
| Ein Jahr Fridays for Future: Erst Hype, jetzt Demopause | |
| Nach einem Jahr Fridays for Future ist die Luft raus. Einige Ortsgruppen | |
| hören auf, wöchentlich zu demonstrieren. | |
| Proteste beim Weltklimagipfel in Madrid: Für eine echte Klimapolitik | |
| Tausende haben am Freitag beim Marsch für das Klima in Madrid demonstriert. | |
| Sie fordern von den Teilnehmern des Klimagipfels COP25 echte Maßnahmen. | |
| Klimaaktivistin Thunberg erreicht Europa: Klimaprotestler gen Madrid | |
| Greta Thunberg schafft es, pünktlich zur Klimakonferenz wieder über den | |
| Atlantik zu segeln. Auch aus Deutschland reisen Aktivist*innen an. | |
| Fridays for Future in Berlin: Prima Klima 2035 | |
| Jaromir Schmidt (17) ist Fridays-for-Future-Aktivist. Seinen Brief aus der | |
| Nachhaltigkeitshauptstadt schreibt er als Großvater an seine Enkel – im | |
| Jahr 2035. |