# taz.de -- Fridays for Future in Berlin: Prima Klima 2035 | |
> Jaromir Schmidt (17) ist Fridays-for-Future-Aktivist. Seinen Brief aus | |
> der Nachhaltigkeitshauptstadt schreibt er als Großvater an seine Enkel – | |
> im Jahr 2035. | |
Bild: Bald macht es wieder Spaß, ein Eisbär zu sein – hoffentlich | |
Wir schreiben den 29. November 2035 und es ging uns als Gesellschaft in | |
Berlin noch nie so gut wie heute. In den letzten Jahren haben wir hier das | |
Zentrum der Welt für nachhaltige Entwicklung aufgebaut. Was als Oase | |
inmitten von Luftverschmutzung begann, entwickelte sich zu einer globalen | |
Idee. Berlin leistete einen großen Beitrag dazu, die Erderwärmung auf 1,5 | |
Grad zu beschränken, denn die CO2-Neutralität hatten wir schon 2025 | |
erreicht. | |
Es begann mit der Verbannung des Autoverkehrs aus der Innenstadt. Nach und | |
nach schufen wir ab 2020 Inseln der Entschleunigung und Begegnung. Wo | |
früher dichter Verkehr das Atmen erschwerte, entstanden Freiräume mit | |
Spielplätzen, Grünflächen und Begegnungszonen. Damit die Bewohner*innen der | |
Stadt trotzdem noch schnell zur Arbeit kamen, bauten wir die öffentlichen | |
Verkehrsmittel massiv aus. | |
Auch sogenannte Bürowagen gab es jetzt. Man kann in der U-Bahn an einem | |
extra dafür eingerichteten Platz mit Internetanschluss seine Arbeit | |
erledigen. Natürlich alles kostenfrei, Mobilität zählt heute zu einem | |
Grundbedürfnis des Menschen. | |
Außerdem kam ich jetzt auf breiten, sicheren Fahrradwegen überall hin. Die | |
Stadt wurde lebenswert. Das erhöhte natürlich die Attraktivität für | |
Besucher*innen. Doch mit einem Trick verhinderte die Landesregierung die | |
zunehmende Gentrifizierung. Sie verlängerte den Mietendeckel und erstellte | |
ein Konzept für integrativen Tourismus. Oberstes Ziel war, Anwohner und | |
Natur zu respektieren und zu schützen. Anreise per Flug wurde zur | |
Seltenheit. | |
Um das Leben in Gemeinschaft zu stärken und den sozialen Geist der Menschen | |
anzusprechen, wurden Hausgemeinschaften gefördert. Die Menschen öffneten | |
sich, die Haustüren brauchen keine Schlösser mehr, es wird zusammen | |
gekocht. Durch ein bedingungsloses Grundeinkommen hat keiner mehr | |
Existenzängste. Überflüssiger Konsum wird durch Teilen vermieden. | |
In Supermärkten gilt Plastik als Sünde und wird nur bei den allernötigsten | |
Produkten verwendet. Die Lebensmittel kommen von kleinen Betrieben aus dem | |
Umland und Tiere werden gleichbedeutend zum Menschen und mit Würde | |
behandelt. Essen wird bei abgelaufenem Haltbarkeitsdatum nicht weggeworfen, | |
sondern an Bedürftige verteilt. | |
Auch die Malls bestehen vorwiegend aus Second-Hand-Läden und nachhaltigen | |
Shops mit fairen Preisen. Doch den größten Coup landete Berlin mit der | |
Umgestaltung des Flughafens Tegel. Wo früher eine der größten Klimasünden | |
stattfand, steht heute das Silicon Valley der nachhaltigen Entwicklung. | |
## Begrünte Gebäude | |
Initiativen für mehr Umweltschutz und das kreative Potenzial Berlins kamen | |
dort zusammen und erschufen den Dreh- und Angelpunkt der | |
Klimagerechtigkeitsbewegung weltweit. Neue Forschungseinrichtungen | |
entstanden, von denen Berlin selbst am meisten profitiert. Systeme zur | |
CO2-Reduktion und begrünte Gebäude verschönern das Stadtbild und erhöhen | |
die Lebensqualität enorm. | |
Die Luft wird durch zahlreiche Parks und Grünanlagen abgekühlt, Bienen | |
haben ihr Paradies in Insektenstreifen gefunden. Auf alten | |
Industriegeländen entstanden urbane Gärten und die Idee einer essbaren | |
Stadt nahm Konturen an. Heute pflückt die Bürgermeisterin sich im Sommer | |
die Tomaten direkt vom Strauch vor ihrem Haus. Windräder und Solarpanele, | |
die früher fast ausschließlich auf dem Land existierten, sind heute von den | |
Häusern in der Stadt nicht mehr wegzudenken. Fitnessstudios wurden | |
verpflichtet, in jedem Trainingsgerät Dynamos einzubauen, die an die | |
öffentliche Stromversorgung angeschlossen sind. | |
Doch das reichte nicht, auch ein Systemwandel musste stattfinden. Damit ihr | |
lieben Enkel*innen auch in jungen Jahren eure Zukunft mitentscheiden könnt, | |
wurde ein Jugendrat eingeführt und das Wahlalter auf 16 Jahre herabgesetzt. | |
Bewohner*innen haben dank der Bürger*innenversammlung ein stärkeres | |
Mitspracherecht. | |
PS: Den Grundstein dieses Prozesses legten wir heute vor 16 Jahren, am | |
[1][29. November 2019], als die Hälfte der Bevölkerung Berlins sich auf der | |
Fridays-for-Future-Demonstration für eine bessere Zukunft einsetzte. Ab da | |
fing die Regierung an zu handeln. Ab da wurden das kurz vorher | |
ausgearbeitete Klimapäckchen überarbeitet und entsprechende Maßnahmen | |
getroffen. Für unseren Planeten. | |
27 Nov 2019 | |
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[1] /Vor-dem-Klimastreik/!5640907 | |
## AUTOREN | |
Jaromir Schmidt | |
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Carola Rackete | |
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