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# taz.de -- Umgang mit dem Klimawandel: Klimahilfe per Kredit
> Deutschland muss als Industrieland Geld für Klimaschutz in armen Ländern
> bereitstellen. Einen beachtlichen Teil davon sollen die aber
> zurückzahlen.
Bild: Ruinierte Felder im Distrikt Manikganj in Bangladesch nach einer Übersch…
Berlin taz | Verdorrte oder überflutete Felder, von Stürmen zerstörte
Häuser, hitzegeplagte Menschen: Dass die Welt sich erhitzt und das Klima
verrückt spielt, trifft Orte überall auf der Welt schwer – vor allem aber
die Länder, in denen es kaum Geld gibt, um sich an die Folgen des
Klimawandels anzupassen. Das sind vor allem die Länder im globalen Süden,
die zwar wenig zu dem Problem beigetragen haben, nun aber besonders
darunter leiden.
Deshalb leisten die reichen Industrieländer als hauptsächliche Verursacher
des Klimawandels sogenannte Klimafinanzierung – Geld also, das in arme
Länder fließt, damit dort Klimaschutz und -anpassung möglich werden. Jedes
Jahr melden die Staaten den Vereinten Nationen, wie viel Geld sie
bereitgestellt haben. Deutschland ist demnach der größte Geber: 2018 gab
die Bundesregierung Zahlungen in Höhe von 6,3 Milliarden Euro an.
Eine [1][Studie], die der taz exklusiv vorliegt und heute erscheinen soll,
zeigt nun allerdings: Fast die Hälfte dieser Zahlungen, nämlich 44 Prozent,
wurden als Kredite vergeben – müssen also zurückgezahlt werden.
Die Studie stammt vom dänischen Beratungsunternehmen Inka Consult,
beauftragt wurde sie von europäischen Entwicklungsorganisationen und
Hilfswerken. Die schließen daraus, dass Deutschland den Vereinten Nationen
eigentlich eine zu große Geldsumme melde.
## Verboten ist die Klimafinanzierung per Kredit nicht
„Klimafinanzierung muss öffentliches Geld sein“, sagt Sabine Minninger vom
evangelischen Hilfswerk Brot für die Welt. „Es geht nicht, dass das Ganze
davon abhängt, was sich für die Industrieländer rechnet.“
Das zuständige Ministerium verteidigt die Praxis dagegen. „Das
Bundesentwicklungsministerium setzt in seiner Zusammenarbeit grundsätzlich
Finanzierungsinstrumente ein, die die wirtschaftliche Leistungsfähigkeit
der Partner berücksichtigen“, sagte ein Sprecher auf Anfrage. Die ärmsten
Länder erhielten Zuschüsse.
„Staaten mit mittlerem Einkommen werden beispielsweise auch mit
zinsverbilligten Krediten gefördert.“ Laut der neuen Studie sind allerdings
auch Kredite mit nahezu marktüblichen Konditionen dabei.
Auch die Autor:innen erkennen an, dass Kredite einen Beitrag zum
Klimaschutz leisten können. Sie wollen sie nur nicht als Teil der
Klimafinanzierung verstanden wissen.
„Dabei geht es doch darum, dass die Industriestaaten den Klimawandel
verursacht haben und unter anderem deshalb so reich sind – aber die ärmsten
Länder leiden am meisten darunter“, argumentiert Klima-Expertin Minninger.
„Klimafinanzierung ist keine Frage der Mildtätigkeit, sondern eine Frage
der Verantwortung der Industriestaaten.“
Dass die Bundesrepublik sich dabei mit Zahlungen schmückt, die sie wieder
zurückerstattet bekommt, und das teils sogar mit Profit, sehen die
Hilfswerke als Schönrechnerei.
Internationale Vereinbarungen verletzt die Praxis allerdings nicht. Das
liegt daran, dass es überhaupt keine vereinbarte Definition für
Klimafinanzierung gibt; festgelegt ist nur, dass sie geleistet werden muss.
Ab 2020 wollten die Industrieländer jährlich 100 Milliarden US-Dollar an
die Länder fließen lassen, die laut der Klimarahmenkonvention als
Entwicklungsländer gelten. Ob die Summe offiziell zusammengekommen ist,
[2][ist noch nicht bekannt].
Die fehlende Definition führt auf jeden Fall dazu, dass jedes Industrieland
die Zahlungen so handhabt, wie es will. Deutschland ist mit seinem Ansatz
nicht allein. Laut der neuen Studie melden die meisten EU-Staaten auch
Kredite als Teil ihrer Klimafinanzierung. Im europäischen Schnitt machen
sie sogar 45 Prozent der Gesamtsumme aus.
Es gibt aber auch Länder, die die Sache so sehen wie die Hilfswerke.
Schweden, die Niederlande und Großbritannien geben nur Geld als
Klimafinanzierung an, das nicht zurückgezahlt werden muss.
Die Studie legt auch nahe, dass es praktische Auswirkungen auf den
Klimaschutz in armen Ländern hat, ob das Geld nun als Zuschuss gezahlt wird
oder als Kredit. Aus den deutschen Klimageldern fließen zum Beispiel 68
Prozent in Projekte, bei denen es um die Minderung des CO2-Ausstoßes geht.
Dabei kann es etwa um den Ausbau von erneuerbaren Energien gehen. Nur 32
Prozent fließen in Projekte, die die Anpassung an den Klimawandel
bezwecken.
Laut Paris-Abkommen sind diese beiden Ziele gleich wichtig. Der Klimawandel
zeigt schließlich in jedem Fall Folgen. Sicherheit bietet auch eine Welt
nicht, in der die Menschheit die Erhitzung bei 1,5 Grad stoppt – das
ambitionierte Nebenziel des Paris-Abkommens, dessen Erreichen bereits fast
unmöglich erscheint. Für diesen Fall sind zum Beispiel deutlich mehr und
teilweise stärkere Fluten, Hitzewellen und Dürren zu erwarten. Die
Anpassung daran zu vernachlässigen gefährdet Leben.
Für solche Projekte gibt es allerdings oft keinen Kredit, weil die
Rückzahlung zu unsicher oder unmöglich ist. Der EU-Schnitt ist hier etwas
besser als die deutsche Bilanz. Immerhin 36 Prozent der Gelder fließen in
Anpassung. Bei den Geldern, die nicht zurückgezahlt werden müssen, ist die
Verteilung zwischen CO2-Reduktion und Anpassung ungefähr gleichmäßig. „Das
Ungleichgewicht kommt durch die Kredite“, schlussfolgert Minninger.
## Vorbild Schweden
Unabhängig davon, ob die Klimagelder als Kredit oder Zuschuss gezahlt
werden, ist noch etwas ungeklärt: Wie unterscheidet man sie von der
anderweitig versprochenen Entwicklungshilfe? Die hat schließlich auch oft
einen Klimabezug. Werden etwa im Rahmen der Entwicklungshilfe Projekte
gefördert, die es Landwirt:innen ermöglichen, besser mit Dürren
umzugehen, hat das immerhin mit dem Klimawandel zu tun.
Problematisch wäre es aber, wenn der eine Zweck dem anderen Geld klaut.
Dann hätte das Versprechen zur Klimafinanzierung schließlich gar nicht die
gewünschte Wirkung, dass insgesamt mehr Geld fließt.
Auch hier sind die internationalen Absprachen schwammig. Die
Klimafinanzierung solle „neu und zusätzlich“ sein, heißt es im Beschluss
der Weltklimakonferenz, die [3][2010 im mexikanischen Cancún abgehalten]
wurde.
Schweden gilt hier wieder als Vorbild. Im Jahr 2018 hat das skandinavische
Land 1,1 Prozent seines Bruttonationaleinkommens (BNE) an
Entwicklungshilfeprojekte gezahlt, vereinbart sind 0,7 Prozent. Darüber
hinaus weist es noch Zahlungen als Klimafinanzierung aus. Diese entsprachen
der neuen Studie nach weiteren 0,12 Prozent des BNE. Das Geld ist also
ziemlich eindeutig „neu und zusätzlich“.
Deutschland macht das anders. Teilweise muss es das auch. Die
Bundesrepublik erreicht die vereinbarte Quote an Entwicklungshilfe nämlich
überhaupt nicht. Statt 0,7 Prozent machten deutsche
Entwicklungshilfezahlungen 2018 nur 0,61 Prozent des BNE aus. Wird jetzt
Geld für Klimaprojekte gegeben, muss die Bundesrepublik also entscheiden:
Wozu zählt das nun?
Portugal, wo die Lage ähnlich ist, weist klimarelevante Entwicklungshilfe
und Klimafinanzierung gesondert aus. Deutschland hingegen verspricht
lediglich, dass es nichts meldet, was schon Teil eines früheren offiziellen
Berichts war.
„Auch hier entscheidet sich Deutschland leider für den einfachsten Weg,
nicht für den besten“, meint Minninger. „Wenn man in Deutschland die
schwedische Rechenformel anwenden würde, so würde die deutsche
Klimafinanzierung gar nicht mehr existieren.“ Die deutschen Klimagelder
ohne Kredite entsprechen laut der neuen Studie 0,1 Prozent des BNE. Rechnet
man das auf die gemeldete Entwicklungshilfe drauf, ist gerade mal die dort
vereinbarte Marke erreicht.
Das Entwicklungsministerium hält eine stärkere Trennung der zwei Bereiche
nicht für ratsam. „Klimaschutz und Entwicklung gehören eng zusammen: Eine
moderne, nachhaltige Landwirtschaft ist gleichermaßen eine wichtige
Entwicklungsaufgabe und zentral für den Klimaschutz“, hieß es auf Anfrage.
In einem sind sich Bundesregierung und Hilfswerke immerhin einig: Sie
wünschen sich einheitliche internationale Regelungen, um den Dschungel der
Klimafinanzierung besser durchschaubar zu machen.
18 Jan 2021
## LINKS
[1] https://actalliance.eu/wp-content/uploads/2021/01/ACT-Alliance_EU_SettingTh…
[2] /Klimageld-von-reichen-fuer-arme-Laender/!5725161
[3] /Der-Teufel-steckt-im-Detail/!5130639
## AUTOREN
Susanne Schwarz
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