# taz.de -- Versprochene Klima-Hilfsgelder: Oxfam und Co in Sorge | |
> Deutschland hatte für 2022 eine Rekordsumme an Klimahilfe für arme Länder | |
> gemeldet. Die Prognosen fallen aber doch deutlich dahinter zurück. | |
Bild: Solarenergie in und aus Kenia: Eine Studentin prueft Solarpanels an der S… | |
BERLIN taz | Gerade erst hat sich Deutschland mit hohen Summen für | |
internationale Klimaschutz-Hilfsgelder geschmückt – da drohen sie schon | |
wieder zu sinken. Das haben Anfragen von Linken-Bundestagsabgeordneten bei | |
der Bundesregierung ergeben. | |
Industrieländer sind zur Zahlung solcher Hilfsgelder an den globalen Süden | |
verpflichtet, unter anderem, um ihrer Verantwortung für die Klimakrise | |
gerecht zu werden. Die Mittel fließen zum Beispiel in den Aufbau | |
erneuerbarer Energiesysteme, um CO2-Emissionen zu vermeiden, oder in die | |
Anpassung an die Folgen der Klimakrise. | |
Im vergangenen Jahr habe Deutschland insgesamt 6,3 Milliarden Euro zur | |
Verfügung gestellt, um Klimaschutz und Klimaanpassung in armen Ländern zu | |
finanzieren, das hatte das [1][Bundesentwicklungsministerium von Svenja | |
Schulze] (SPD) kürzlich mitgeteilt. Damit habe man drei Jahre früher | |
erreicht, was man auf internationaler Bühne versprochen habe. Noch Angela | |
Merkel hatte als Bundeskanzlerin vor zwei Jahren angekündigt, ab 2025 werde | |
Deutschland jährlich 6 Milliarden Euro zahlen. | |
Er sei zuversichtlich, dass dieses Niveau gehalten wird, hatte | |
Staatssekretär Jochen Flasbarth im August gesagt. Aus den Antworten der | |
Bundesregierung geht nun aber hervor: Die Koalition plant bisher keine | |
ähnlich hohen Zahlungen. Stattdessen rechnet sie für 2023 mit einem | |
„gesicherten Betrag“ von circa 5,1 Milliarden Euro und für 2024 mit rund | |
5,3 Milliarden Euro. | |
## Ausrutscher nach oben | |
Die Entwicklungshilfe ist besorgt. „Man kann befürchten, dass 2022 ein | |
glücklicher Ausrutscher nach oben gewesen sein könnte“, sagte [2][Jan | |
Kowalzig von Oxfam] der taz. Er findet suspekt, dass die Bundesregierung | |
von 2023 bis 2024 eine Steigerung erwarte, obwohl die Haushaltsmittel für | |
das Entwicklungsministerium insgesamt sinken sollen. Aus dessen Budget | |
stammten im vergangenen Jahr rund sechs Siebtel der Klimafinanzierung – der | |
Löwenanteil. | |
Das Entwicklungsministerium hält dagegen. „Wir sind zuversichtlich, dass | |
wir auch in den kommenden Jahren die 6 Milliarden Euro trotz des kleineren | |
Haushalts erreichen können“, sagte eine Sprecherin der taz. Die Prognose | |
basiere auf Durchschnittswerten der vergangenen drei Jahre, „die naturgemäß | |
eine politische Dynamik für Klimaschutz und -anpassung nicht abbilden“. | |
Auch in Vorjahren habe die Prognose unter dem Erreichten gelegen. | |
Das habe mit einer inhaltlichen Verlagerung der Entwicklungszusammenarbeit | |
zu tun. „In immer mehr Bereichen denken wir Klima inzwischen mit bei der | |
Gestaltung der Projekte: vom klimaresilienten Schulbau bis zur beruflichen | |
Bildung, die verstärkt auf Energiewende-Berufe setzt“, so die Sprecherin. | |
„Letztlich kommt es darauf an, alle Finanzflüsse weltweit klimakompatibel | |
zu gestalten.“ Das heißt: Projekte, die sonst als | |
Entwicklungszusammenarbeit gezählt hätten, haben mittlerweile einen Bezug | |
zur Klimakrise – und Deutschland kann sie sich als Klimafinanzierung | |
anrechnen. | |
## Alter Wein | |
Entwicklungshilfeorganisationen befürchten, dass hinter Erfolgsmeldungen | |
zur Klimafinanzierung zu oft Geld steckt, das ohnehin in arme Länder | |
geflossen wäre – dass es also teilweise nicht um reale Steigerungen geht. | |
„Das Entwicklungsministerium versucht, mit dem kleinen Etat gut zu | |
wirtschaften. Dagegen ist nichts zu sagen“, sagte [3][Sabine Minninger vom | |
Hilfswerk Brot für die Welt] der taz. „Es geht aber nicht, dass die | |
Bundesregierung so kaschiert, dass sie insgesamt alten Wein durch neue | |
Schläuche laufen lässt.“ | |
Cornelia Möhring, entwicklungspolitische Sprecherin der Linksfraktion, | |
spricht von „Zahlenrumgetrickse“. „Die Bundesregierung muss ehrliche | |
Transparenz bei der internationalen Klimafinanzierung herstellen“, sagte | |
sie der taz. Die Regierung solle dem Bundestag künftig jährlich einen | |
Bericht zur internationalen Klimafinanzierung vorlegen. | |
Victor Perli, der für die Linksfraktion im Haushaltsausschuss des | |
Bundestags sitzt, kritisiert zudem die Etatkürzungen im | |
Entwicklungsministerium. „Die Ampelparteien müssen die geplante Kürzung von | |
über 600 Millionen Euro beim Entwicklungsministerium zurücknehmen“, | |
forderte er gegenüber der taz. „Hochnotpeinlich“ fände Perli es, wenn das | |
6-Milliarden-Euro-Versprechen gebrochen würde. „Das würde auch andere | |
Länder zu Kürzungen ermuntern, Leidtragende wären die armen Menschen im | |
globalen Süden.“ Zugleich dürfe die Klimafinanzierung nicht auf Kosten | |
anderer Programme gegen den Hunger in der Welt gehen. | |
17 Oct 2023 | |
## LINKS | |
[1] https://www.bmz.de/de/aktuelles/reden/ministerin-svenja-schulze/230927-rede… | |
[2] https://www.oxfam.de/blog/autor_innen/jan-kowalzig | |
[3] https://www.brot-fuer-die-welt.de/ueber-uns/personen/sabine-minninger/ | |
## AUTOREN | |
Susanne Schwarz | |
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