Introduction
Introduction Statistics Contact Development Disclaimer Help
# taz.de -- Ultraorthodoxe in Israels Armee: Israels Streit-Kräfte
> Ultraorthodoxe absolvierten bislang selten den Militärdienst. Viele
> meinen, die Armee sei zu liberal und zu „woke“, doch nun werden sie
> einberufen.
Bild: Soldaten des Netzah-Yehuda-Bataillons bei einer Vereidigungszeremonie im …
Jerusalem taz | Wenn Eliyahu Chait zu sprechen beginnt, blitzen seine
leuchtend blauen Augen regelrecht. Der Rücken gerade, die Stimme ruhig, die
Finger entspannt – was er sagt, ist kontrovers, doch Chait ist sich seiner
Sache sicher: „Warum“, fragt er, „muss sich ein gläubiger, orthodoxer
Soldat eine einstündige Lektion über die Rechte von LGBTQ-Personen
anhören?“ Und antwortet gleich selbst: „Weil das Militär geführt wird von
Säkularen, die wollen, dass wir genauso werden wie sie.“
Mit seinem gestärkten weißen Hemd, dem eleganten Anzug und der Kippa auf
dem Kopf fällt Chait im konservativen und religiösen Jerusalem kaum auf.
Die förmliche Kleidung und die aus dunklem Stoff gearbeitete Kopfbedeckung
sind eine Art Uniform ultraorthodoxer Männer. Chait ist 29 Jahre alt,
verheiratet, Vater zweier Kinder, „und ein drittes auf dem Weg“, sagt er
stolz. Auch damit liegt er voll im Schnitt der ultraorthodoxen
Gemeinschaft: Es ist die Bevölkerungsgruppe in Israel, deren Mitglieder die
meisten Kinder bekommen. So weit, so typisch.
Er sei aufgewachsen in einem Zuhause, das ihm beigebracht habe, alles zu
tun für „our people and our nation“ – unser Volk und unsere Nation. „A…
habe ich mit 18 beschlossen, meinen Wehrdienst abzuleisten“, sagt er, das
allerdings „gegen den Willen meines Vaters“ – und die sozialen Regeln
großer Teile seiner Gemeinschaft.
Chait ist eine Ausnahme. Dass junge Ultraorthodoxe im Gegensatz zu den
meisten anderen jungen Menschen in Israel sich dem Wehrdienst seit
Jahrzehnten entziehen, ist schon lange ein Politikum. Heute wohl mehr denn
je: Über 330 israelische Soldaten hat die Bodenoffensive in Gaza bisher das
Leben gekostet. Sie kommen aus religiösen und säkularen Familien, aus der
liberalen Metropole Tel Aviv und seinen Trabantenstädten, aus Siedlungen im
Westjordanland oder den drusischen Dörfern im Norden des Landes – aber sehr
viel seltener aus ultraorthodox geprägten Städten wie Bnei Brak oder Beit
Shemesh.
## Die Entscheidung des Obersten Gerichts
[1][Die Last des Krieges, so empfinden es viele, ist ungleich verteilt in
Israel]. Und im Juni dieses Jahres beschloss das Oberste Gericht Israels,
mit Nachdruck dagegen vorzugehen. Eine Regierungsentscheidung aus dem
vergangenen Sommer, welche das Militär anwies, die ultraorthodoxen
Wehrpflichtigen nicht einzuziehen, sei juristisch nicht haltbar. Ab sofort
müsse die Regierung aktiv daran arbeiten, die jungen Ultraorthodoxen in den
Dienst zu bringen. Doch wie integriert man sie und ihre speziellen
Bedürfnisse in ein Militär, dass einer ganz anderen, eher säkularen Logik
folgt?
Schon seit der Staatsgründung Israels im Jahr 1948 müssen theoretisch alle
jüdischen Bürgerinnen und Bürger des Staates sowie männliche Drusen und
Tscherkessen, also Teile der arabischsprachigen Minderheit Israels, den
Wehrdienst ableisten.
Doch von Beginn an wurde streng gläubigen, sich täglich mit der Thora und
dem jüdischen Schriftenkanon beschäftigenden Gelehrten eine [2][Ausnahme
gewährt.] Stattdessen studieren sie in sogenannten Yeshivot – religiösen
Studieninstituten – das Wort Gottes und bedeutender Rabbiner. Mit ihren
Gebeten und ihrer Verbindung zu Gott, sagen sie, schützen sie Israel nicht
mit Waffen, sondern spirituell. Wer in einer Yeshiva lernt, bekommt ein
Jahr Aufschub für den Wehrdienst. Und wer lange genug diese jährliche
Ausnahmebescheinigung vorlegt, altert irgendwann einfach über die
Obergrenze für die Wehrpflicht hinaus.
Zur Staatsgründung Israels waren die Ultraorthodoxen eine kleine
Minderheit, die jüdische Gemeinschaft, so blickt etwa Chait heute zurück,
spirituell geschwächt. Dass ein kleiner Kreis der Bürger des neuen Staates
seine ganze Aufmerksamkeit Gott widmet und dafür auch den Raum braucht,
habe vielen damals eingeleuchtet.
## Essen, Flirten, Verlangen
Doch im Laufe der Jahrzehnte verschoben sich die Verhältnisse:
Ultraorthodoxe Familien sind reich an Kindern, ihr Anteil an der
Bevölkerung wächst stetig. Mit der Shas und dem Vereinigten Thora-Judentum
sitzen heute zwei Parteien, die sie politisch vertreten, mit in der
Regierung. Ihre Macht – allein durch die schiere Größe der Gemeinschaft –
wächst. Nicht aber, so die Kritik vieler Säkularer und Liberal-religiöser,
ihr Verantwortungsgefühl für den Staat Israel und all die verschiedenen
Menschen, die in ihm leben.
Um dieser Verantwortung nachkommen zu können, erzählt Chait, habe er „stark
sein müssen“. Sein Vater führe eine Yeshiva in Beit Shemesh, wo Chait und
seine Familie leben. Als der Sohn als 18-jähriger dem Vater im Jahr 2013
eröffnete, dass er zum Militär gehen wolle, sei der in großer Sorge
gewesen. Nicht nur angesichts der latent lauernden Gefahren, die mit dem
Dasein als israelischer Soldat einhergehen. „Mein Vater nahm mich zur Seite
und sagte: Überleg es dir noch einmal. Du wirst allem Möglichen begegnen,
vor dem wir dich bisher geschützt haben.“
Die möglichen Gefahren: Essen, das nicht der strengen
Koscher-Zertifizierung der ultraorthodoxen Gemeinde entspricht. Dienst am
Schabbat. Keine Zeit für das lange morgendliche Gebet, bei dem der Tefillin
– ein langer Lederriemen mit einer Gebetskapsel, die handgeschriebene Texte
aus der Thora enthält – um den Arm geschlungen und am Kopf befestigt wird.
Junge säkulare Frauen. Flirten, Verlangen, Sex vor der Ehe. Menschen, die
schwul sind, bisexuell oder queer.
## Das Bataillon, die Gewalt
„Er war in Sorge“, sagt Chait: Was wird aus meinem Sohn? Im August 2013
unterschrieb er dennoch seinen Einberufungsvertrag mit dem israelischen
Militär und wurde Teil des Netzah-Yehuda-Bataillons.
Das Bataillon ist eine Art Kompromisslösung der Streitkräfte: Die
Anwesenheit von Soldatinnen in dessen Unterkünften und Militärbasen ist
untersagt. Alle Nahrungsmittel entsprechen den Ansprüchen der Gemeinschaft.
Einen Samstagsdienst gibt es nicht. Und weil ihre Integration in die
normalen Abläufe des Militärs dadurch so kompliziert ist, dienten sie lange
vor allem im Westjordanland. Bis die gesamte Einheit Ende 2022 verlegt
wurde, in den Norden Israels und auf die Golanhöhen. Der Grund: Ausufernde
Gewalt gegen Palästinenser und zahlreiche Rechtsverstöße. Im April erwog
die [3][Regierung von US-Präsident Joe Biden deshalb Sanktionen] gegen das
Bataillon.
Als Chait diente, war diese Entwicklung noch in weiter Ferne. Er habe sich
gut gemacht im Militär, erzählt er: „Ich war jung. Ich war physisch fit“.
Nach dem Ende seines Dienstes im Netzah-Yehuda-Bataillon baten ihn seine
Vorgesetzten, zu bleiben, „Sergeant Commander“ zu werden. Chait lehnte ab.
Denn ein Aufstieg in den Rängen bedeutet, das Bataillon, in dem auf seine
Bedürfnisse und die Auslegung seines Glaubens Rücksicht genommen wird, zu
verlassen.
„Man muss stark sein“, betont Chait wieder. Um bei sich zu bleiben, und der
strengen Welt, aus der man kommt. Wer sich der Welt der Säkularen, deren
Freiheiten im Vergleich so grenzenlos erscheinen, zu lange aussetze, werde
irgendwann ein Teil von ihr. Von den jungen Männern, die mit ihm im
Netzah-Yehuda-Bataillon dienten, sagt Chait, lebten die meisten heute „in
Tel Aviv“. Aus seinem Mund klingt der Name der Stadt beinahe wie ein
Schimpfwort.
Und wer sich umhört, in den hippen Bars im Tel Aviver Viertel Florentin,
oder unter den bunten Sonnenschirmen am Stadtstrand, der stellt fest: Auch
„Beit Shemesh“ oder gar „Jerusalem“ kann eine Art Schimpfwort sein.
Sicherlich aber ein Synonym für eine andere Welt.
## Der Graben zwischen säkular, liberal und religiös
Der Graben zwischen den säkularen, liberalen Israelis auf der einen Seite
und den Religiösen auf der anderen Seite wächst: Die einen werden, so wie
große Teile der westlichen Welt, immer liberaler. Und die anderen besinnen
sich mit Strenge auf die Tausende Jahre alten, unveränderlichen und immer
mehr aus der Zeit gefallen scheinenden Regeln ihres Gottes: „Seitdem Gott
uns die Torah am Berg Sinai geschenkt hat, halten wir Juden Schabbat. Wir
wurden dafür verfolgt und getötet und haben uns trotzdem diese Prinzipien
bewahrt. Und dann kommt ein liberaler Kommandeur der Armee und denkt, er
könne mich und meinen Glauben ändern?“ Chaits Augen funkeln wieder
kämpferisch, bevor er sich zurücklehnt und sagt: „Das ängstigt uns.“
„Sie wollen uns assimilieren“, sagt Chait in Jerusalem. „Sie blicken auf
uns als Sünder herab“, sagt einer am Strand von Tel Aviv.
Den Ultraorthodoxen wird immer wieder unterstellt: Dem Wehrdienst entzögen
sie sich aus Faul- und Feigheit. Dabei waren es gerade am 7. Oktober –
einem Samstag, Schabbat – viele Orthodoxe, die ihren Tag der Ruhe
unterbrachen, um mit der Such- und Rettungsorganisation ZAKA die vielen
Verletzten und Toten zu bergen, teils unter Gefahr für ihr eigenes Leben.
Dass die Organisation dabei wohl auch falsche Berichte verbreitete, die
fürchterlichen Szenen in den Gemeinden nahe Gaza noch ausschmückte,
übertrieb und teils sogar log, trübt die Erinnerung an ihren doch mutigen
Einsatz.
Seit dem 7. Oktober befindet sich Israel in dem wohl intensivsten Krieg
seiner jüngeren Geschichte. Sein Militär geht in Gaza mit großer Härte vor,
die Offensive ist vor allem für die palästinensische Zivilbevölkerung mit
großem Leid verbunden. Die Hisbollah-Miliz schießt aus dem Libanon Raketen
und Drohnen über die Grenze im Norden. In Israel kommt der Ruf nach einer
Bodenoffensive, die die Miliz aus dem südlichsten Teil des Libanon
zurückdrängen soll, immer wieder auf. Im Westjordanland gewinnen die Hamas
und andere radikalislamische Kräfte im Schatten des Gaza-Krieges, der
[4][anhaltenden Siedlergewalt] und durch bewusstes Anfeuern seitens des
Iran immer mehr an Stärke. Und die Einsätze des Militärs waren dort in der
vergangenen Woche so massiv wie lange nicht.
[5][Armeechef Herzi Halevi] betont: Es gäbe einen „klaren Bedarf“ an mehr
Soldaten, die aus der Gemeinschaft der Ultraorthodoxen rekrutiert werden
sollen. Dabei gibt das Militär selbst zu, wie schwierig es ist, sie zu
integrieren.
## Sie finden, Staat und Militär seien nicht religiös genug
Effi Kolatsch ist heute etwa im selben Alter wie Chait. Während jener sich
trotz aller Widerstände und eigener Bedenken als 18-Jähriger zum Wehrdienst
meldete, ging Kolatsch damals den Weg der meisten: Er studierte die Thora
in einer Yeshiva, schob den Dienst auf, bis er die Altersgrenze von damals
26 Jahren erreichte. Über seine Gemeinschaft sagt er: „Wir gehen nicht zum
Militär, weil es uns nicht religiös genug ist, so wie der ganze Staat
Israel“. Und: Die „woke“, progressive Agenda der liberalen linken Eliten
tröpfele durch die Gesellschaft hindurch bis ins Militär.
Israels Streitkräfte setzen, das betonen sie selbst, auf die Integration
von Frauen in jedem Bereich: Etwa 90 Prozent aller Positionen im Militär
können heute auch mit Frauen besetzt werden. Die Zahl der weiblichen
Mitglieder von kämpfenden Bataillonen ist allein zwischen 2013 und 2017 um
350 Prozent gestiegen. Die jungen Wehrdienstleisterinnen beraten in der
Personalabteilung, unterrichten junge Männer im Schießen und bekleiden, so
sie beim Militär bleiben, immer höhere Positionen. Ihnen dort nicht zu
begegnen, ist kaum möglich. Doch in der ultraorthodoxen Gemeinschaft haben
die Lebenswelten von Männern und Frauen, so sie nicht verheiratet sind, nur
wenige Berührungspunkte.
Die Entscheidung, nicht zu dienen, erzählt Kolatsch, habe er bereut: „Ich
hatte das Gefühl, meinen israelischen Mitbürgern nicht denselben Dienst
geleistet zu haben.“ Das holt er nun auf seine Art nach: Das israelische
Militär hat bereits vor einer Weile ein Programm aufgelegt für
ultraorthodoxe Männer über der Altersgrenze des Wehrdienstes. In einer
eigenen Einheit erhalten sie einige Wochen lang Training und werden dann
Teil der Reserve, wie die meisten Wehrdienstleistenden nach Ende ihres
Dienstes. Sie sollen danach vor allem ihre eigenen Gemeinden im Notfall
verteidigen können, sagt Kolatsch. Momentan habe er alle Hände voll zu tun,
erzählt er. Immer mehr Männer aller Altersstufen seien an dieser Art des
Dienstes interessiert.
Doch dem Obersten Gericht reichen solche Initiativen nicht. Mitte Juli
sendet das Militär die ersten Einberufungsbefehle an die ultraorthodoxe
Gemeinschaft. 3.000 sollen es in dieser Einberufungsperiode sein, in drei
Wellen von je 1.000 Wehrbefehlen.
Einfach akzeptieren wollen viele Ultraorthodoxe die neue Realität nicht.
[6][Sie protestieren, immer wieder.] Bilder zeigen ein Meer aus Männern in
Anzügen und Hemden, teils mit den typischen hohen Hüten der Gemeinschaft
und den langen Schläfenlocken. Die Polizei setzt Wasserwerfer und berittene
Beamte ein, oft gibt es gewalttätige Zusammenstöße zwischen der Polizei und
den Demonstrierenden. Etwa Ende August in Jerusalem, als insgesamt fünf
Männer der Gemeinschaft festgenommen werden.
Während es unter ihnen einen harten Kern gibt, der Israel als
nicht-religiösem Staat sogar das Existenzrecht per se abspricht – obwohl
die religiösen Juden, die dieser Ansicht anhängen, selbst in ihm leben –,
sind andere kompromisswillig. So wie Chait und auch Kolatsch: Wenn das
Militär die Bedürfnisse ihrer Gemeinschaft besser erfülle, seien sie mehr
bereit, zu dienen. Würde man ihren Wünschen nachkommen, sähen wohl die
gesamten Streitkräfte aus wie das Netzah-Yehuda-Bataillon. Folgen hätte das
vor allem für die Frauen und für die kleine Minderheit der nicht-jüdischen
Soldaten.
Das israelische Militär bemüht sich, den verschiedenen Vorstellungen der
Bürgerinnen und Bürger seines Landes gerecht zu werden: So gibt es neben
dem Netzah-Yehuda-Bataillon für die Ultraorthodoxen etwa auch eines, das
die arabische Gemeinschaft Israels in das Militär integrieren soll. Dort
dienen vor allem junge beduinische Muslime. Neben dem standardmäßigen
Training erhalten sie etwa auch Hebräisch-Unterricht und sollen so besser
in die israelische Gesellschaft integriert werden.
Auch, dass gefallene Soldaten nach christlichem oder muslimischem Ritus
beerdigt werden können, macht das Militär möglich. Und während es keinen
eigenen Militärpfarrer oder -Imam gibt, bemüht sich das Militärrabbinat um
Vermittlung von Ansprechpartnern, betont es selbst. Den Besuch der Moschee
am Freitag oder der Kirche am Sonntag versuche man den Soldatinnen und
Soldaten zu ermöglichen, so das Rabbinat.
## Debatten um Einberufung
Eine Diskussion, wie um die Einberufung der Ultraorthodoxen, gibt es auch
über die muslimischen und christlichen arabischen Staatsbürgerinnen. Das
Militär bemüht sich – mit einigem Erfolg –, gezielt dort Freiwillige für
den Wehrdienst anzuwerben. Irgendwann könnte der Dienst auch für sie
verpflichtend werden.
In einem Militär, das alle jungen israelischen Bürgerinnen und Bürger
einzieht, zeigt sich neben der Vielfalt der Menschen Israels auch, wie
schwierig deren Vorstellungen und Wertesysteme teils zu vereinen sind.
Zumindest auf Ebene der gesamten Streitkräfte können diese entweder den
strengen religiösen Vorschriften der Ultraorthodoxen gerecht werden oder
den feministischen Ansprüchen des liberalen Teils der Gesellschaft. Damit
steht das Militär symptomatisch für ein wachsendes Problem im Land: Wohin
bewegt sich Israel, wenn Teile seiner Bürgerinnen und Bürger in
gegensätzliche Richtungen driften und sich immer weniger begegnen?
„Man wächst in der einen Welt auf“, sagt Chait, „und wird mit dem Eintri…
in das Militär in eine genau gegensätzliche geworfen“. Das Militär müsse
die Bedürfnisse seiner Gemeinschaft nicht perfekt erfüllen, das sei kaum
möglich. „Aber es muss mir zeigen, dass es mich respektiert. Dass es mir
zuhört, und dass es mir entgegenkommt.“
Und selbst wenn das Militär etwa eine strenge Geschlechtertrennung
durchsetze, bleibe weiter ein Problem, sagt er: Wer kein Wasser trinkt, der
stirbt. Und wer spirituell nicht genährt werde, verliere seinen Glauben. Je
höher der militärische Rang, sagt Chait, desto seltener werde die Kippa
getragen.
Als er zum ersten Mal den Schabbat gebrochen habe für einen Einsatz, sagt
Chait, habe er sich nichts mehr gewünscht als einen Vorgesetzten, der seine
Gefühle versteht. Auch strenggläubige Juden können die Ruhe am Schabbat
unterbrechen, wenn eine Gefahrensituation für Leib und Leben abgewendet
werden muss. „Es war so seltsam, an einem Freitagabend mein Handy
einzuschalten und in diesen Jeep zu steigen. Fast traumatisch.“ Und mit
dieser Belastung, sagt er, sei er allein geblieben.
Unter den jungen Männern seiner Gemeinschaft wirbt er dennoch dafür, den
Einberufungsbefehlen nachzukommen. Mit seiner Uniform, erzählt er, laufe er
durch seine Heimatstadt Beit Shemesh und wolle ein Vorbild sein. Auch weil
sein eigener Vater damals, wie viele Eltern, seinen Söhnen den Wehrdienst
verbieten wollte. Zu groß die Sorge, dass die Kinder sich vom eigenen
Wertesystem entfernen.
Doch trotz aller Schwierigkeiten sei das wichtigste für ihn seine
Verbindung zu dem Boden Israels. „Ich bewege mich durch dieses Land mit der
Thora. Ich erzähle meinem Sohn: Hier gewann König David gegen Goliath, ein
kleiner Mensch, der sich einem Giganten entgegenstelle.“ Der Wunsch, Israel
zu schützen, auch im Kampf, überdecke alles andere.
1 Sep 2024
## LINKS
[1] /Israels-Streit-um-die-Einberufung/!6017856
[2] /Neues-Buch-ueber-ultraorthodoxe-Juden/!6006485
[3] /Bataillon-Netzach-Jehuda/!6003186
[4] /Siedlergewalt-im-Westjordanland/!6027905
[5] /Palaestinensische-Gefangene/!6027048
[6] /Israels-Streit-um-die-Einberufung/!6017856
## AUTOREN
Lisa Schneider
## TAGS
Lesestück Recherche und Reportage
Israelische Armee
Ultraorthodoxe
Religion
Wehrdienst
Gaza-Krieg
wochentaz
Schwerpunkt Nahost-Konflikt
Itamar Ben-Gvir
Itamar Ben-Gvir
Schwerpunkt Nahost-Konflikt
Schwerpunkt Nahost-Konflikt
Schwerpunkt Flucht
Schwerpunkt Nahost-Konflikt
Hamas
Libanon
Gaza
Schwerpunkt Nahost-Konflikt
Hisbollah
Israel
## ARTIKEL ZUM THEMA
Umstrittene Justizreform in Israel: Wie die Regierung ihre Generalstaatsanwält…
Miara ist eine der wenigen Führungskräfte in Israel, die nicht auf Linie
der Netanjahu-Regierung ist. Jetzt versucht der Justizminister, sie zu
entlassen.
Radikale Pläne in Israel: Workshops, Tanz und Siedlerfantasien
Hochrangige israelische Politiker machen auf einer Siedlerkonferenz ihre
Pläne für Gaza deutlich: „Das Land gehört uns“, sagt Minister Ben-Gvir.
Krieg in Nahost: „Es gibt noch mehr rote Knöpfe“
Der Mossad habe die explodierten Pager selbst produziert, sagt der
Geheimdienstexperte Ronen Bergman. Und Israel habe weitere solche
Operationen vorbereitet.
Detonationen im Libanon: Tausende Verletzte durch Pager
Bei mysteriösen Explosionen von Funkempfängern im Libanon wurden offenbar
tausende Menschen verletzt. Der Angriff wird Israel zugeschrieben.
Migration, Nahost, Höcke: Mit Waschbären umgehen
Unsere Kolumnistin blickt auf die Woche zurück und findet einen süßen
Waschbären, bittere Hardliner-Diskurse und eine faschistische Bedrohung.
Israelisches Militär im Westjordanland: „Viele Bewaffnete töten“
Das Camp von Dschenin rückt ins Zentrum der israelischen Militäroperation.
Viele Bewohner fliehen, Beobachter fürchten eine Ausweitung des Gazakriegs.
Krieg im Gazastreifen: Das Zittern um die Geiseln
Die Hamas-Führung droht implizit damit, Geiseln bei Näherrücken des
Militärs zu töten. Das facht die Proteste gegen Netanjahus Regierung weiter
an.
Alltag im Krieg im Südlibanon: „Der reinste Horror“
Im Dorf Mardsch Uyun sind die Kämpfe zwischen Israel und der Hisbollah in
Hörweite. Wer es sich leisten kann, geht und wer bleibt, lebt in Angst.
+++ Nachrichten im Nahost-Krieg +++: Impfkampagne gegen Polio gestartet
Die großangelegte Impfkampagne gegen Kinderlähmung im Gazastreifen schürt
Hoffnungen auf eine Waffenruhe. In Dschenin kommt es zu heftigen
Zusammenstößen.
Israels Strategie im Westjordanland: Volle Eskalation
Das israelische Militär hat eine groß angelegte Operation im Westjordanland
gestartet. Israels Außenminister Katz träumt schon von der Vertreibung der
Palästinenser.
Krieg zwischen Israel und Hisbollah: Nur Erfolge auf allen Seiten
Nach ihrem jüngsten Schlagabtausch im Schatten der Geiselverhandlungen
reden Hisbollah und Israel Schäden auf der eigenen Seite klein. Und nun?
Israels Streit um die Einberufung: Riss in der Gesellschaft
Die Proteste in Israel gegen den Einzug der Ultraorthodoxen in das Militär
sind Ausdruck einer Spaltung, die immer drängender wird.
You are viewing proxied material from taz.de. The copyright of proxied material belongs to its original authors. Any comments or complaints in relation to proxied material should be directed to the original authors of the content concerned. Please see the disclaimer for more details.