# taz.de -- Umstrittene Justizreform in Israel: Wie die Regierung ihre Generals… | |
> Miara ist eine der wenigen Führungskräfte in Israel, die nicht auf Linie | |
> der Netanjahu-Regierung ist. Jetzt versucht der Justizminister, sie zu | |
> entlassen. | |
Bild: Gali Baharav Miara:Heldin und Hassfigur | |
Jerusalem taz | Für die einen ist Gali Baharav Miara eine furchtlose | |
Heldin, für die anderen eine Hassfigur. Fakt ist: Die israelische | |
Generalstaatsanwältin stellt sich seit mehr als zwei Jahren mit allem, was | |
ihr Amt an Kompetenzen hergibt, dem von Israels in Teilen rechtsextremer | |
Regierung vorangetriebenen autoritären Staatsumbau entgegen. Am Mittwoch | |
leitete Justizminister Jariv Levin ein Verfahren zu ihrer Absetzung ein. | |
Der Ausgang ist fraglich. Der Prozess dürfte sich über Monate hinziehen und | |
den Streit zwischen Israels Regierung und der Justiz neu befeuern. | |
Levin wirft der Generalstaatsanwältin vor, ihr Amt politisiert und in eine | |
„tyrannische politische Behörde“ verwandelt zu haben. Sie lasse keine | |
Gelegenheit aus, „den Willen der Wähler zu behindern“, schrieb der | |
Likud-Politiker. Miara hat sich seit dem Amtsantritt der rechtsextremsten | |
Regierung in Israels Geschichte vor gut zwei Jahren einen Namen gemacht, | |
indem sie sich der Einschränkung des Obersten Gerichtshofes widersetzt | |
hatte. | |
Dem Wählerwillen entspricht aber auch Levin nur bedingt: Er versucht seit | |
Monaten, [1][den Justizumbau] wieder aufzunehmen, obwohl mehr als die | |
Hälfte der Israelis laut Umfragen dagegen ist. Kritikern zufolge gefährden | |
die Reformen die ohnehin schwache Gewaltenteilung in Israel. Monatelange | |
Massenproteste hatten das Land 2023 gespalten. Der Konflikt war erst durch | |
den Überfall der Hamas am 7. Oktober 2023 in den Hintergrund gedrängt | |
worden. | |
Miaras Bedeutung als Faktor in der israelischen Politik geht aber längst | |
über die Justizreform hinaus: Neben dem Präsidenten des Obersten Gerichts, | |
Isaak Amit, und dem Leiter des Inlandsgeheimdienstes Ronen Bar ist sie | |
mittlerweile eine der wenigen hohen Staatsbediensteten, die nicht auf | |
Regierungslinie sind. | |
## Miara setzte den Armeedienst für Ultraorthodoxe durch | |
Seit dem Beginn des [2][Gazakrieges] hat die Generalstaatsanwältin sich | |
wiederholt gegen Gesetzesvorhaben, Stellenbesetzung und Maßnahmen der | |
Regierung gestellt, und deren Ministern Verstoß gegen rechtsstaatliche | |
Prinzipien vorgeworfen. Im Herbst forderte sie Regierungschef Benjamin | |
Netanjahu auf, die Leitung des Ministeriums für Polizei und Nationale | |
Sicherheit durch den rechtsextremen Siedler Itamar Ben Gvir zu prüfen. | |
Dieser habe die israelische Polizei politisiert und „seltenen, massiven und | |
andauernden Rechtsbruch“ betrieben. | |
Zuletzt hatte Miara vor allem bei der [3][Durchsetzung des Armeedienstes | |
für Ultraorthodoxe] Druck gemacht, wegen dem die strenggläubigen | |
Koalitionspartner wiederholt ihre Regierungsbeteiligung infrage gestellt | |
haben. Selbst vor Netanjahus Ehefrau Sara machte die Generalstaatsanwältin | |
nicht halt: Diese steht laut Medienberichten im Verdacht, die Justiz | |
behindert und Zeugen beeinflusst zu haben. | |
Die tatsächliche Macht Miaras hat jedoch Grenzen: Zwar hat sie mitunter | |
Gesetzesvorschläge der Regierung verzögern können, für die ihre Zustimmung | |
nötig ist. Die Minister gingen in der Folge jedoch dazu über, Gesetze als | |
Vorschläge einzelner Parlamentarier einzubringen. Der mittlerweile aus | |
Protest gegen eine Waffenruhe in Gaza zurückgetretene Ben Gvir hat die | |
Polizeiführung trotz Miara umgebaut und politisiert. Der [4][vergangenen | |
August eingesetzte Polizeichef Daniel Levy gilt als loyal zu Ben Gvir] und | |
hatte bei seinem Amtsantritt offen gelassen, ob er künftigen Weisungen der | |
Generalstaatsanwältin nachkommen werde. | |
## Kritik: „Zerstört die Demokratie“ | |
Miara zu entlassen könnte Monate dauern. Über den Antrag muss unter anderem | |
ein derzeit nicht vollständig besetztes Gremium entscheiden. Selbst im | |
Falle einer Zustimmung, die keineswegs gesichert ist, dürfte die Entlassung | |
mit hoher Wahrscheinlichkeit vor dem Obersten Gerichtshof landen. Dort | |
müsste die Regierung die Entlassung rechtfertigen. Ministerpräsident | |
Netanjahu bringt das in einen Interessenkonflikt, unter anderem weil Miara | |
als Generalstaatsanwältin die gegen ihn laufenden Korruptionsverfahren | |
überwacht. | |
Die Reaktionen auf Levins Ankündigung zeigen, wie tief die Gräben in der | |
israelischen Politik sind. Zahlreiche Minister und Regierungsabgeordnete | |
begrüßten den Schritt. Die Oppositionsspitzen verurteilte ihn geschlossen. | |
Jair Lapid warf Levin vor, „die Rechtsstaatlichkeit zu beschädigen“. Benny | |
Gantz kritisierte, der Justizminister „zerstört die Demokratie“. | |
7 Mar 2025 | |
## LINKS | |
[1] /Justizreform-in-Israel/!5956782 | |
[2] /Staatsraeson-und-Trumpismus/!6070301 | |
[3] /Ultraorthodoxe-in-Israels-Armee/!6030765 | |
[4] /Neuer-Polizeichef-Israels/!6029681 | |
## AUTOREN | |
Felix Wellisch | |
## TAGS | |
Itamar Ben-Gvir | |
Israel Defense Forces (IDF) | |
Justiz | |
Schwerpunkt Nahost-Konflikt | |
Benjamin Netanjahu | |
Israel | |
Israel | |
Schwerpunkt Nahost-Konflikt | |
Schwerpunkt Nahost-Konflikt | |
Kolumne Grauzone | |
Lesestück Recherche und Reportage | |
## ARTIKEL ZUM THEMA | |
Geheimdienst-Chef Bar muss gehen: Netanjahu-Regierung gegen Geheimdienst | |
In Israel will Netanjahu mit Schin Bet-Chef Ronen Bar eine weitere | |
kritische Stimme absetzen. Noch in dieser Woche soll das Kabinett | |
entscheiden. | |
Verhandlungen um Geisel-Waffenruhe-Deal: Hamas will US-Israeli freilassen | |
Zusätzlich sollen die Leichen von vier bisher unbenannten Doppelstaatlern | |
nach Israel überführt werden. Israels Premier Netanjahu reagiert empört. | |
+++ Krieg in Nahost +++: Verhandlungen um Waffenruhe und Protest auf dem Golfpl… | |
Die Aushandlungen um die Waffenruhe in Gaza sollen wieder aufgenommen | |
werden. Propalästinensische Aktivist*innen besprühen Trumps Golfanlage. | |
Tod eines Kindes in Gaza: „Ich sah sie an, und sie war leblos“ | |
Israel lässt zu wenig mobile Unterkünfte nach Gaza passieren. Für die | |
kleine Shaam al-Shanbari endet die Winterkälte im Zelt tödlich. | |
Abschied von Shiri, Ariel und Kfir Bibas: Angehörige quälen ist eine Strategi… | |
Wie weiterleben, hat sich unsere Kolumnistin in den letzten Tagen gefragt. | |
Nicht für sich selbst, sondern für die Hinterbliebenen der Terroropfer. | |
Ultraorthodoxe in Israels Armee: Israels Streit-Kräfte | |
Ultraorthodoxe absolvierten bislang selten den Militärdienst. Viele meinen, | |
die Armee sei zu liberal und zu „woke“, doch nun werden sie einberufen. |