# taz.de -- Migration, Nahost, Höcke: Mit Waschbären umgehen | |
> Unsere Kolumnistin blickt auf die Woche zurück und findet einen süßen | |
> Waschbären, bittere Hardliner-Diskurse und eine faschistische Bedrohung. | |
Bild: Der taz-Waschbär: weder wurde er mit nach Hause genommen, noch erschossen | |
Waschbären – die einen lieben, die anderen hassen sie. Am Mittwoch wurde | |
das Foto eines sich in eine Ecke auf dem Dach unseres Hauses verkrochenen | |
Tiers in der taz verbreitet. Daraufhin wollten die einen es gleich mit nach | |
Hause nehmen. Die anderen plädierten vehement fürs Erschießen. | |
Ganz klar war bis Redaktionsschluss nicht, ob der Waschbär sich bloß | |
verirrt hatte (wovon vor allem die Mitleidsfraktion ausging) oder sich | |
heimisch eingerichtet hatte (was eher für Ängste sorgte, ob er damit das | |
Gebäude beschädigt). Die taz-Belegschaft tauschte Tipps, Lösungsvorschläge, | |
Verfahrensweisen und Rezepte per E-Mail aus; am Ende war aber nicht klar, | |
was davon ernst gemeint und was ein Witz war. | |
Sicher, politisch gesehen war der Waschbär nicht das Highlight der Woche. | |
Aber nach den deprimierenden Wahlergebnissen in Sachsen und Thüringen waren | |
alle irgendwie froh, sich zwischendurch mal mit einem leichten Thema | |
ablenken zu können. Zumal sich in der Folge des Messerangriffs in Solingen | |
und der Landtagswahlen CDU, SPD, FDP und sogar die Grünen in ihren | |
Forderungen nach Asylrechtsverschärfungen gegenseitig überboten. | |
Trendsetter waren hier die Christdemokrat*innen. | |
## Binnenlandprivileg | |
Zunächst hatte die CDU gefordert, Asylbewerber*innen direkt an der | |
Grenze abzuweisen, soweit sie aus einem anderen EU-Land einreisen. Sollen | |
doch Italien, Österreich und Polen schauen, wie sie mit fliehenden Menschen | |
umgehen. Das Privileg von Politiker*innen eines EU-Binnenlands. Und | |
eine populistische Forderung, ist sie mit EU-Recht schließlich überhaupt | |
nicht vereinbar. Dennoch stiegen Politiker*innen der anderen Parteien | |
darauf ein. Immerhin ist Wahlkampf, die Landtagswahl in Brandenburg steht | |
am 22. September an und da will man der AfD noch ein paar Stimmen abnehmen. | |
Die Binse, dass Menschen in der Regel doch lieber das Original wählen, hat | |
SPD-Innenministerin Nancy Faeser auch bisher nicht davon abgehalten, immer | |
weiter Richtung Law and Order zu driften. Am Donnerstag sagte sie: „Wenn | |
wir weitere Möglichkeiten bei Zurückweisungen finden, ist das gut.“ Die | |
Grünen-Innenpolitikerin Irene Mihalic kennt sich immerhin mit dem Gesetz | |
aus. Sie erklärte, alle Vorschläge zu Zurückweisungen, die ihr bisher | |
bekannt seien, widersprächen dem Grundgesetz oder dem EU-Recht. Vorstellen | |
könnte sie sich aber Patrouillen an den Grenzen. | |
Den Vogel schoss dann die FDP ab: Nach den Neuwahlen in Großbritannien | |
kündigte der neue Premierminister Keir Starmer das Asylabkommen mit Ruanda | |
auf. Es hätte bedeutet, dass Großbritannien alle Geflüchteten nach Ruanda | |
abgeschoben hätte, egal, aus welchem Land sie kamen. Die FDP will das | |
Abkommen nun quasi übernehmen. Besser gesagt: Joachim Stamp, der nicht nur | |
FDP-Politiker ist, sondern Sonderbevollmächtigter der Bundesregierung für | |
Migrationsabkommen (was es nicht alles gibt). Abwickeln soll die | |
Abschiebungen das UNO-Flüchtlingshilfswerk UNHCR, was dem Ganzen offenbar | |
einen humanen Anstrich geben soll. | |
## Asylrechtsverschärfungsdiskurs | |
Auf die Straße geht (fast) niemand mehr gegen diese ganze | |
Asylrechtsverschärfungsrhetorik. Woran liegt das? Einerseits an Ermüdung. | |
Andererseits ein weiteres Zeichen dafür, dass der Diskurs längst weit nach | |
rechts verschoben wurde. In Thüringen hat sich das nun in Wahlergebnissen | |
niedergeschlagen. Das immerhin treibt die Menschen auf die Straße. | |
Denn wenn sich die demokratischen Parteien nicht einigen können, droht dort | |
vielleicht ein Regierungsbündnis mit der AfD: Dann gäbe es einen | |
Ministerpräsidenten, den man gerichtsfest einen Faschisten nennen darf, der | |
einen Landesverband anführt, der in Teilen völkisch-rechtsextreme Ideen | |
verbreitet. Warum ist das eigentlich rechtlich möglich? | |
Auch in Israel gingen die Menschen in den vergangenen Tagen wieder gegen | |
ihre – aktuelle – Regierung auf die Straße. Sie forderten Präsident | |
Benjamin Netanjahu auf, endlich einen Deal mit der Hamas einzugehen, um die | |
übrigen vor fast einem Jahr von der Hamas entführten Geiseln lebend zu | |
befreien. Der Druck auf Netanjahu steigt. Doch der macht einfach weiter. | |
7 Sep 2024 | |
## AUTOREN | |
Johanna Treblin | |
## TAGS | |
Schwerpunkt Flucht | |
Migration | |
Björn Höcke | |
Wahlen in Ostdeutschland 2024 | |
Kolumne Der rote Faden | |
Wahlen in Ostdeutschland 2024 | |
Lesestück Recherche und Reportage | |
Waschbären | |
## ARTIKEL ZUM THEMA | |
Sollen CDU und BSW koalieren?: Unvereinbar war gestern | |
Ein Bündnis mit dem BSW auszuschließen, könnte die CDU wie ein Bumerang | |
treffen. Sie hat keinen Manövrierraum, Neuwahlen würden nur der AfD nutzen. | |
Ultraorthodoxe in Israels Armee: Israels Streit-Kräfte | |
Ultraorthodoxe absolvierten bislang selten den Militärdienst. Viele meinen, | |
die Armee sei zu liberal und zu „woke“, doch nun werden sie einberufen. | |
Kolumne „Liebeserklärung“: Der Waschbär | |
Wenn ein putziges Tierchen einen Wolkenkratzer bezwingt, ist uns das mehr | |
Aufmerksamkeit wert als das Aussterben ganzer Arten. |