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# taz.de -- Kolumne „Liebeserklärung“: Der Waschbär
> Wenn ein putziges Tierchen einen Wolkenkratzer bezwingt, ist uns das mehr
> Aufmerksamkeit wert als das Aussterben ganzer Arten.
Bild: Hat der Waschbär Rocket irgendwo an der Wolkenkratzerwand etwas Pflanzli…
Weltweites Entzücken, Livestreams und virale Internetvideos, Millionen
mitfiebernde Menschen – nein, nicht die Fußball-WM ist gemeint, sondern der
Waschbär Rocket, der in Saint Paul (Minnesota) über mehrere Tage und
Etappen ein 26-stöckiges Hochhaus erklomm und die Beobachter mit seinen
Kletterkünsten in den Bann schlug. Der pelzige Superstar nahm selbst
vertikale Betonwände ohne Probleme. Und plötzlich liebten alle den
Waschbären, auch bei uns.
Das ist nicht selbstverständlich, denn der nordamerikanische Kleinbär gilt
in Europa als illegaler Immigrant, obwohl er sich seit Jahrzehnten fest
etabliert hat. Die EU fordert seine Abschiebung, auch privates Asyl darf
ihm nicht mehr geboten werden – selbst seine dauerhafte Haltung in Zoos ist
untersagt, lediglich den dort noch lebenden Altbären wird ein Gnadenbrot
zugesprochen.
Dabei gehört der Waschbär längst zu Deutschland, denn die Kerlchen kommen
hier bestens sowohl in der Natur als auch besonders in der Nähe des
Menschen zurecht. Aber man soll Tiere nicht vermenschlichen und
biologistisches Denken nicht in gesellschaftliche Diskussionen sickern
lassen.
So sehr die Analogien sich aufdrängen, sie sind falsch – und das Problem
von eingeschleppten Tierarten bleibt ein durchaus reales für den Natur- und
Artenschutz, wenn es sicherlich auch gerade im Fall des Waschbären
hysterisiert wird. Denn solange wir freilaufende Katzen dulden, die
milliardenfach anderes Getier um die Ecke bringen, muss man sich über
invasive Waschbären in Europa eigentlich keine großen Gedanken machen.
## Spiderman-Waschbär
Letztlich zeigt der Spiderman-Waschbär aus Minnesota vor allem eines: Wir
können uns problemlos mit Einzelschicksalen identifizieren, die uns zu
Herzen gehen – dann sind Anteilnahme und auch Geldmittel zur Rettung des
Individuums kein Problem. Dass wir mit unserem täglichen Handeln und
unseren politischen Entscheidungen gleichzeitig massenhaft weniger putzige
Arten gleich populationsweise auslöschen, interessiert dann wieder
niemanden mehr.
Aber diesen Irrsinn einmal mehr so plakativ verdeutlicht zu haben, dafür
gebührt Waschbär Rocket zweifellos eine Liebeserklärung. Und niedlich ist
er ja auch tatsächlich. Wie der da hochklettert!
15 Jun 2018
## AUTOREN
Heiko Werning
## TAGS
Waschbären
Minnesota
Artensterben
Schwerpunkt Flucht
Leipzig
Waschbären
Waschbären
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