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# taz.de -- Überwachung von Letzter Generation: Monatelang mitgelauscht
> Über eine lange Zeit haben bayerische Ermittler Telefone der „Letzten
> Generation“ angezapft und E-Mails mitgelesen. Mitglieder der Gruppe
> reagieren empört.
Bild: Polizeikräfte beim Versuch, Carla Hinrichs, Sprecherin der Umweltschutzg…
Berlin/münchen/Sylt afp/dpa | Die Klimabewegung Letzte Generation hat sich
empört über eine mutmaßliche Abhöraktion bayerischer Ermittler gegen ihre
Vertreter und Mitglieder gezeigt. Dass etwa auch private Telefongespräche
mitgehört und protokolliert wurden, sei „verstörend“, erklärte die
Sprecherin der Bewegung Carla Hinrichs am Samstag. Die möglicherweise
gleichfalls betroffene Aktivistin Imke Bludszuweit nannte es laut einer
Erklärung „absurd und erschreckend, welche Geschütze hier aufgefahren
werden, um friedlichen Protest zu unterdrücken“.
Die Süddeutsche Zeitung hatte zuvor von den Maßnahmen der bayerischen
Ermittlungsbehörden berichtet. Diese hätten auch Genehmigungen eingeholt,
um die Standortdaten von Handys zu ermitteln, Mailboxen von Aktivisten
abzuhören und deren E-Mails „in Echtzeit“ mitzulesen. Betroffen war demnach
auch ein Festnetzanschluss mit Berliner Vorwahl, den die Letzte Generation
als ihr offizielles Pressetelefon ausgibt.
Die Letzte Generation erklärte in der Mitteilung, ob die Überwachung noch
anhalte, sei unklar. Ungeachtet des Vorgehens gegen die Bewegung werde die
Gruppe „ihren Protest [1][auch in der nächsten Woche in ganz Deutschland]
auf die Straße tragen“.
## Bayerns Regierung weist Kritik zurück
Bayerns Justizminister Georg Eisenreich (CSU) hat Kritik an der
umstrittenen Durchsuchungsaktion bei Umweltaktivisten der Letzten
Generation zurückgewiesen. Im Innenausschuss des bayerischen Landtags
widersprach er am Mittwoch insbesondere Spekulationen und Mutmaßungen, die
CSU-geführte Staatsregierung habe die Aktion aktiv vorangetrieben, um
bewusst ein Zeichen zu setzen.
„Das Ministerium hat zu den Ermittlungen keine Weisungen erteilt und auch
sonst keinen Einfluss auf die Ermittlungen genommen“, betonte er.
Eisenreich räumte aber ein, dass ein Warnhinweis der Behörden auf einer
beschlagnahmten Internetseite zunächst fehlerhaft gewesen sei.
Ende Mai hatten rund 170 Beamte bei einer Razzia gegen die Letzte
Generation Wohnungen und Geschäftsräume in sieben Bundesländern durchsucht,
wie die Generalstaatsanwaltschaft München und das Bayerische
Landeskriminalamt mitteilten. Der Tatvorwurf lautet auf Bildung
beziehungsweise Unterstützung einer kriminellen Vereinigung. Die Aktivisten
bestreiten, kriminell zu sein, obwohl mehrere Mitglieder der Gruppe wegen
Straftaten verurteilt wurden, teils zu Haftstrafen. Die Razzia wurde von
vielen Seiten als übertrieben kritisiert. Die Gruppe selbst beklagte unter
anderem, ihre Mitglieder fühlten sich wie „Schwerverbrecher behandelt“. Von
vielen anderen Seiten wurde die Durchsuchungsaktion aber auch verteidigt.
## Kieler Landesregierung kündigt mehr Härte an
Unterdessen hat die schleswig-holsteinische Landesregierung erklärt, dass
die Polizei bei Straftaten von radikalen Klimaschützern in
Schleswig-Holstein [2][künftig konsequenter vorgehen werde]. „Es ist
vorgesehen, dass die Aktionen der sogenannten Letzten Generation
polizeilich konzentriert und dadurch beschleunigt bearbeitet werden“, sagte
Innenministerin Sabine Sütterlin-Waack (CDU) am Donnerstag bei einem Besuch
auf Sylt. Der Staatsschutz werde bei Straftaten künftig zentralisiert
ermitteln.
Auf der Nordseeinsel traf sich die Ministerin mit Vertreterinnen und
Vertretern von Polizei, Verwaltung und Politik. Dort hatten Mitglieder der
Gruppe ein Privatflugzeug, eine Hotelbar und die Fassade eines Geschäfts
mit Farbe besprüht.
Seit Februar registrierte die Polizei insgesamt 17 Protestaktionen der
Gruppe in Schleswig-Holstein. „Die relevanten Straftaten waren Nötigung,
Sachbeschädigung, Hausfriedensbruch und Verstoß gegen das
Luftsicherheitsgesetz“, wie ein Sprecher des Landespolizeiamts der sagte.
„Mittlerweile haben die Aktionen auf Sylt und in Neustadt in Holstein eine
neue Qualität erreicht“, sagte Sütterlin-Waack. Der Rechtsstaat müsse alle
zur Verfügung stehenden Möglichkeiten zur Gefahrenabwehr und zur
Strafverfolgung ausschöpfen. „Die Meinungsfreiheit ist ein unverzichtbares
Gut.“ Der Staat müsse aber auch dafür sorgen, dass Recht und Gesetz
eingehalten werden. „Das sind wir allen Menschen schuldig, die sich an die
Regeln in unserem Land halten.“
Sütterlin-Waack kündigte an, dass die Polizeipräsenz nach den jüngsten
Vorkommnissen auf Sylt erhöht werden soll. Die Polizei passt zudem ihre
Handlungsanweisung zum Umgang mit Festklebeaktionen an. „Darüber hinaus
bereitet sich Schleswig-Holstein konkret darauf vor, in geeigneten Fällen
bei den zuständigen Gerichten den Antrag zu stellen, Aktivistinnen und
Aktivisten zur Verhinderung weiterer Straftaten in Präventivgewahrsam zu
nehmen“, sagte die Juristin. Die Voraussetzungen dafür seien aber hoch.
„Gleichwohl hat der Staat die Pflicht, alle zur Verfügung stehenden Mittel
zur Gefahrenabwehr zu prüfen und selbstverständlich – soweit rechtlich
zulässig – auch einzusetzen.“
Zuvor hatte Ministerpräsident Daniel Günther (CDU) bereits eine härtere
Gangart angekündigt. „Bei der Letzten Generation [3][handelt es sich um
Kriminelle], die mit ihren Straftaten längst alle Grenzen überschritten
haben“, sagte Günther. „Das Maß ist voll. Wir werden in Schleswig-Holstein
jetzt alle Möglichkeiten ausschöpfen, die der Rechtsstaat bietet, um ihren
Machenschaften das Handwerk zu legen.“
Am Dienstag hatte die Gruppe in Neustadt in Holstein eine Jacht mit Farbe
besprüht. Außerdem wurde das Wasser im Jachthafen nach Polizeiangaben mit
einem Farbstoff grün eingefärbt. Mit ihren Aktionen will die Letzte
Generation nach eigenen Angaben darauf aufmerksam machen, dass reiche
Menschen mit ihrem Lebensstil deutlich mehr Kohlendioxid produzieren als
Normalbürger.
Unterstützung für den Kurs signalisierte am Donnerstag auch der
Koalitionspartner. „Die Aktionen auf Sylt und in Neustadt in Holstein haben
weder mit zivilem Ungehorsam noch der Meinungsfreiheit oder dem
Versammlungsrecht etwas zu tun“, sagte der Grünen-Innenpolitiker Jan
Kürschner. Die jüngsten Aktionen seien Straftaten und müssten konsequent
verfolgt werden. „Die Straftaten werden auch nicht dazu führen, dass mehr
Menschen für den Klimaschutz eintreten werden.“ Statt über Klimaschutz zu
diskutieren, werde seit Monaten über die Aktionsformen der Letzten
Generation gesprochen. „Damit konterkarieren sie ihre eigenen Ziele.“ Die
Polizei im Norden habe bislang besonnen und konsequent auf Aktionen
reagiert.
24 Jun 2023
## LINKS
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[3] /Klimaprotest-keine-kriminelle-Vereinigung/!5935457
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