# taz.de -- US-Präsident Trump in Kenosha: Spalten statt schlichten | |
> Trump nutzt den Ortsbesuch gnadenlos für seinen Wahlkampf. Er verhöhnt | |
> die schwarzen Opfer und die Schuldfrage ist für ihn eindeutig geklärt. | |
Bild: Schaut sich Schäden an, trifft aber nicht das Opfer von Polizeigewalt: T… | |
NEW YORK taz | Eine Woche und zwei Tage nachdem ein Polizist in Kenosha | |
einem [1][unbewaffneten schwarzen Mann sieben Kugeln in den Rücken] | |
geschossen hat, hat US-Präsident Donald Trump den Dienstag, 1. September, | |
in der Stadt in Wisconsin verbracht. Das Opfer der Polizeigewalt, den | |
29-jährigen Jacob Blake, der querschnittsgelähmt und mit einer Fußschelle | |
an sein Bett gefesselt im Krankenhaus liegt, hat Donald Trump dabei kein | |
einziges Mal erwähnt. | |
Dessen Familie trifft er nicht. Und auch für die Angehörigen der beiden | |
jungen Männer, die auf einer nächtlichen Solidaritätsdemonstration für | |
Blake von einem 17-jährigen weißen Trump-Fan mit einem Sturmgewehr | |
erschossen worden sind, zeigt er kein Mitgefühl. | |
Dem US-Präsidenten geht es um etwas anderes. Er braucht eine Kulisse, die | |
Angst macht. Vor dem Hintergrund ausgebrannter und zerstörter Geschäfte | |
macht er die demokratischen Lokalpolitiker für die Geschehnisse | |
verantwortlich. Und er warnt vor einem Präsidenten Joe Biden, mit dem sich | |
Chaos und Anarchie über das ganze Land verbreiten würden. | |
Als Kontrast dazu stellt Trump sich auf die Seite der Polizei. An seinem | |
Tag in Kenosha lobt er mehrfach das Korps, dem der beurlaubte Schütze | |
weiterhin angehört. | |
## Recht und Ordnung | |
Trump ist nicht gekommen, um zu schlichten. Er braucht Trümmer. Nachdem er | |
keine Wirtschaftsbilanz und keine Arbeitsmarktzahlen hat, die er vorweisen | |
kann, und nachdem bereits mehr als 183.000 Menschen in den USA an den | |
Folgen der Pandemie gestorben sind, versucht er, als Kandidat für „Recht | |
und Ordnung“ zu punkten. | |
Beide Stichworte passen zu seiner Person wie wie die Faust aufs Auge. Mit | |
Trumps mutmaßlichen Gesetzesbrüchen – von Steuerhinterziehungen bis zu | |
Vergewaltigungen – befassen sich Hunderte von Gerichten. Und die | |
öffentliche Ordnung in den USA war seit Jahrzehnten nicht mehr so gefährdet | |
wie unter Trump. | |
Aber das hält Trump nicht ab. In Kenosha verspricht er Millionenbeträge für | |
Geschäftsleute und für die Polizei. Er redet von „ungeheuerlichen | |
Gewalttaten“, wobei er die Polizisten als Opfer beschreibt. Die Polizei | |
befinde sich – laut Trump – „im Belagerungszustand“. | |
Sogar für [2][die tödlichen Schüsse des 17-jährigen Kyle R]., der am | |
Dienstag der Vorwoche mit einem Sturmgewehr, das ihm nicht gehörte, aus dem | |
Nachbarbundesstaat Illinois nach Kenosha gekommen war, findet Trump eine | |
Rechtfertigung. Lokalpolizisten hatten – das zeigt ein Video jenes Tages – | |
nachmittags Wasser an schwerbewaffnete weiße Milizionäre ausgeteilt, die | |
sich in der Innenstadt von Kenosha versammelt hatten, und ihnen für ihre | |
Anwesenheit gedankt. | |
## Zum Märtyrer gemacht | |
Stunden später eröffnete der 17-jährige das Feuer auf antirassistische | |
Demonstranten. Dabei kamen der 36-jährige Joseph Rosenbaum und der | |
26-jährige Anthony Huber ums Leben. Anschließend verließ der 17-Jährige mit | |
seinem Sturmgewehr den Tatort. Als ihm eine Polizeikolonne entgegenrollte, | |
hob er die Hände und konnte ungestört weitergehen. | |
Seit jener tödlichen Nacht haben Trump-Anhänger Geld für den inzwischen | |
inhaftierten 17-Jährigen gesammelt und ihn zu einem Märtyrer gemacht. Am | |
Vortag seines Besuchs in Kenosha schließt auch Trump sich diesem Kult an. | |
Bei einer Pressekonferenz erklärt der Präsident, dass der 17-Jährige | |
angegriffen worden sei und dass er vermutlich selbst gestorben wäre, wenn | |
er nicht geschossen hätte. | |
Tatsächlich hatten Demonstranten versucht, ihm das Sturmgewehr wegzunehmen, | |
mit dem er in die Menge zielte. Während eines Interviews mit dem rechten | |
Fernsehsender Fox News verharmlost der US-Präsident am Montagabend auch die | |
sieben Polizeischüsse auf Blake. Er vergleicht sie mit einem Fehler beim | |
Golfspielen. | |
Der Bürgermeister von Kenosha und der Gouverneur von Wisconsin, beides | |
Demokraten, haben Trump vergeblich gebeten, nicht zu kommen. Die Lage in | |
der 100.000-Einwohner-Stadt ist angespannt. 25 Geschäfte sind zu Bruch | |
gegangen. Neben der Lokalpolizei patrouillieren hunderte Nationalgardisten | |
in der Stadt. Und auch die bewaffneten Milizionäre von der „Kenosha Guard“ | |
sind weiterhin auf der Straße. | |
## Spalier bewaffneter Rechter | |
Wenn die meist jungen weißen und schwarzen Antirassisten täglich | |
demonstrierend durch die Stadt laufen und unter anderem die Entlassung, | |
Anklage und Inhaftierung des Polizisten verlangen, der Blakes Leben | |
ruiniert hat, ziehen sie immer wieder durch ein Spalier von schwer | |
bewaffneten radikal Rechten. | |
Wenn die Antirassisten „Black Lives Matter“ skandieren, antworten die | |
Milizionäre: „Alle Leben zählen“. Viele von ihnen schwenken dazu | |
Trump-Fahnen und tragen seine roten Mützchen mit der Aufschrift: „Make | |
America Great Again“. | |
Am Dienstag, während Trumps Besuch, kommt es in der Stadt mehrfach zu | |
Schreigefechten zwischen Antirassisten und weißen Rassisten. Die | |
Familienangehörigen von Blake sind daran nicht beteiligt. Sie organisieren | |
mehrere Meilen vom Aufenthaltsort des Präsidenten entfernt ein Picknick mit | |
Musik. | |
Es findet in dem Stadtteil statt, in dem die Schüsse gefallen sind. Als der | |
Polizist auf Blake schoss, war der dabei, in ein Auto einzusteigen, auf | |
dessen Rückbank seine drei jungen Söhne saßen. Der US-Präsident behauptet, | |
dass er mit dem Geistlichen der Blake-Familie gesprochen habe. Doch Jacob | |
Blake sr., der Vater, entgegnet in einem Interview, seine Familie habe | |
keinen Geistlichen. | |
## Gewalt gegen Andersdenkende | |
Der US-Präsident schürt seit Jahren Gewalt gegen Andersdenkende. Bei einem | |
Wahlkampfmeeting ermunterte er Fans, einen Zwischenrufer zu verprügeln. | |
„Ich zahle die Anwaltskosten“, rief er damals ins Mikrofon. Nachdem ein | |
Neonazi im Zuge eines Aufmarschs in Charlottesville in eine | |
Gegendemonstration hineinfuhr und eine junge Frau tötete, sagte Trump, es | |
gebe „sehr gute Menschen auf beiden Seiten“. | |
Und exakt einen Tag bevor der 17-Jährige in Kenosha in die Menge schoss, | |
hatte Trump einem Anwaltspaar aus Missouri eine Gelegenheit für einen | |
großen Auftritt beim republikanischen Parteitag gegeben. Patricia und Mark | |
McCloskey hatten zuvor Schusswaffen auf Black-Lives-Matter-Demonstranten | |
gerichtet, die an ihrem Haus in St. Louis vorbeizogen. | |
Als kurz nach dem Parteitagsauftritt der beiden McCloskeys auch | |
Trump-Unterstützer in Portland, Oregon, zu Waffen gegen antirassistische | |
Demonstranten greifen und mit Pfefferspray auf sie losgehen, verteidigt | |
Trump das auch. | |
Der demokratische Präsidentschaftskandidat Biden hat das aggressive Treiben | |
lange relativ zurückhaltend verfolgt. Aber am Montag dieser Woche verändert | |
Biden seinen Ton. Bei einem Wahlkampfauftritt in Pittsburgh kritisiert er | |
jede Form von Randalieren, Plündern und Brandstiftung. | |
Zugleich macht er Trump für das Chaos verantwortlich. „Er hat es versäumt, | |
die Amerikaner zu schützen“, sagt Biden, „Jetzt versucht er, den | |
Amerikanern Angst zu machen.“ | |
2 Sep 2020 | |
## LINKS | |
[1] /Polizeigewalt-in-Wisconsin/!5709113 | |
[2] /Festnahme-in-US-Stadt-Kenosha/!5710320 | |
## AUTOREN | |
Dorothea Hahn | |
## TAGS | |
Schwerpunkt Rassismus | |
USA | |
Polizeigewalt | |
Donald Trump | |
Schwerpunkt US-Präsidentschaftswahl 2020 | |
Schwerpunkt USA unter Donald Trump | |
Schwerpunkt Polizeigewalt und Rassismus | |
Schwerpunkt Rassismus | |
Schwerpunkt US-Präsidentschaftswahl 2020 | |
Schwerpunkt US-Präsidentschaftswahl 2020 | |
USA | |
Schwerpunkt US-Präsidentschaftswahl 2020 | |
Schwerpunkt US-Präsidentschaftswahl 2020 | |
Schwerpunkt Polizeigewalt und Rassismus | |
Schwerpunkt Polizeigewalt und Rassismus | |
## ARTIKEL ZUM THEMA | |
Keine Erdölbohrungen vor Küste Floridas: Trump macht auf Umweltschützer | |
Der US-Präsident hat das Verbot von Ölbohrungen um zehn Jahre verlängert. | |
Vor einigen Monaten habe er noch andere Pläne gehabt, sagt sein | |
Präsidentschaftsrivale Joe Biden. | |
US-Debatte über rassistische Gewalt: Trump gegen Antira-Schulungen | |
Die US-Regierung will auf Anweisung des Präsidenten | |
Anti-Rassismus-Schulungen stoppen. Donald Trump nennt diese auf Twitter | |
eine „Krankheit“. | |
Gewalt in den USA hört nicht auf: Warum schoss er? | |
Michael R. soll in Portland einen Anhänger von US-Präsident Trump | |
erschossen haben. Jetzt wurde er selbst von Polizisten getötet. | |
Joe Biden in Kenosha: Gegen die „Ursünde Amerikas“ | |
Der Präsidentschaftskandidat der Demokraten hat sich in Kenosha mit den | |
Angehörigen von Jacob Blake getroffen. Er versprach, gegen Rassismus | |
kämpfen zu wollen. | |
Trumps Angst-Strategie: Biden in Bedrängnis | |
Trump schiebt die Unruhen den Demokrat*innen in die Schuhe. Sein | |
Herausforderer Biden antwortet mit gemäßigten Tönen. Damit überzeugt er | |
niemanden. | |
US-Wahlkämpfer Joe Biden: Der blasse Kandidat | |
Im US-Wahlkampf sieht sich Trumps Herausforderer Biden durch den | |
Dauerbeschuss des Präsidenten in die Enge getrieben. Er kommt nicht in die | |
Offensive. | |
US-Polizei erschießt Schwarzen Radfahrer: Es hört einfach nicht auf | |
Bis zu elf Schüsse sollen Polizisten in Los Angeles auf einen 29-Jährigen | |
abgegeben haben, auch als er am Boden lag. Er soll eine Waffe gehabt haben. | |
Antirassismus-Kundgebung in Washington: „Wir werden diesen Traum erfüllen“ | |
57 Jahre nach Martin Luther King Jr. gingen am Freitag Zehntausende bei | |
einem neuen „March on Washington“ gegen Rassismus in den USA auf die | |
Straße. | |
Abschluss des US-Republikaner-Parteitags: Trumps uninspirierte Düsternis | |
70 Minuten lang spricht US-Präsident Donald Trump zum Abschluss des | |
Parteitags der RepublikanerInnen. Seine Message: Angstmache vor Joe Biden. | |
Festnahme in US-Stadt Kenosha: Kindergesicht mit Knarre | |
Am Dienstag wurden bei Protesten im US-Bundesstaat Wisconsin zwei Menschen | |
erschossen. Jetzt wurde ein 17-jähriger Waffenfan festgenommen. | |
Polizeigewalt in Wisconsin: Sieben Schüsse in den Rücken | |
Ein weiterer Vorfall von Polizeigewalt in den USA: Im Bundesstaat Wisconsin | |
schießt ein Polizist den Schwarzen Jacob Blake aus nächster Nähe nieder. |