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# taz.de -- Todesstrafen in Iran: Wo bleibt der Aufschrei?
> In Iran steigt die Zahl der Hinrichtungen, berichtet Amnesty. Das Regime
> schickt gleichzeitig versöhnliche Zeichen an den Westen – und der
> schweigt.
Bild: Tanzen statt töten! Fordert hier eine Aktivistin von One Law in London
Man beobachte in Iran eine „beispiellose Hinrichtungswelle“: So steht es im
jährlichen Bericht von Amnesty International zu Todesstrafen, der an diesem
Dienstag veröffentlicht wird. Demnach war das iranische Regime im [1][Jahr
2022 für 65 Prozent] aller weltweit bekannt gewordenen Hinrichtungen
verantwortlich. In diesem Jahr wurden laut Amnesty bereits mindestens 209
Menschen exekutiert. Zurzeit sind es im Schnitt zehn Menschen pro Woche,
[2][die am Strang sterben].
Dazu hört man von EU und Bundesregierung: nichts. Dem iranischen Regime ist
es wieder einmal gelungen, die europäischen Regierungen einzulullen.
Denn die Machthaber in Teheran wissen, dass Bundesregierung und EU sich
ungern öffentlich zu den Menschenrechtsverletzungen in Iran äußern.
Öffentliche Ermahnungen verkomplizieren den gewohnten und geschätzten
Umgang mit dem Regime in Teheran: Stille Diplomatie – die halten deutsche
Bundesregierungen seit vielen Jahren für das erfolgreichste Vorgehen, gegen
alle Evidenz.
Und so gibt sich das iranische Regime seinerseits Mühe, das Aufhebens um
die Hinrichtungen so klein wie möglich zu halten. Erstens, weil knapp die
Hälfte der Todesurteile wegen „Drogendelikten“ gefällt werden. Sie sind
also auf den ersten Blick „nicht politisch“. Das sind sie aber sehr wohl:
Sie dienen der „Verbreitung von Angst“, so schreibt die
Menschenrechtsorganisation Iran Human Rights in einem kürzlich erschienenen
[3][Bericht]. Soziale Kontrolle durch Hinrichtungen: Das ist die
klandestine „Politik“ des iranischen Regimes.
## Es gibt keine Hashtags
Zweitens: Es werden überdurchschnittlich [4][viele Menschen hingerichtet,
die ethnischen Minderheiten] angehören – Belutsch*innen, Kurd*innen,
Araber*innen. Der „Vorteil“: Die meisten dieser Menschen leben in Armut und
in Gegenden, in denen es kaum Internetzugang und Smartphones gibt. In
diesen Regionen des Landes haben viele Menschen keinen Personalausweis,
ihre Identität bleibt oft verborgen. Ihre Namen und Bilder erreichen nicht
die Weltöffentlichkeit, es gibt keine Hashtags. Sie sterben in Anonymität.
Anonyme Tote machen keine guten Geschichten, erzeugen kein Mitgefühl,
werden vergessen.
Gleichzeitig schickt das Regime vermeintlich versöhnliche Zeichen an den
Westen: zum Beispiel durch [5][die eben erfolgte Freilassung] der Franzosen
Benjamin Brière und Bernard Phelan. Natürlich ist das Timing inmitten der
Hinrichtungswelle bewusst gewählt. Auch das eine bewährte Strategie,
westliche Regierungen zu manipulieren.
Nun ist es natürlich nicht so, dass es der Bundesregierung ernsthaft
verborgen bleiben würde, was in Iran vor sich geht. Die Berichte von
Menschenrechtsorganisationen und Aktivist*innen sind so eindeutig wie
eindringlich. Der ausbleibende mediale Aufschrei aber macht es der
Regierung leicht, den Kopf in den Sand zu stecken.
## Aufmerksamkeit ist lebensrettend
Das ist tragisch. Denn gerade im Fall des iranischen Regimes ist
Aufmerksamkeit lebensrettend. Die iranischen Machthaber fürchten
Aufmerksamkeit wie der Teufel das Weihwasser. Sie untergräbt das Selbstbild
eines legitimen Staats, das für die Führungsriege und ihre Gefolgsleute
zentral ist. Wird diese Legitimität infrage gestellt, könnte das den
inneren Zusammenhalt und damit das gesamte System ernsthaft gefährden.
Trotzdem schweigt die Bundesregierung, die von sich behauptet, eine
wertegeleitete, gar „feministische“ Außenpolitik zu verfolgen. „Die
internationale Gemeinschaft muss den politisch-diplomatischen Druck auf die
iranische Regierung spürbar erhöhen und sich vehement für das Recht auf
Leben einsetzen“, heißt es in dem [6][Bericht von Amnesty International].
Dass Deutschland und die EU dazu gewillt sind, das bleibt, so zeigt die
Erfahrung, leider zu bezweifeln.
16 May 2023
## LINKS
[1] /Todesstrafe-im-Iran/!5870834
[2] /Todesstrafe-in-Iran/!5932580
[3] https://iranhr.net/media/files/Rapport_iran_2022_PirQr2V.pdf
[4] /Todesstrafe-in-Iran/!5927955
[5] https://www.lemonde.fr/en/france/article/2023/05/12/iran-two-frenchmen-benj…
[6] https://www.amnesty.de/
## AUTOREN
Gilda Sahebi
## TAGS
Proteste in Iran
Amnesty International
Hinrichtung
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Todesstrafe
Menschenrechtsverletzungen
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