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# taz.de -- Tod von Fußballikone Maradona: Idol der marginalisierten Massen
> Dem verstorbenen Fußballer Diego Maradona wird weltweite Verehrung
> zuteil. Das hat auch mit seiner sozialen Herkunft zu tun.
Bild: Wandbild von Maradona: Verehrung allenthalben
Am Tag nach dem Ableben des Fußballspielers Diego Armando Maradona scheint
nichts mehr so zu sein, wie es war. „Gott ist tot“, titelte die
französische Sporttageszeitung l’Équipe in ihrer Trauerausgabe zum Tod des
Argentiniers, und niemand in der weiten Welt des Fußballs würde bezweifeln,
dass an diesem 25. November 2020 etwas ganz Großes zu Ende gegangen ist.
Die Nachrufe lesen sich wie Gebete. Er wird angehimmelt wie ein Heiliger.
Kaum einer mahnt, ruft die Trauergemeinde zur Vernunft und sagt, dass es
doch bloß ein Mensch war, der da gestorben ist. Und kaum einer kann
erklären, warum da einer, der gewiss fehlbar war, so verehrt wird.
Klar, da ist die Aufsteigergeschichte, für die Maradona steht. Einer, der
wie er in einem Elendsquartier im Süden der [1][argentinischen Hauptstadt
Buenos Aires aufgewachsen ist], schafft es für gewöhnlich nicht in die Welt
der Reichen und schön Herausgeputzten. Fußball spielte er auf der Straße
mit seinem Team gegen andere Mannschaften von der Straße. Als er neun Jahre
alt war, hat ihn dabei der Jugendtrainer eines Erstligisten gesehen. Liest
man die Nachbetrachtungen zu Maradonas Leben, kann man beinahe zu dem
Schluss kommen, dass es sich bei der Begegnung um eine göttliche Fügung
gehandelt haben muss.
Mit 15 spielte er in der ersten Liga des Landes, mit 16 in der
Nationalmannschaft. Mit 21 wechselte er nach Europa zum FC Barcelona. Da
galt er schon als Wundertäter. Einen Titel hatte er noch nicht gewonnen.
Aber man erzählte Sagenhaftes über ihn. Es war eine Zeit, in der ein
spektakulärer Spielzug noch nicht binnen Minuten via Youtube millionenfach
geteilt wurde. Was er konnte, war noch nicht immer und überall abrufbar.
Als er bei der WM 1986 in Mexiko gegen England das vielleicht schönste Tor
in der Geschichte des Fußballs geschossen hatte, da konnten endlich alle
sehen, dass da einer unterwegs war, der mit dem Ball konnte, was niemand
zuvor je vermocht hatte. Und als er im selben Spiel ein Tor mit der Hand
erzielt und danach behauptet hat, es sei die Hand Gottes gewesen, da wollte
man es ihm nur allzu gern glauben. Am Ende war Argentinien Weltmeister.
Maradona hatte den Titel gewonnen, die Mannschaft hat ihm dabei ein wenig
geholfen.
Bei jener WM spielte er schon an gegen die Geschichten, die davon erzählt
haben, wie schlecht Maradona mit dem Leben als Aufsteiger zurechtgekommen
ist. In Barcelona genoss er das Nachtleben. Er hatte Zeit dafür, war er
doch von einem überforderten Verteidiger brutal gefoult worden. Nicht alle
Gegenspieler ließen ihn staunend gewähren, so wie die sechs Belgier auf
jenem berühmten Foto, die den allein auf sie zudribbelnden Maradona ratlos
zu erwarten scheinen. Der belgische Fußballverband hat das [2][Bild nach
Maradonas Tod noch via Twitter verbreitet]. Die Botschaft dazu: „Es war uns
eine Ehre, gegen dich zu spielen, Diego.“
## Er hat nie vergessen, woher er kommt
Verehrung allenthalben, in Neapel sowieso. Da spielte er seit 1984.
Maradona in Neapel – ein Wunder, so unglaublich wie sein Tor gegen England.
Noch unglaublicher war dann der italienische Meistertitel 1987. Es war der
erste für den Klub, dem 1990 noch ein zweiter folgen sollte. Da war längst
bekannt, dass Maradona Party machte, Schnee schnupfte, was das Zeug hielt.
Dass er nach einem Spiel am Wochenende erst wieder am Donnerstag zum
Training erschien. Er brauchte die Zeit, um halbwegs zu entgiften. Er
spielte und schnupfte, bis der Verband ihn 15 Monate gesperrt hat. Kokain
steht auf der Dopingliste.
Der Liebe zu ihm hat das keinen Abbruch tun können. Wer über ihn lachte,
musste staunen, als er wieder spielte. Und wer gesehen hat, wie er den Ball
zu streicheln wusste, wollte keinen Skandal darin sehen, dass ihn die
Behörden zur Persona non grata erklärten, dass er von einem italienischen
Gericht wegen Zuhälterei und Drogenhandel zu einer Bewährungsstrafe
verurteilt worden ist. Maradona war größer als das Gesetz.
Dass er verführt wurde von falschen Freunden, ist heute die schärfste
Kritik an ihm. Falsche Freunde mögen für viele auch Kubas verstorbener
Lider Fidel Castro sein, der ebenfalls verstorbene Hugo Chávez, der
venezolanische Volkstribun, und dessen Nachfolger Nicolás Maduro. Maradona
bezeichnete sie als echte Freunde. Und für diejenigen, die aus eigener
Erfahrung wissen, wie es ist, wenn man ins Elend geboren wird, war die
Freundschaft eine logische Folge seiner Herkunft.
Nach seinem Tod ist die Häme verstummt über das dicke Männlein mit dem
Che-Guevara-Tattoo, das immer lauter geworden war, je erfolgloser es als
Trainer nach seiner Karriere war. Dass er nie vergessen hat, woher er
kommt, das hat ihn zum Idol der marginalisierten Massen gemacht. Auch
deswegen wird der Göttliche unvergessen bleiben.
27 Nov 2020
## LINKS
[1] /Fussballlegende-Diego-Maradona-ist-tot/!5731609
[2] https://twitter.com/BelRedDevils/status/1331645763839987713
## AUTOREN
Andreas Rüttenauer
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