| # taz.de -- Maradona-Würdigungen und Nachrufe: Hymnen von seiner Hand | |
| > Die Überhöhung von Diego Maradona treibt in den Nachrufen ihre eigenen | |
| > Blüten. Fast so, als hätte die Hand Gottes die Schreibfedern geführt. | |
| Bild: Eine Ikone: Maradonas Karriere eignet sich nicht für eine Pro- und Contr… | |
| Ist es jetzt nicht genug mit den unzähligen Erzählungen über den | |
| überirdischen Diego Maradona? Ist die Hymnenform die einzig mögliche, um | |
| diesen argentinischen Ausnahmefußballer zu beschreiben? Sind nicht schon | |
| alle Superlative aufgebraucht? Es scheint so, als hätte sich da immens viel | |
| aufgestaut in den vergangenen Jahren, was nicht hinauskonnte, weil die | |
| irrlichternden Auftritte Maradonas in den letzten Jahren nicht in das Bild | |
| passen, das nun göttergleich von ihm gezeichnet wird. | |
| Die Überhöhung von Diego Maradona treibt ihre eigenen Blüten. Maradona | |
| selbst sei es zuzuschreiben, befand die Süddeutsche Zeitung zumindest im | |
| Halbernst, dass post mortem auch die Nachrufautoren weltweit zu Topform | |
| aufgelaufen seien. Als hätte irgendwie auch Maradonas Hand, die | |
| erklärtermaßen zugleich Gottes Hand ist, all die schreibenden Hände | |
| geführt. | |
| Das würde die Einlassungen des einstigen argentinischen Trainers und | |
| Spielers Jorge Valdano in derselben Zeitung ganz gut erklären. Der Mann, | |
| der auch den Beinamen Fußballphilosoph trägt, schrieb: „Es wird hier nicht | |
| ein Vorwurf zu finden sein. Denn sein Fußball hatte keinen Makel, und der | |
| Mensch war ein Opfer.“ Maradona ist also zum Opfer seines eigenen Genies | |
| geworden und damit unangreifbar. | |
| Geht es nicht etwas kritischer? Muss man Maradona jetzt alles durchgehen | |
| lassen? Seine Vorliebe für rücksichtslose Autokraten, seine eigene | |
| machohafte Rücksichtslosigkeit gegenüber Frauen etwa? | |
| Nein, muss man nicht. Aber man muss wissen: die Nachrufe erzählen mehr über | |
| ihre Autor:innen als über Diego Maradona. [1][Es sind unverhohlene | |
| Liebeserklärungen], die sich einer Pro und Contra-Logik verweigern. Es sind | |
| Elogen auf einen, der mit seinem überbordenden Talent unendlich weite | |
| Projektionsräume eröffnet und Kindheitsträume lebendig gehalten hat. | |
| ## „Liebe zum Fußball ist Liebe zu Diego“ | |
| Der Anziehungskraft von Bayern München oder Real Madrid können viele recht | |
| einfach widerstehen, dem Faszinosum Diego Armando Maradona vermögen sich | |
| dagegen nur wenige zu entziehen. Bundesligatrainer Christian Streich vom SC | |
| Freiburg hat es auf die sehr knackige Formel gebracht: „Liebe zu Fußball | |
| ist Liebe zu Diego Maradona.“ | |
| Falls man Bayern München doch lieben sollte, kann man Karl Heinz Rummenigge | |
| und Uli Hoeneß dennoch verachten. Maradona gibt es nur ganz oder gar nicht. | |
| Zwar gibt es auch in den Nachrufen den Versuch der Aufspaltung, um seine | |
| Schattenseite irgendwo verorten zu können. Der herzensgute Diego auf der | |
| einen Seite und der von außen fremdbestimmte Superstar Maradona. Aber Diego | |
| bleibt der Kern, und Maradona ist nichts weiter [2][als die gerade durch | |
| den Tod vernachlässigbar gewordene Hülle.] | |
| So viel Fehlertoleranz und Barmherzigkeit wie dieser Tage hat der Fußball | |
| vielleicht noch nie ausgestrahlt. Fast alle, die halbwegs prominent sind | |
| und diesen Mann einmal in ihrem Leben gestreift haben, haben etwas Schönes | |
| zu Maradona zu sagen oder berichten gehabt. Nur Bundestrainer Joachim Löw | |
| und DFB-Direktor Oliver Bierhoff, die seit dem Debakel von Sevilla mächtig | |
| unter Beschuss stehen, sind völlig abgetaucht. Wahrscheinlich träumen sie | |
| gerade von dieser Barmherzigkeit. | |
| 27 Nov 2020 | |
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| Johannes Kopp | |
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