| # taz.de -- Thilo Sarrazin aus der SPD ausgeschlossen: Dritter Anlauf erfolgrei… | |
| > Die Bundesschiedskommission der SPD bestätigt den Ausschluss des | |
| > hochumstrittenen Bestsellerautors. Die Partei atmet auf. Jetzt will | |
| > Sarrazin klagen. | |
| Bild: Ende einer langen Reise: Thilo Sarrazin muss sich eine neue politische He… | |
| Berlin taz | Im dritten Anlauf hat es doch noch geklappt: Thilo Sarrazin | |
| ist nicht mehr Mitglied der Sozialdemokratischen Partei Deutschlands. Das | |
| hat die Bundesschiedskommission der Partei entschieden. Sie erklärte am | |
| Freitag nach mehrstündiger Verhandlung den Rausschmiss des 75-Jährigen für | |
| zulässig. „Der Parteiausschluss ist damit wirksam“, hieß es [1][in einer | |
| Mitteilung des Gremiums]. | |
| Die Bundesschiedskommission begründete ihre Entscheidung damit, „dass zum | |
| Schutz des Ansehens und der Glaubwürdigkeit der SPD“ der Ausschluss | |
| rechtmäßig sei. Sarrazin habe „erheblich gegen die Grundsätze und die | |
| Ordnung der Partei verstoßen und ihr damit Schaden zugefügt“. Bliebe er | |
| Mitglied, „entstünde nach außen der Eindruck, die SPD böte auch Mitgliedern | |
| mit Auffassungen im rechtspopulistischen Spektrum Raum“. | |
| Konkret ging die Kommission auf Aussagen Sarrazins, der seit 1973 Mitglied | |
| war, zur Flüchtlings- und Migrationspolitik ein. So erhebe er | |
| beispielsweise die Forderung, Menschen ohne Aufenthaltsstatus notfalls mit | |
| militärischen Mitteln in ihre Herkunftsländer zurückzuführen. Auch fordere | |
| der frühere Berliner Finanzsenator, abgelehnten Geflüchteten gerichtlichen | |
| Rechtsschutz zu versagen. Das sei „mit den Menschenrechten, zu denen sich | |
| die SPD bekenne, nicht vereinbar“. | |
| Eingebettet seien solche inakzeptablen Auffassungen „in eine Linie der | |
| Herabwürdigung von Menschen vor allem muslimischen Glaubens, denen er nach | |
| dem Gesamteindruck seines Werks im Kern den gleichen Wert und die gleiche | |
| Würde abspreche“. | |
| Darüber hinaus beanstandete die Schiedskommission die Teilnahme Sarrazins | |
| an einer Veranstaltung einer FPÖ-nahen Akademie in Wien. [2][Sein | |
| gemeinsamer Auftritt] mit dem damaligen FPÖ-Parteiobmann Heinz-Christian | |
| Strache im Vorfeld der Europawahlen 2019 sei eine „erhebliche | |
| öffentlichkeitswirksame Unterstützungsleistung zu Gunsten der | |
| rechtspopulistischen FPÖ“ gewesen und habe „gegen das Gebot der | |
| innerparteilichen Solidarität verstoßen“. | |
| ## Aufatmen in der SPD | |
| Damit schloss sich das oberste Parteigericht der Auffassung des | |
| SPD-Vorstandes an, der das Verfahren angestrengt hatte. Entsprechend | |
| begrüßte SPD-Generalsekretär Lars Klingbeil die Entscheidung. „Das ist für | |
| uns ein wichtiger, ein guter Tag“, sagte Klingbeil am Freitagnachmittag im | |
| Willy-Brandt-Haus. Sarrazin werde „künftig seine rassistischen, seine | |
| antimuslimischen Thesen nicht mehr unter dem Deckmantel einer | |
| SPD-Mitgliedschaft verbreiten können“. | |
| In der Partei herrscht Erleichterung. „Der Ausschluss von Sarrazin ist ein | |
| starkes Zeichen“, kommentierte die stellvertertende Bundesvorsitzende | |
| [3][Serpil Midyatli auf Twitter] den Schiedsspruch. Die SPD dürfe „keine | |
| Plattform für ein Geschäftsmodell sein, das auf Rassismus und gezielter | |
| Provokation basiert“. | |
| Der Vorsitzende der Landtagsfraktion in Schleswig-Holstein, [4][Ralf | |
| Stegner, twitterte] „Rassismus und Intoleranz widersprechen den Grundwerten | |
| unserer SPD. Deshalb hat ein Mann wie Sarrazin in unserer Partei auch | |
| nichts zu suchen!“ | |
| Ebenso [5][äußerte sich der SPD-Bundestagsabgeordnete Karl Lauterbach]: | |
| „Der Ausschluss ist richtig und setzt ein klares Zeichen“, schrieb | |
| Lauterbach auf Twitter. „Mit Sarrazins Thesen begann eine neue | |
| Rassismuswelle in Deutschland, die leider bis heute anhält.“ | |
| Und [6][die Jusos twitterten]: „Sarrazin war lange kein Sozialdemokrat | |
| mehr, jetzt ist er auch kein Mitglied mehr. Endlich gilt #notmygenosse“. | |
| ## Mehr als zehnjähriger Streit | |
| Lange hat es gedauert. [7][Die SPD hat sich mit dem Ausschluss | |
| schwergetan.] Bei vermeintlichen Linksabweichlern wie dem Marburger | |
| Staatsrechtler Wolfgang Abendroth, dem Juso-Bundesvorsitzenden Klaus Uwe | |
| Benneter oder dem Bundestagsabgeordneten Karl-Heinz Hansen ging es einst | |
| ruckzuck und ohne viel Federlesen, sie aus der Partei zu befördern. Anders | |
| verhielt es sich im Fall des Ex-Bundesbankvorstands. | |
| Bereits seit Sarrazin 2009, also vor über zehn Jahren, erstmalig i[8][n | |
| einem Interview] mit der Kulturzeitschrift Lettre International einen | |
| tiefen Einblick in sein biologistisches und rassistisches Weltbild gegeben | |
| hat, konnte kein ernsthafter Zweifel daran bestehen, dass es in einem | |
| fundamentalen Widerspruch zu den Grundsätzen der SPD steht. So heißt es in | |
| deren Grundsatzprogramm: „Für die Gleichberechtigung und Selbstbestimmung | |
| aller Menschen – unabhängig von Herkunft und Geschlecht, frei von Armut, | |
| Ausbeutung und Angst.“ Die Partei widersetze sich „jeder Form der | |
| Diskriminierung“. | |
| Eine solche Positionierung ist [9][nicht wirklich kompatibel mit der | |
| Vorstellung Sarrazins], dass es „Unterschiede in der kognitiven Kompetenz | |
| von Ethnien“ gäbe oder „Begabungen und den Lebenserfolg fördernde | |
| Einstellungen in jeder Population ungleich verteilt und zu einem guten Teil | |
| erblich sind“. Trotzdem scheiterten die ersten beiden Ausschlussversuche | |
| 2010 und 2011 kläglich. 2018 kündigte der SPD-Vorstand dann jenes dritte | |
| Parteiordnungsverfahren an, das nun sein Ende gefunden hat. | |
| Endgültig abgeschlossen ist das Kapitel damit aber noch nicht. Wie Andreas | |
| Kalbitz gegen die Annullierung seiner AfD-Mitgliedschaft vor dem Berliner | |
| Landgericht klagt, will auch Sarrazin zivilgerichtlich seinen | |
| SPD-Ausschluss rückgängig machen. | |
| „Dies war kein offenes, ehrliches und faires Verfahren“, beklagte er nach | |
| der Schiedsgerichtsverhandlung. Nun bliebe im keine andere Wahl, als seinen | |
| „Ruf zu verteidigen“. Seiner Ankündigung nach will Sarrazin durch alle | |
| Instanzen ziehen, notfalls bis zum Bundesverfassungsgericht. | |
| 31 Jul 2020 | |
| ## LINKS | |
| [1] https://www.spd.de/presse/pressemitteilungen/detail/news/presseerklaerung-d… | |
| [2] https://kurier.at/politik/inland/skandalautor-sarrazin-diskutiert-mit-strac… | |
| [3] https://twitter.com/SerpilMidyatli/status/1289204477073879040 | |
| [4] https://twitter.com/Ralf_Stegner/status/1289202865991348224 | |
| [5] https://twitter.com/Karl_Lauterbach/status/1289202909872369665 | |
| [6] https://twitter.com/jusos/status/1289201535050584064 | |
| [7] /Thilo-Sarrazins-Parteiausschluss/!5653673 | |
| [8] /Portraet-Thilo-Sarrazin/!5155005 | |
| [9] /Neues-Buch-von-Thilo-Sarrazin/!5295134 | |
| ## AUTOREN | |
| Pascal Beucker | |
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