# taz.de -- Theorie zur Technikfolgenabschätzung: Expertenrat für Politiker | |
> Der Physiker und langjährige Leiter des Büros für | |
> Technikfolgenabschätzung Armin Grunwald hat aus seinen praktischen | |
> Erfahrungen eine Theorie geformt | |
Bild: Der Streit über das Atommülllager zeigt: Ohne Beteiligung der Zivilgese… | |
BERLIN taz | Wenn Wissenschaft die Politik berät, ist die Umsetzung der | |
Empfehlungen keineswegs sicher. Die Schubladen in Ministerien und | |
Parlamenten sind groß, in denen die Studien versenkt werden können. Der | |
Physiker und Philosoph Armin Grunwald, der seit 2002 das [1][Büro für | |
Technikfolgenabschätzung im Deutschen Bundestag (TAB)] leitet, hat viele | |
Expertenkommissionen kommen und gehen sehen. Er hat seine praktischen | |
Erfahrungen der wissenschaftlichen Politikberatung im Technologiebereich zu | |
einer grundlegenden Analyse verdichtet und daraus eine Theorie der | |
Technikfolgenabschätzung geformt [2][(„Technology Assessment in Practice | |
and Theory“).] | |
1972 wurde im US-Kongress das „Office of Technology Assessment“ (OTA) | |
gegründet, die „Mutter“ der Technikfolgenabschätzung (TFA). Der Deutsche | |
Bundestag folgte 1990. Seitdem hat sich die Beratungsszene stark | |
entwickelt, sowohl innerhalb der politischen Entscheidungsebene | |
(Enquetekommissionen) als auch extern (Thinktanks). So hat die | |
Bundesregierung in ihrem aktuellen Koalitionsvertrag 21 | |
Expertenkommissionen und Fachbeiräte aufgelistet, die ihr zur | |
Entscheidungsfindung zuarbeiten sollen. Darunter die Endlagerkommission für | |
atomare Abfälle, der auch Grunwald angehörte, oder die | |
Strukturwandelkommission für den Kohleausstieg. | |
Für erfolgreiche Politikberatung müssen nach Grunwalds Analyse drei | |
zentrale Dimensionen zur Geltung kommen: Die „Dimension der Antizipation“, | |
die plausible Folgen einer Technikanwendung in unterschiedlichen Szenarien | |
darstellen kann. Die „Dimension der Inklusion“, die die künftige | |
Entwicklung aus dem Blickwinkel der Gesellschaft betrachtet. Grunwald: | |
„Hierbei geht es nicht um die Entscheider-, sondern um die | |
Betroffenenperspektive.“ Bei Nachhaltigkeitsthemen würden dazu auch die | |
künftigen Generationen zählen. Die dritte Dimension ist ein | |
funktionierendes „Komplexitätsmanagement“, um die unterschiedliche | |
Sichtweisen unter einen Hut zu bringen. | |
Für die praktische TFA-Arbeit leitet Grunwald – der im Hauptberuf am | |
Karlsruher Institut für Technologie (KIT) das [3][Institut für | |
Technikfolgenabschätzung und Systemanalyse] leitet – drei wesentliche | |
Leitlinien ab. Für die Wissenschaft müsse im Verhältnis zu Gesellschaft und | |
Politik das Modell des „honest broker“ gelten – die Experten engagieren | |
sich ohne Eigeninteresse. Die Wissenschaft liefert die Fakten ohne | |
Werthaltungen; die – wertegeleiteten – Entscheidungen treffen andere. | |
Zweitens ist das „Denken in Alternativen“ für moderne TFA essenziell, wie | |
es in die Entscheidungsfindung zur Energiewende bereits Eingang gefunden | |
hat. | |
Schließlich sollte es im Beratungsverfahren darum gehen, die „deliberativen | |
Elemente stark zu machen“, wie es Grunwald formuliert. Das bedeutet, | |
möglichst viele Stimmen zu hören und einzubeziehen, um zu „robusten | |
Entscheidungen“ zu kommen, die dauerhaft Bestand haben. Für Grunwald ist | |
die „Lehre aus der Endlagerkommission: Ohne Deliberation wäre sie gegen die | |
Wand gefahren.“ Dabei geht es nicht um die Beschaffung von Akzeptanz im | |
Vorfeld, sondern darum, durch die Einbeziehung vieler – auch aus der | |
Zivilgesellschaft –, um letztlich „die Qualität der Ergebnisse zu | |
verbessern“. | |
10 Jun 2019 | |
## LINKS | |
[1] /Technikfolgenabschaetzung-oeffnet-sich/!5043225 | |
[2] https://www.itas.kit.edu/2018_039.php | |
[3] https://www.itas.kit.edu/index.php | |
## AUTOREN | |
Manfred Ronzheimer | |
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