# taz.de -- Theaterförderung in Niedersachsen: Land spart auf der Bühne | |
> Theaterschaffende kritisieren Niedersachsens Landesregierung. Die sieht | |
> für 2022/23 kein zusätzliches Geld für Theater vor – obwohl Tarife | |
> steigen. | |
Bild: Alles bloß Show am Staatstheater Hannover – im wahren Leben gibt's lei… | |
BREMEN taz | Springt demnächst im Theater in Osnabrück nur noch ein | |
Platzanweiser zwischen Parkett und erstem Rang hin und her, um alle | |
Besucher*innen unterzubringen? Kann die zweite Geige bei den Lüneburger | |
Symphonikern nicht auch mal wegfallen? Könnte man das Bühnenbild in Celle | |
nicht der Fantasie des Publikums überlassen? Oder wartet Estragon in | |
Göttingen einfach ohne Wladimir auf Godot, damit weniger | |
Darsteller*innen beschäftigt werden müssen? | |
Es [1][steht nicht gut um die Bühnen in Niedersachsen] in den nächsten | |
beiden Jahren, wenn man dem Warnruf von vier Gewerkschaften glauben darf. | |
Die Theater und Orchester müssten Beschäftigte entlassen, weil das Land | |
nicht richtig zahle – so die Botschaft der [2][Initiative | |
#rettedeintheater]. Der Haushaltsentwurf des Landes für 2022/23 sehe | |
Streichungen in Millionenhöhe vor. Das Staatstheater Hannover hat gar | |
offensiv damit gedroht, man müsse die Ballettsparte abwickeln, wenn sich am | |
Entwurf nicht bis Dezember noch etwas ändern sollte. | |
Dass sich Widerstand regen würde bei diesem Haushaltsentwurf aus | |
Niedersachsen, war eigentlich klar: Das Land kultiviert nach den hohen | |
Ausgaben der Coronazeit eine Gürtel-enger-schnallen-Rhetorik, will trotz | |
geringerer Steuereinnahmen [3][schnell zurück zur schwarzen Null] und ab | |
2024 Schulden zurückzahlen. | |
Alle Ressorts hätten „Konsolidierungsbeiträge geleistet“, lobt die | |
Staatskanzlei in einer Pressemitteilung. Allein durch den Abbau und die | |
Nicht-Besetzung offener Stellen will Niedersachsen 2022 114 Millionen Euro | |
einsparen, 2023 noch immerhin 93 Millionen Euro. Aber auch in anderen | |
Bereichen werde quer durch die Bank gespart. „Es ist gelungen, auf Dauer | |
die Ausgaben in der Summe um rund 200 Millionen Euro jährlich zu | |
reduzieren“, heißt es von der Staatskanzlei. | |
## Die Gehälter steigen, der Landeszuschuss nicht | |
Bei einem oberflächlichen Blick auf die niedersächsische Haushaltsplanung | |
lässt sich das für das Ministerium für Wissenschaft und Kultur nicht | |
bestätigen: Die Ausgaben für das Doppelressort steigen dort im Vergleich zu | |
2021 um 66 Millionen Euro. Die Ausgaben für die Theater bleiben in etwa | |
gleich. | |
Doch „de facto kommt das bei Theatern und Orchestern als Kürzung an“, meint | |
Uli Müller, Sprecherin der Deutschen Orchestervereinigung (DOV): Zum Einen | |
steigen die allgemeinen Kosten durch Inflation; zum anderen steigen auch | |
die Gehälter: Viele Beschäftigte haben Tarifverträge des Öffentlichen | |
Dienstes der Länder oder der Kommunen. | |
An den tariflich vorgesehenen Lohnsteigerungen kommen die Theater nicht | |
vorbei. „Aber die Theater haben nichts mehr, wo sie das wieder einsparen | |
können“, so Müller. Sämtliche Investitionsrücklagen seien aufgebraucht. �… | |
müssen also Leute entlassen werden.“ | |
Haushaltsrecht ist komplex und voller Ausnahmetatbestände, und so verweist | |
die Pressestelle von Kulturminister Björn Thümler (CDU) erst einmal auf die | |
beiden Fälle, in denen es gut und anders läuft: Tatsächlich bekommen die | |
Staatstheater Oldenburg und Braunschweig, die allein vom Land finanziert | |
werden, ihre Tariferhöhungen „ganz selbstverständlich“ ins Budget | |
geschrieben. | |
Doch schon für das dritte Staatstheater in Hand des Landes, das | |
Staatstheater Hannover, das als GmbH einigen Sonderregeln unterliegt, gilt | |
das nicht so selbstverständlich: Die Sprecherin spricht zwar davon, dass | |
die Tariferhöhungen hier für die nächsten beiden Jahre gedeckt seien. Doch | |
tatsächlich bekommt die Institution weiter 70 Millionen Euro – so viel, wie | |
in den letzten beiden Jahren. Im Ministerium argumentiert man, dass das | |
Theater 2020 dank der Kurzarbeits-Zuweisungen vom Bund einen Überschuss | |
erwirtschaftet habe; für 2021 wird wohl das Gleiche gelten. | |
Beim Theater selbst rechnet man anders: Die Gehälter sind laut | |
[4][Leitungsteam von Oper und Schauspiel in der Hannoverschen Allgemeinen | |
Zeitung] in den letzten 15 Jahren durch Tarifabschlüsse um 42,5 gestiegen, | |
die Zuwendungen vom Land aber nur um 38,5 Prozent – und das, obwohl auch | |
die Preise für Energie und Material in dieser Zeit teurer geworden sind. | |
Sprich: Man knappst schon seit Jahren. | |
Das Aktionsbündnis #Rettedeintheater, das von diversen Gewerkschaften | |
getragen und organisiert wird, geht aber ohnehin über den Fall in Hannover | |
hinaus. Das Bündnis sieht auch die Finanzierung der Beschäftigten in | |
kommunalen Theatern und Orchestern gefährdet. | |
Die Kommunen finanzieren ihre Spielstätten zwar offiziell selbst, doch | |
praktisch ist das aus den geringen kommunalen Einnahmen kaum möglich. So | |
bekommen sie vom Land einen Zuschuss – auch der aber schert sich bisher | |
nicht um Tarifverträge. Alljährlich seit 2020 gibt es die gleiche Summe, | |
23.730.000 Euro für alle Theater zusammen. Und so müssen die Kommunen Jahr | |
für Jahr schauen, wie sie das Geld für die gestiegenen Tariflöhne anders | |
zusammenkratzen – oder, wo sie sparen. | |
## Tarifsteigerungen könnten gleich mitgerechnet werden | |
Für Uli Müller von der DOV wäre das Problem leicht zu lösen: „Man müsste | |
einfach nur dafür sorgen, dass die Tarife direkt eingepreist werden“, sagt | |
sie. „Andere Unternehmen müssen das in ihren Wirtschaftsplänen doch auch, | |
warum nicht das Land?“ Schon 2018 hatten Theaterschaffende hart dafür | |
gekämpft, dass das Land eine entsprechende Regel verabschiedet – am Ende | |
aber nur die einmalige Bewilligung des neuen Tarifs erreicht. | |
Tatsächlich stand auch im Koalitionsvertrag der rot-schwarzen | |
Landesregierung, dass man für kommunale Theater die Tariferhöhungen | |
übernehmen wolle. Und nein, tot ist die Idee wohl nicht, glaubt die | |
Pressesprecherin im Kulturministerium; sie weiß nur nicht, wann und ob | |
wieder darüber gesprochen wird – und ob eine Übereinkunft am Ende | |
tatsächlich noch kommt. | |
Die große Kulturoffensive, die die Landesregierung bei ihrem Antritt noch | |
verkündet hatte, bleibt jedenfalls aus. Der Entwurf des Doppelhaushalts | |
stampft auch ein anderes Projekt gleich wieder ein, das erst 2021 gestartet | |
war: Die Förderung von freien unabhängigen Spielstätten wird nicht | |
fortgesetzt – das sei nur eine einmalige Initiative gewesen, so das | |
Ministerium für Wissenschaft und Kultur. | |
Niedersachsen bleibt sich damit einigermaßen treu: Rund 30 Euro im Jahr | |
gibt das Land pro Kopf für Kultur aus. 2017 reichte das gerade mal für | |
Platz 13 im Länderranking. | |
23 Oct 2021 | |
## LINKS | |
[1] /Kulturfoerderung-in-Niedersachsen/!5539698 | |
[2] https://www.verbandsbuero.de/theater-orchester-in-niedersachsen-tarifvorsor… | |
[3] https://www.mf.niedersachsen.de/startseite/themen/haushalt/haushaltsrecht_i… | |
[4] https://www.haz.de/Nachrichten/Kultur/Region/Schauspiel-und-Oper-Hannover-D… | |
## AUTOREN | |
Lotta Drügemöller | |
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