# taz.de -- Teure Verkehrwende in Hamburg: Eine U-Bahn für über 16 Milliarden | |
> Hamburgs Senat legt eine Kostenschätzung für die neue U5 vor und hofft, | |
> dass der Bund 75 Prozent trägt. Kritiker finden das Vorhaben so oder so | |
> zu teuer. | |
Bild: Viele Spaten, viele Milliarden: Bagger-Inszenierung zum Baubeginn der U-B… | |
Hamburg taz | Die Zahlen sähen groß aus, aber die Hamburger müssten sich | |
nicht sorgen, so lautete die Botschaft, mit der Bürgermeister Peter | |
Tschentscher, Finanzsenator Andreas Dressel (beide SPD) und Verkehrssenator | |
Anjes Tjarks (Grüne) am Dienstag im Rathaus vor die Presse traten. Es ging | |
um die Kosten der [1][neuen U-Bahn-Linie 5]. Deren 24 Kilometer Strecke vom | |
Nordosten über den Jungfernstieg bis zu den Sport-Arenen im Westen soll – | |
wenn sie in den 2040ern fertig ist – 14 bis 16,5 Milliarden Euro kosten. | |
Es handele sich dabei um eine „langfristige Schätzung“, schränkten die dr… | |
ein. Derzeit lägen die Kosten noch bei 8,8 Milliarden Euro, auf die je nach | |
Inflationsrate bis 2041 zwischen 5,3 und 7,7 Milliarden Euro oben drauf | |
kämen. | |
Die zweite gute Botschaft aus Sicht der U-Bahn-Befürworter war, dass dieses | |
Projekt laut einem Gutachten der Firma Interplan einen | |
„Nutzen-Kosten-Faktor“ von 1,23 hat. Das heißt, jeder investierte Euro | |
bringt einen Nutzen von 1,23 Euro. Und weil diese Zahl über dem Faktor 1 | |
liegt, gilt der U-Bahn-Bau als „förderfähig“ durch den Bund, der | |
[2][theoretisch] bis zu 75 Prozent bezahlt. Darauf, dass es diesen Faktor | |
gibt, habe man sich mit dem Bundesverkehrsministerium „verständigt“, sagte | |
Tjarks. | |
Den Förderantrag für die ersten 5,8 Kilometer von Bramfeld zur City-Nord | |
hat Hamburg bereits gestellt. Noch im November rechnet der Senat mit einer | |
Entscheidung des Bundes darüber. Und es sehe so aus, als würde der Bund 70 | |
Prozent der 2,8 Milliarden Euro Kosten zahlen, die allein für dieses | |
Teilstück mit fünf Stationen anfallen. Das würde dann Hamburgs Haushalt nur | |
noch mit 900 Millionen Euro belasten. Und da der Finanzsenator schon seit | |
2018 dafür Geld auf einem „Sparbuch“ hortet, wäre die Sache im Grunde | |
finanziert. „Wir müssen nicht an anderer Stelle kürzen, um uns die U-Bahn | |
leisten zu können“, sagte Dressel. | |
Dieser „Nutzen-Kosten-Faktor“ komme zustande, weil Tausende Menschen durch | |
die U5 schneller an ihre Ziele gelangten, erklärte [3][die Hochbahn] in | |
einem „Faktenpapier“. Die ohne Fahrer betriebene U-Bahn ermögliche | |
„minimale Wartezeiten“ und spare jährlich 17,5 Millionen Stunden Reisezeit. | |
Monetarisiert entspräche das einem Nutzen von 115 Millionen Euro im Jahr. | |
Der Rückgang des Autoverkehrs soll 9.400 Tonnen CO2 im Jahr sparen, was | |
sechs Millionen Euro wert sei. | |
An dieser [4][Nutzen-Betrachtung gibt es Zweifel], die die | |
Nahverkehrsexperten Jens Ode und Dieter Doege 2022 mit einer [5][Studie im | |
Auftrag der Linksfraktion] zu Papier brachten. Demnach führe die neue | |
U5-Linie im ersten Abschnitt in Ost-West-Richtung an den | |
Beförderungswünschen der Fahrgäste vorbei, weil sie wichtige Ziele der | |
heutigen Buslinien in Nord-Süd-Richtung wie den S-Bahnhof Rübenkamp nicht | |
anfährt. Zudem seien die mit 20 bis 35 Metern sehr tief gelegenen | |
U-Bahnhöfe für die Fahrgäste umständlich zu erreichen. Und die im Vergleich | |
zu Bus oder Straßenbahn etwa doppelt so großen Abstände dieser Haltestellen | |
verursachten längeren Fußwege und wirkten sich ungünstig auf Fahrzeit und | |
Fahrgastpotential aus. | |
Doege und Ode gehören zur [6][Initiative „Pro Stadtbahn Hamburg“] und haben | |
ihre Bedenken nun noch mal in vier „Kernthesen“ zusammengefasst und darauf | |
verwiesen, dass der „Nutzen-Kosten-Faktor“ für diese ersten 5,8 Kilometer | |
deutlich unter dem für die Bundesförderung nötigen Faktor 1 gelegen habe. | |
Zudem zweifeln die beiden, dass der Bund einen so großen Anteil seines | |
begrenzten Förderetats allein für Hamburg ausgibt. | |
Nach dem Faktor für diese Teilstrecke gefragt, sagte Hochbahn-Chef Henrik | |
Falk vor der Presse, den habe man gar nicht erhoben, sondern nur einen | |
Faktor für die ganzen 24 Kilometer. Die Option, dass der Bund, der nun für | |
dieses erste Teil seine Finanzierung zusagen soll, es sich noch anders | |
überlegt, schloss Tjark nahezu aus. Bei großen Bauprojekten sage man nicht | |
heute Hü und morgen Hott: „Ich gehe davon aus, dass der Bund die erste | |
Förderung bewilligen wird.“ Der Antrag für die nächsten zwei Stationen soll | |
dann 2024 folgen. | |
## Steuerzahlerbund ist nicht erfreut | |
Tschentscher führte noch mal aus, wie wichtig es sei, die Bahn unter die | |
Erde zu legen, da man oben den Platz für anderes brauche. Indes sprechen | |
die nun bekannt gewordenen Zahlen nicht gerade gegen die Alternative einer | |
Straßenbahn. „Bei diesen Kosten wird mir schwindelig“, sagte die | |
Linken-Verkehrspolitikerin Heike Sudmann und rechnete vor, dass ein | |
Kilometer U5 nun bis zu 688 Millionen Euro koste, ein Kilometer der neuen | |
Berliner Tram M10 dagegen nur 15 Millionen Euro. | |
„Einfach nur frech“, nannte [7][Petra Ackmann vom Bund der Steuerzahler], | |
dass die drei Amtsträger zwischen Geld der Stadt und des Bundes | |
unterscheiden, sei doch beides Geld der Steuerzahler. „Um es klar zu sagen: | |
Für uns ist die Diskussion um die Sinnhaftigkeit des Projektes noch nicht | |
gänzlich abgeschlossen.“ Der Senat wäre gut beraten gewesen, abzuwägen, �… | |
das Konzept der Stadtbahn nicht deutlich besser ist“. | |
20 Sep 2023 | |
## LINKS | |
[1] /Debatte-um-geplante-U-Bahn-in-Hamburg/!5899969 | |
[2] https://bmdv.bund.de/SharedDocs/DE/Artikel/E/schiene-schienenpersonenverkeh… | |
[3] https://www.hochbahn.de/de/presse/pressemitteilungen/u5-hamburg-beantragt-g… | |
[4] /Hamburger-Debatte-um-Nahverkehr/!5858347 | |
[5] https://www.linksfraktion-hamburg.de/wp-content/uploads/2022/06/U5-Studie.p… | |
[6] http://www.pro-stadtbahn-hamburg.de/index.php/stadtbahn-hamburg-medienspieg… | |
[7] https://steuerzahler.de/hamburg/?L=0 | |
## AUTOREN | |
Kaija Kutter | |
## TAGS | |
Straßenbahn | |
U-Bahn Hamburg | |
Verkehrswende | |
ÖPNV | |
Hamburg | |
ÖPNV | |
Deutsche Bahn | |
SPD Hamburg | |
U-Bahn | |
Straßenbahn | |
## ARTIKEL ZUM THEMA | |
Nahverkehrs-Politik im Hamburg-Wahlkampf: Alstersegler sollten Linke wählen | |
Nur Kleinparteien, Linke und Grüne wären für die Straßenbahn. SPD und CDU | |
setzen auf teure U5. Aber deren Bau braucht riesige Flächen in der City. | |
Entlastung des Hamburger Hauptbahnhofs: Die Linke will einen Tunnel bauen | |
Laut Gutachten ließen sich Engpässe am Knoten Hamburg durch einen Tunnel | |
unterm Hauptbahnhof lösen. Dann könnten Züge von Ost nach Süd durchfahren. | |
Verkehrs-Streit in Hamburgs SPD: Straßenbahn verbal begraben | |
Hamburgs SPD modelt Juso-Antrag für die Stadtbahn so um, dass das Wort | |
fehlt. Aber als Ersatz für überlastete Buslinien bietet sie sich dennoch | |
an. | |
Hamburger U-Bahn-Bau wird teurer: Unterirdische Planung | |
Hamburgs U5 wird eine Milliarde teurer. Verkehrssenator Anjes Tjarks | |
(Grüne) hofft auf Geld vom Bund, die Linke will lieber eine Straßenbahn | |
bauen. | |
Hamburger Debatte um Nahverkehr: U-Bahn dauert zu lange | |
Um das Klimaziel zu erreichen, sollte Hamburg fünf Straßenbahnlinien bauen, | |
fordert eine Studie der Linken. Die geplante U-Bahn sei weniger effektiv. |