# taz.de -- Studie zu Antisemitismus in Hamburg: Verdeckte Angriffe | |
> Eine Studie soll klären, wie weit Judenhass in Hamburg verbreitet ist. | |
> Besonderes Augenmerk wird auf Vorfällen unter der Strafbarkeitsgrenze | |
> liegen. | |
Bild: Wie erfahren sie in ihrem Alltag Antisemitismus? Danach fragt eine Studie… | |
HAMBURG taz | Wie weit verbreitet ist Antisemitismus in Hamburg? Und welche | |
Formen gibt es? Diese Fragen soll eine Dunkelfeldstudie klären, die | |
Gleichstellungssenatorin Katharina Fegebank (Grüne) und der | |
Antisemitismusbeauftragte Stefan Hensel gemeinsam mit der Jüdischen | |
Gemeinde Hamburg sowie der Hochschule der Polizei in Hamburg und der | |
Polizeiakademie Niedersachsen am Donnerstag vorgestellt haben. | |
„69 antisemitische Straftaten in den extremistischen Phänomenbereichen“ | |
sind laut Gleichstellungsbehörde im Jahr 2021 in Hamburg erfasst worden. | |
Eine Häufung gibt es laut der Behörde im rechten Spektrum. Bei vielen Taten | |
lassen sich Täter*innen und Motive aber nicht ermitteln. | |
„Bisher gibt es nur lückenhafte Erkenntnisse zu der Verbreitung und den | |
Formen von Antisemitismus in Hamburg“, sagte Katharina Fegebank zu Beginn | |
der Pressekonferenz. Es sei zudem wichtig zu erfassen, was außerhalb des | |
strafrechtlich relevanten Bereichs geschehe, ergänzte der | |
Antisemitismusbeauftragte Stefan Hensel. Deshalb handele es sich bei der | |
neuen Studie auch um eine Dunkelfeldstudie, die nicht so sehr offene | |
Angriffe, sondern verdeckten Antisemitismus in den Blick nehmen wolle. | |
Ungewöhnlich ist deshalb, dass sich ausgerechnet zwei Polizeihochschulen – | |
aus Hamburg und Niedersachsen – nun in Zusammenarbeit mit der Jüdischen | |
Gemeinde mit dem Thema befassen, zumal es in der Studie nur um Hamburg | |
gehen soll. Die Hochschulen hatten jedoch auch [1][schon beim Projekt „Hate | |
Town“] gemeinsam zu „vorurteilsgeleiteten Handlungen in urbanen Räumen“ | |
geforscht, in dieser Studie aber wenig Rücklauf aus der jüdischen Community | |
erhalten, wie Studienleiter Joachim Häfele berichtete. | |
## Es geht um Alltagsantisemitismus | |
Ziel der neuen Studie ist es zu erfahren, in welchem Ausmaß Hamburger | |
Jüdinnen*Juden im Alltag Antisemitismus erfahren. Zudem soll gefragt | |
werden, warum Jüdinnen*Juden sich oft nicht als solche zu erkennen | |
geben. Hensel berichtete am Donnerstag unter anderem von Jugendlichen, die | |
in der Schule nicht wollen, das öffentlich wird, dass sie jüdisch sind. | |
Die Studie will auch fragen, wie Betroffene den Umgang der | |
Sicherheitsbehörden mit antisemitischen Übergriffen wahrnehmen, welche | |
Maßnahmen gegen Antisemitismus aus Sicht der Betroffenen getroffen werden | |
sollten und warum viele Menschen, obwohl sie die Aufnahmekriterien der | |
Jüdischen Gemeinde Hamburg erfüllen, nicht Teil der Gemeinde sind. | |
Mauricio Dessauer von der Jüdischen Gemeinde Hamburg merkte dazu an, dass | |
die Jüdische Gemeinde Wuppertal etwa gleich viele Mitglieder habe wie seine | |
Hamburger Gemeinde, obwohl die Stadt deutlich kleiner ist. | |
Geplant ist eine quantitative Erhebung per Fragebogen. Dieser werde in | |
einem „partizipativen und transparenten Verfahren“ in Zusammenarbeit mit | |
Mitgliedern der Jüdischen Gemeinde Hamburg erarbeitet, sagte | |
Studienleiterin Eva Groß. | |
## Fokus auf der Einheitsgemeinde | |
Befragt werden sollen möglichst alle Mitglieder der Jüdischen Gemeinde | |
Hamburg. Diese sollen dann per „Schneeballverfahren“ einen Link zur Studie | |
an Menschen aus ihrer Community weitergeben. So sollen auch Menschen | |
erreicht werden, die nicht Teil der Gemeinde sind. Öffentlich soll der Link | |
aber nicht zugänglich sein, um zu verhindern, dass Menschen teilnehmen, die | |
nur „gefühlt jüdisch“ sind, sagte Hensel. | |
In Hamburg gibt es neben der auch als Einheitsgemeinde bezeichneten | |
Jüdischen Gemeinde Hamburg [2][den Israelitischen Tempelverband mit gut 350 | |
Mitgliedern], der für sich beansprucht, das liberale Judentum zu | |
repräsentieren. | |
Dass der Israelitische Tempelverband nicht Teil der Studie sein wird, | |
begründete Hensel damit, dass die Einheitsgemeinde mit ihren gut 2.500 | |
Mitgliedern „der größte Player in der Stadt“ sei, zudem eine Körperschaft | |
des öffentlichen Rechts und außerdem [3][das gesamte Spektrum des | |
Judentums] abdecke. | |
In der Einheitsgemeinde gibt es neben orthodoxen Jüdinnen*Juden auch | |
eine liberale „Reformsynagoge“. Auch atheistische Jüdinnen*Juden seien | |
Teil der Einheitsgemeinde, ergänzte Dessauer, der betonte, dass die | |
Einheitsgemeinde nur eine „Verlegenheitslösung“ und [4][eine Folge der | |
Shoah] sei. | |
Häfele sagte, bei anderen Studien gebe es oft eine geringe Rücklaufquote, | |
auch dies sei ein pragmatischer Grund, sich auf eine Gemeinde zu | |
beschränken, da es so besser möglich sei, eng mit dieser zu arbeiten. | |
Beginnen soll die Befragung im November 2023. Die Ergebnisse, die im | |
Frühjahr 2024 erwartet werden, sollen helfen, „effektive Strategien zur | |
Bekämpfung von Antisemitismus zu liefern,“ sagte Fegebank. | |
22 Jun 2023 | |
## LINKS | |
[1] https://www.hatetown.de/ | |
[2] /Innerjuedische-Debatte-in-Hamburg/!5883449 | |
[3] /Bibliothek-sammelt-vielfaeltige-Judaica/!5837562 | |
[4] /Skulptur-fuer-KZ-Ueberlebenden/!5938946 | |
## AUTOREN | |
Franziska Betz | |
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