| # taz.de -- Studentenführer über 30 Jahre Tiananmen: „Zivilgesellschaft nur… | |
| > Der frühere chinesische Studentenführer Wang Dan über die | |
| > gesellschaftliche Entwicklung Chinas, Xi Jinpings Internetzensur und | |
| > Trumps Außenpolitik. | |
| Bild: Studentenführer Wang Dan während des Hungerstreiks im Mai 1989 auf dem … | |
| taz: Herr Wang, viele glaubten damals, Chinas Kommunistische Partei würde | |
| sich nach dem Tiananmen-Massaker nicht lange an der Macht halten. Doch | |
| heute ist die autoriäre Herrschaft unter Xi Jinping ungebrochen. Warum? | |
| Wang Dan: Chinas Kommunistische Partei hat von den Entwicklungen 1989 und | |
| vom Ende der Sowjetunion gelernt. Nach 1990 hat Ministerpräsident Li Peng | |
| dafür gesorgt, dass jegliche Proteste sofort unterdrückt wurden. Deshalb | |
| gibt es keinerlei Spielraum für Opposition. Eine weitere Lektion war, die | |
| Menschen eigene Firmen und Geschäfte gründen zu lassen. Der Regierung ist | |
| es mit Geld gelungen, die politische, intellektuelle und wirtschaftliche | |
| Elite hinter sich zu sammeln. | |
| Chinas Mittelschicht ist heute größer als 1989, aber offenbar kaum an | |
| Demokratie interessiert. Dabei sehen Politikwissenschaftler gerade die | |
| Mittelschicht als Kraft der Demokratisierung. | |
| Das ist der größte Irrtum im Westen über China. China hat aber keine große | |
| Mittelschicht. Laut westlicher Theorie sind deren Angehörige etwa Besitzer | |
| kleiner Läden oder Rechtsanwälte. In China ist die Mittelschicht eine | |
| Klasse der Reichen. Sie macht Geld durch ihre guten Beziehungen zur | |
| Regierung. Sie ist politisch nicht neutral und unterstützt keine | |
| Demokratisierung. | |
| Chinas Mittelschicht hat vom Wirtschaftswachstum seit 1979 profitiert und | |
| Angst vor Chaos. | |
| Letzteres ändert sich gerade. In den letzten 40 Jahren war die | |
| Mittelschicht sehr an Stabilität interessiert, weil sie gute Beziehungen | |
| zur Regierung hatte und vom Wirtschaftswachstum profitierte. Aber das | |
| Wachstum lässt gerade nach. Die Regierung hat weniger Geld und dürfte bald | |
| mehr von der sogenannten Mittelschicht verlangen. Viele Reiche wie auch | |
| Angehörige der Mittelschicht haben sich schon ausländische Pässe besorgt | |
| oder zogen ins Ausland. Das zeigt, sie fühlen sich in China nicht sicher | |
| und trauen der Kommunistischen Partei nicht. Demokratie könnte ihren | |
| Wohlstand sichern. | |
| Wie steht es heute um Chinas Zivilgesellschaft? | |
| Sie ist stärker als in den 1980er-Jahren, vor allem im Internet. Im | |
| Messengerdienst WeChat gibt es sehr beliebte Diskussionsgruppen. Da wird | |
| die Regierung direkt kritisiert. Sonst gibt es in China eigentlich keine | |
| wirkliche Zivilgesellschaft, weil es keine Freiheit gibt. | |
| Fast nirgends wird das Internet so stark kontrolliert, zensiert und zur | |
| Überwachung genutzt wie in China. | |
| China hat die effizientesten Internetkontrollen. Aber China ist einfach zu | |
| groß und hat zu viele Internetnutzer. Die Regierung kann nicht jede Ecke | |
| des Landes und des Internets überwachen. Sie kann das ein oder andere | |
| löschen lassen. Aber das wird immer wieder repostet. Letztlich hat die | |
| Regierung die Kontrolle über das Internet verloren. | |
| Sie leben in den USA. Können Sie sich unkontrolliert mit Menschen in China | |
| austauschen? | |
| Selbstverständlich, etwa über WeChat [chinesischer Messengerdienst, Anm. d. | |
| Red.]. Ich und meine Freunde in China wissen, dass wir überwacht werden. | |
| Aber es kümmert uns nicht. Wir haben keine Angst. Und so geht es immer mehr | |
| Menschen. | |
| US-Präsident Trump betreibt eine gegen China gerichtete Politik. Was denken | |
| Sie darüber? | |
| Trumps China-Politik wird nicht funktionieren. Er blufft nur. Er möchte vor | |
| allem mehr Geld aus China herausschlagen, aber Demokratie und | |
| Menschenrechte interessieren ihn nicht. Deshalb wird sein Handelskrieg auch | |
| nicht zu Demokratie und Menschenrechten in China führen. In den | |
| Verhandlungen mit China kommen diese Themen auch nicht vor. | |
| 28 May 2019 | |
| ## AUTOREN | |
| Sven Hansen | |
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