# taz.de -- Streit mit FDP-Finanzminister Lindner: Kindergrundsicherung wankt | |
> Die Einführung der Kindergrundsicherung steht plötzlich in Frage. | |
> Ministerin Paus schlägt Alarm. | |
Bild: Geplant ist, die Kindergrundsicherung bis 2025 einzuführen. Ob das klapp… | |
BERLIN taz | Sie ist ein zentrales sozialpolitisches Projekt der Ampel: Die | |
Kindergrundsicherung. Doch ob sie tatsächlich wie geplant 2025 eingeführt | |
wird, ist unklar. Denn bislang konnte sich die Ampelregierung nicht auf die | |
von Familienministerin Lisa Paus (Grüne) vorgelegten Eckpunkte einigen. | |
Paus schlägt nun Alarm. „Die Zeit rennt“, sagte sie am Donnerstagmorgen im | |
Deutschlandfunk. „Wenn wir das bis 2025 hinbekommen wollen, dann sollten | |
wir uns jetzt über die strittigen Punkte beugen und vorankommen.“ | |
Eingeführt werden soll die Kindergrundsicherung zwar erst in zwei Jahren. | |
Doch bis dahin sind noch eine Menge Hürden zu überwinden. Bei | |
Finanzminister Christian Lindner hat Paus für 2025 schon mal vorsorglich 12 | |
Milliarden Euro angemeldet. Doch der erteilt ihr bislang eine Absage. Aus | |
seiner Sicht gehe es nicht zwangsweise um mehr Geld, sondern um die | |
Digitalisierung und Vereinfachung der Förderung von Kindern, sagte er dem | |
Portal t-online diese Woche. Außerdem gebe es noch gar kein Konzept für die | |
Kindergrundsicherung. | |
Dem widersprach Paus am Donnerstag vehement. „Das ist schlicht falsch. Auf | |
dieser Ebene müssten wir eigentlich gar nicht diskutieren.“ Die | |
Kindergrundsicherung sei sehr, sehr gut vorbereitet, erklärte die | |
Familienministerin. Eine interministerielle Arbeitsgruppe, an der auch das | |
Finanzministerium beteiligt gewesen seit, habe acht Monate lang Eckpunkte | |
erarbeitet. Diese verschickte Paus im Januar zur Abstimmung. | |
Laut den [1][Eckpunkten sollen die verschiedenen Leistungen für Kinder | |
künftig gebündelt] und von einer zentralen Kindergrundsicherungsstelle | |
ausgezahlt werden. Die Grundsicherung für Kinder soll aus zwei Komponenten | |
bestehen: einem Garantiebetrag, den alle Kinder erhalten, und der etwa dem | |
heutigen Kindergeld in Höhe von 250 Euro entsprechen könnte. Und einem | |
einkommensabhängigen Betrag, der gezielt Kinder aus armen Familien zugute | |
kommen soll. In diesen sollen auch der Kinderzuschlag und der | |
Teilhabebetrag für Sport- oder Musikvereine einfließen. | |
## Paus plant Paradigmenwechsel | |
Man wolle nicht nur das Leistungsniveau erhöhen, sondern auch „mehr | |
Familien und ihre Kinder mit Unterstützungsbedarf erreichen“, heißt es in | |
den Eckpunkten. Bislang wissen viele Eltern gar nicht, dass ihren Kinder | |
zusätzliches Geld zusteht. So erhält nur gut ein Drittel der berechtigten | |
Kinder gegenwärtig den Kinderzuschlag, wie das Familienministerium diese | |
Woche auf eine Anfrage der Linksfraktion mitteilte. Den nichtsahnenden | |
Eltern und ihren Kindern entgehen bis zu 250 Euro pro Monat. | |
Paus will einen Paradigmenwechsel. So sollen Familien künftig über einen | |
Kindergrundsicherungscheck über die ihnen zustehenden Leistungen informiert | |
werden. Über ein Portal im Internet sollen sie dann mit ein paar Klicks die | |
Leistung beantragen können. Der Kreis der Empfänger:innen könnte sich | |
also auch ohne Anhebung der Leistungen um zwei Drittel vergrößern. | |
Doch all das zu bündeln und die digitale Basis dafür zu schaffen, dauert | |
eben. Die Bundesarbeitsagentur, die wohl auch die zentrale | |
Kindergrundsicherungsstelle wird, ist von Paus beauftragt, eine | |
Machbarkeitsstudie zu erstellen. Auf dieser Grundlage soll im Herbst das | |
Gesetzgebungsverfahren starten. Doch um loszulegen braucht die | |
Arbeitsagentur die abgestimmten Eckpunkte. Und da mauert das | |
Finanzministerium. | |
## Soli versus Kindergrundsicherung | |
Hintergrund sind [2][die enger werdenden Spielräume im Haushalt], vor allem | |
infolge der nun wieder geltenden Schuldenbremse. Für 2024 rechnet das | |
Finanzministerium mit nicht gedeckten Mehrkosten in Höhe von 12 Milliarden | |
Euro. 2025 dürfte sich die Situation weiter zuspitzen. Denn die | |
Kindergrundsicherung taucht in den Finanzplänen bislang nicht auf. Paus | |
mahnt daher, die Kindergrundsicherung sei ein zentrales sozialpolitisches | |
Projekt der Ampel. „Klar sollte sein, dass die prioritären Projekte des | |
Koalitionsvertrags auch Priorität in der Haushaltsberatung sind.“ | |
Der haushaltspolitische Sprecher der FDP-Fraktion Otto Fricke dämpft die | |
Erwartungen. Für die Grünen sei die Kindergrundsicherung ein wichtiges | |
Koalitionsvorhaben, „das sie so schnell wie möglich mit so viel | |
Finanzmitteln wie möglich gerne im Haushalt hätten.“ Für ihn als | |
Haushaltspolitiker sei aber klar, dass die Schuldenbremse eingehalten | |
werden müsse. Ein einzelnes Ministerium könne nicht sagen: „Das steht im | |
Koalitionsvertrag, aber wo das Geld herkommt, ist mir egal, das muss der | |
Finanzminister machen.“ Es müsse „auch den nötigen Haushaltsspielraum | |
geben.“ | |
Würde die FDP die Kindersicherung opfern? Fricke formuliert es so: „Für | |
mich ist es keine Frage, ob es die Kindergrundsicherung geben soll, sondern | |
nur eine Frage des wie und wieviel.“ Die FDP setzt andere Prioritäten. So | |
will man etwa nach wie vor den Solidaritätszuschlag für | |
Spitzenverdiener:innen abschaffen. Das kostet bis zu 13 Milliarden | |
Euro. | |
Hier sieht Paus Spielräume. Sie sei dafür, nicht weiter von unten nach oben | |
zu verteilen, sondern von oben nach unten, sagte sie dem Deutschlandfunk. | |
Schützenhilfe erhält sie aus der SPD-Fraktion. Der Obmann im | |
Finanzausschuss Michael Schrodi kritisierte gegenüber der taz: „Es geht | |
nicht, ständig Mindereinnahmen zu fordern und anderen Ministerien zu sagen, | |
jetzt spart aber mal.“ Im Koalitionsvertrag seien wichtige Projekte | |
vereinbart. „Dazu gehört die Kindergrundsicherung, dazu gehören | |
Investitionen in den Klimaschutz. Und das alles muss am Ende sauber | |
finanziert werden.“ | |
Sein Fraktionskollege Armand Zorn bringt sogar eine erneute Aussetzung der | |
Schuldenbremse ins Spiel. „Die Schuldenbremse steht uns im Wege, wenn es um | |
Investitionen geht“, sagte der SPD-Finanzexperte der taz. Man wolle | |
künftigen Generationen, ja nicht nur solide Finanzen, sondern auch eine | |
intakte Welt hinterlassen, „ohne marode Infrastruktur und fehlenden | |
Klimaschutz.“ Das Grundgesetz erlaube die Schuldenbremsen in Notsituationen | |
auszusetzen. Diesen Spielraum solle man nutzen. | |
Das Kabinett will die Eckwerte für den Haushalt 2024 und die Finanzplanung | |
bis 2027 Mitte März beschließen. In der Ampel stellt man sich auf weitere | |
heftige Diskussionen ein, welches Ressort wie viel Geld ausgeben darf und | |
wie das finanziert wird. | |
23 Feb 2023 | |
## LINKS | |
[1] /Ampel-streitet-ueber-den-Haushalt/!5914204 | |
[2] /Ampel-streitet-ueber-den-Haushalt/!5914204 | |
## AUTOREN | |
Anna Lehmann | |
Jasmin Kalarickal | |
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