# taz.de -- Strafabsenkung bei Kinderpornografie: Damit es nicht die Falschen t… | |
> Justizminister Buschmann will Mindeststrafen für | |
> Kinderpornografie-Delikte absenken. Das soll Verfolgung von Unbedarften | |
> vermeiden. | |
Bild: Eine LKA-Mitarbeiterin bei ihrem alltäglichen Kampf gegen kinderpornogra… | |
FREIBURG taz | Justizminister Marco Buschmann (FDP) will die | |
[1][Mindeststafe für Besitz und Verbreitung von Kinderpornografie | |
absenken.] So sollen unschuldige Eltern und unbedarfte Jugendliche vor | |
unnötiger Strafverfolgung bewahrt werden. Buschmann will damit einen Fehler | |
seiner Amtsvorgängerin Christine Lambrecht (SPD) korrigieren. Dazu hatten | |
ihn die Justizminister:innen aller Bundesländer schon mehrfach | |
aufgefordert. | |
Erst im Sommer 2021 war die Mindeststrafe für den Besitz und die | |
Verbreitung von Kinderpornografie auf Betreiben Lambrechts auf ein Jahr | |
hochgesetzt worden. Damit gelten diese Straftaten als Verbrechen und nicht | |
mehr als Vergehen. Als Folge ist auch bei geringer Schuld keine Einstellung | |
gegen Geldauflage mehr möglich. Außerdem muss in jedem Fall eine mündliche | |
Verhandlung durchgeführt werden, ein schriftlicher Strafbefehl ist nicht | |
mehr möglich. | |
Juristische Fachverbände wie der Deutsche Richterbund [2][hatten die | |
damalige große Koalition schon vorher gewarnt] und sahen sich schnell durch | |
die Praxis bestätigt. Die neue Unflexibilität belastete oft die Falschen. | |
Als Verbrecher gelten jetzt auch Eltern, die im Elternchat ein | |
kinderpornografisches Bild posten, das sie auf dem Smartphone ihres Kindes | |
gefunden haben, um andere Eltern zu warnen. Früher wäre so etwas | |
eingestellt worden, heute ist dies nicht mehr möglich. Immerhin: es droht | |
nicht sofort Gefängnis, denn Freiheitsstrafen bis zu zwei Jahren können zur | |
Bewährung ausgesetzt werden. | |
Auch Lehrer:innen, die ein Smartphone konfiszieren, weil sie darauf | |
Missbrauchsdarstellungen entdeckt haben, gelten als Verbrecher:innen, wenn | |
sie das Telefon nicht sofort, sondern erst bei Gelegenheit zur Polizei | |
bringen. Auch hier ist seit Lambrechts Reform keine Einstellung des | |
Verfahrens mehr möglich. | |
## Viele Täter:innen unter 18 Jahre | |
Was auch nicht berücksichtigt wurde: 54 Prozent der Täter:innen von | |
Kinderpornografie-Delikten sind jünger als 18 Jahre, sind also selbst noch | |
Jugendliche. Grund dafür ist vor allem die Unbedarftheit vieler | |
Jugendlicher, die mit Kinderpornografie zwar nichts anfangen können, aber | |
solche Bilder und Filmchen an andere Jugendliche weiterleiten, um zu | |
provozieren oder weil sie so etwas „witzig“ finden. | |
Bei Jugendlichen gelten zwar nicht die gleichen Strafrahmen wie im | |
Erwachsenen-Recht, aber die [3][Einstufung der Kinderpornografie-Delikte | |
als Verbrechen erschwert auch bei Jugendlichen die Einstellung des | |
Verfahrens]. Deshalb unterstützt auch die Deutsche Vereinigung für | |
Jugendgerichte und Jugendgerichtshilfen (DVJJ) Buschmanns Vorhaben. | |
In Buschmanns Gesetzentwurf, der der taz vorliegt, ist nun vorgesehen, die | |
Mindeststrafe für Besitz und Verbreitung von Kinderpornografie wieder auf | |
den alten Wert von drei respektive sechs Monaten abzusenken. Dann sind in | |
geeigneten Fällen auch wieder Verfahrenseinstellungen möglich. Um das Rad | |
nicht ganz zurückzudrehen, sollen die Höchststrafen bei fünf | |
beziehnungsweise zehn Jahren bleiben. | |
Justizminister Buschmann ist natürlich bewusst, dass er sich mit einer | |
derartigen Initiative angreifbar macht für Hetze aller Art. Er hat daher | |
lange gezögert, bis er dem Wunsch der Länderminister:innen und der | |
Praktiker:innen bei Polizei und Justiz nachkam. Inzwischen scheint ihm | |
aber auch die CDU/CSU versprochen zu haben, das Vorhaben zu unterstützen | |
und auf billige Polemik zu verzichten. Wann der Gesetzentwurf ins Kabinett | |
geht und wann er im Bundestag schließlich beschlossen wird, ist noch nicht | |
abzusehen. | |
10 Nov 2023 | |
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## AUTOREN | |
Christian Rath | |
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