| # taz.de -- Stichwahl in Argentinien: Neue Rechte siegt | |
| > Mauricio Macri wird argentinischer Präsident. Er vertritt eine neue, | |
| > neoliberale Rechte, die sich demokratisch legitimiert. | |
| Bild: Gewonnen. Mauricio Macri feiert mit Frau und Tochter. | |
| BUENOS AIRES taz | In Argentinien hat der Oppositionskandidat Mauricio | |
| Macri am Sonntag die Stichwahl um das Präsidentenamt gewonnen. Nach | |
| Auszählung der Stimmen in 98 Prozent der Wahllokale kam Macri auf 51,5 | |
| Prozent, während der Kandidat der Regierungspartei FPV, Daniel Scioli, mit | |
| 48,5 Prozent unterlag. Die amtierende Präsidentin Cristina Kirchner wird | |
| die Amtsgeschäfte nach zwölf Jahren am 10. Dezember an Macri übergeben. | |
| Mauricio Macri ist es gelungen, eine neue Mitte-rechts-Allianz aufzubauen, | |
| die ihr Stimmenpotential vor allem in der Ober- und Mittelschicht hat, aber | |
| heute auch Teile der unteren Mittelschicht und Unterschicht anzieht. Für | |
| viele verkörpert Macri jene neue Rechte, die die demokratischen Spielregeln | |
| des Parlamentarismus anerkennt und sich nicht mit Hilfe von Militärs an die | |
| Macht putscht. | |
| Dies ist gerade in Argentinien von großer Bedeutung, da sich die alte | |
| Rechte immer der Militärs bediente, um ihre Machtstellung zu sichern. Hinzu | |
| kommt, dass sonst keiner die Begriffe des Neoliberalismus – wie | |
| Privatisierung, Deregulierung, Weltmarktöffnung oder Anpassung der | |
| Staatsausgaben – in den Mund nimmt, dagegen die Rolle des Staates mit | |
| seiner Schutzfunktion für einkommensschwache Bevölkerungsgruppen betont. | |
| Macris Ansprache ist direkt, das „Du“ steht ganz vorne: „Du schaffst es, | |
| wenn du es willst“, ist die simple Botschaft: Für ihn ist jeder der | |
| Protagonist des eigenen Erfolges. Dass dieses Konzept greift, ist auch dem | |
| Neoliberalismus der 1990er Jahre geschuldet, der in Argentinien einen | |
| Individualismus verankert hat, der bis heute in der Ober-, aber auch in der | |
| Mittelschicht noch immer stark ausgeprägt ist und den der Kirchnerismus | |
| paradoxerweise durch seine konsumorientierte Politik verstärkt hat, indem | |
| er den Konsumenten der unteren Schichten eben jenes Gefühl gegeben hat. | |
| ## Kein mächtiger Parteiapparat | |
| In der Hauptstadt Buenos Aires ist Mauricio Macri PRO schon länger die | |
| stärkste politische Kraft. Landesweit ist sie jedoch nach wie vor nur wenig | |
| verankert und verfügt schon gar nicht über einen so mächtigen Parteiapparat | |
| wie die Peronisten. Um dieses Manko auszugleichen, gingen PRO und UCR die | |
| Allianz Cambiemos (“Lasst uns etwas ändern“) ein. | |
| Der erste große Erfolg dieses Bündnisses ist der überraschende Gewinn der | |
| Gouverneurswahl am 25. Oktober in der Provinz Buenos Aires, einer Hochburg | |
| des Peronismus, der nach 1987 erstmals den Gouverneursposten verliert. | |
| Macris PRO besetzt damit zukünftig die drei wichtigsten Exekutivämter des | |
| Landes: Hauptstadt und Provinz Buenos Aires und das Präsidentenamt. | |
| Der reiche Unternehmersohn Mauricio Macri entspricht jedoch auf den ersten | |
| Blick nicht dem Typ des Selfmademan. Vater Franco Macri war 1945 aus | |
| Italien nach Argentinien eingewandert und hatte schon die erste Firma | |
| gegründet, als er Alicia Blanco Villegas heiratete, mit der er vier Kinder | |
| hatte. Mauricio wurde am 8. Februar 1959 geboren. Vater Macri baute die | |
| Firmengruppe aus. 1973, drei Jahre vor dem letzten Militärputsch, zählte | |
| die Macri-Gruppe sieben Firmen. | |
| Sohn Mauricio besuchte die katholische Privatschule Cardenal Newman. Seine | |
| Ausbildung schloss er 1982 mit dem Ingenieurstitel der Universidad Católica | |
| Argentina ab, in der Zeit der Militärdiktatur, in der er sich selbst als | |
| unpolitisch beschreibt. Am Ende der Diktatur 1983 waren es 47 Firmen. Zehn | |
| Jahre später war die Gruppe auf 116 Firmen angewachsen, die vor allem im | |
| Industrie- und Dienstleistungsbereich tätig sind. Zwei Jahre zuvor begann | |
| Sohn Mauricio in verschiedenen Firmen des Vaters zu arbeiten. 1995 wurde er | |
| Präsident des Fußballclubs Boca Juniors und kandidierte 1999 und 2003 | |
| erfolgreich für die Wiederwahl. | |
| ## Vorzeichen der freien Marktwirtschaft | |
| Formiert hatte sich Macris Partei Propuesta Republicana (kurz PRO) ab 2001 | |
| aus versprengten Resten der traditionell-konservativen Strömungen des | |
| Peronismus und der UCR sowie Teilen der Unternehmerverbände. Ihre | |
| politischen Positionen stammen aus der Denkfabrik Creer y Crecer. Diese | |
| lieferte unter den Vorzeichen der freien Marktwirtschaft die Ideen und | |
| Strategien für eine moderne Rechtspartei. | |
| Mauricio Macri gelang es zunehmend sich als Führungsfigur einer | |
| zersplitterten, rechten Opposition aufzubauen. 2003 trat er erstmals bei | |
| der Bürgermeisterwahl in der Hauptstadt Buenos Aires an und scheiterte erst | |
| in der Stichwahl. 2005 trat die PRO erstmals bei den Kongresswahlen an und | |
| schaffte mit dem Gewinn von 9 Mandaten den Einzug ins Abgeordnetenhaus. | |
| 2007 gewann Mauricio Macri die Wahl zum Bürgermeister der Hauptstadt – | |
| offiziell: Jefe de Gobierno, Regierungschef. Vier Jahre später schaffte er | |
| problemlos die Wiederwahl. Im Juli 2015 gewann mit Horacio Rodríguez | |
| Larreta der von ihm favorisierte Nachfolger, der das Amt am 10. Dezember | |
| übernimmt. | |
| 23 Nov 2015 | |
| ## AUTOREN | |
| Jürgen Vogt | |
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