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# taz.de -- Status der Westsahara: Sieg und Niederlage für die Polisario
> Der Europäische Gerichtshof lehnt eine Klage der
> Westsahara-Befreiungsfront ab. Doch sie trägt trotzdem einen politischen
> Sieg davon.
Bild: Kämpfer der Polisario in der Nähe von Tifariti (Westsahara)
Freiburg taz | Die Westsahara gehört nicht zum Hoheitsgebiet von Marokko.
Das EU-Handelsabkommen mit Marokko gelte daher nicht in der Westsahara,
entschied am Mittwoch der Europäische Gerichtshof (EuGH) in Luxemburg. Die
Westsahara-Befreiungsfront Polisario hat damit zwar den Rechtsstreit formal
verloren, dürfte aber der politische Sieger sein.
Die Westsahara ist eine wüstengeprägte Region südlich von Marokko, in der
nur rund 540.000 Menschen leben. Früher war die Westsahara eine spanische
Kolonie, doch nach dem Tod von Diktator Francisco Franco zog sich Spanien
in den 1970er Jahren zurück. Weite Teile der Region annektierte daraufhin
das Königreich Marokko.
Nur im Landesinnern beherrscht die Polisario zwei größere Territorien. Rund
100.000 Sahrauis leben noch in Flüchtlingslagern in Algerien. Seit den
1960er Jahren wird über die Durchführung eines Referendums gestritten, in
dem die Bewohner der Westsahara selbst über ihre Zukunft entscheiden
können.
Marokko und die Polisario können sich jedoch nicht darüber einigen, wer
dabei stimmberechtigt sein soll.
## Prüfung versäumt
Im Jahr 2012 schloss die EU mit Marokko ein Abkommen über den Handel mit
landwirtschaftlichen Erzeugnissen und mit Fisch. Die Polisario klagten
dagegen, weil Marokko keine Abkommen schließen könne, die auch die
Westsahara betreffen.
In einem ersten Urteil entschied das EU-Gericht erster Instanz (EuG) im
Dezember 2015 zugunsten der Polisario. Es beanstandete das Abkommen, weil
der EU-Rat bei der Aushandlung seine Pflichten verletzt habe. Er habe
versäumt „zu prüfen, ob es keine Anzeichen dafür gebe, dass die Nutzung der
natürlichen Ressourcen des von Marokko kontrollierten Gebiets der
Westsahara zum Nachteil ihrer Bewohner erfolgen und deren Grundrechte
verletzen könnte.
Marokko war empört und setzte aus Protest gegen das Urteil im Februar 2016
sogar die offiziellen Beziehungen zur EU aus. Darauf legte der
EU-Ministerrat, das Gremium der EU-Regierungen, Rechtsmittel ein und
beantragte sogar ein beschleunigtes Verfahren.
Nun hat die Große Kammer des EuGH ihr Urteil verkündet und es dürfte
Marokko genauso wenig gefallen – denn letztlich ist es noch radikaler.
## Selbstbestimmungsrecht der Völker
Anders als die Vorinstanz geht es nämlich davon aus, dass das
EU-Marokko-Abkommen die Westsahara gar nicht betrifft. Wenn vom Königreich
Marokko die Rede ist, sei nur das eigentliche Hoheitsgebiet gemeint. Mit
Blick auf das Selbstbestimmungsrecht der Völker und die völkerrechtlich
ungeklärte Situation der Westsahara müsse das Abkommen so ausgelegt werden,
dass es die Westsahara nicht erfasst.
Wenn aber das EU-Marokko-Abkommen in der Westsahara gar nicht gilt, so die
Schlussfolgerung des EuGH, dann sei die Polisario von diesem Abkommen auch
nicht betroffen. Und wenn sie nicht betroffen ist, dann könne sie auch
nicht klagen.
Die Klage der Polisario wurde daher abgewiesen. Das heißt: Das
EU-Marokko-Abkommen bleibt bestehen, aber eben nicht mit dem
Geltungsbereich, den Marokko gerne hätte. (Az. C-104/16)
22 Dec 2016
## AUTOREN
Christian Rath
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