| # taz.de -- Spielfilm „Tesla“ im Kino: Der Pionier, der sich googelte | |
| > Gleichstrom/Wechselstrom: Ein Biopic über den Elektrizitätsforscher | |
| > Nikola Tesla arbeitet mit semidokumentarischen Mitteln. | |
| Bild: Gleich geht ihm ein Licht auf: Tesla (Ethan Hawke) mit Lampe | |
| Der Film ist so dunkel wie seine Umgebung: Ende des 19. Jahrhundert wurde | |
| die Welt notdürftig von gelblich flimmernden Gasfunzeln erleuchtet. Nikola | |
| Tesla ([1][Ethan Hawke] mit eindrucksvoller Popelbremse), ein Pionier auf | |
| dem Gebiet der Elektrizität, sitzt im Biopic „Tesla“ dementsprechend oft in | |
| düsteren Räumen. Doch es scheint ihm dabei ein Licht nach dem anderen | |
| aufzugehen: „Dieser Motor wird die Menschen befreien“, lässt Regisseur | |
| Michael Almereyda seinen ansonsten eher schweigsamen Protagonisten einmal | |
| sagen, als dieser das erste Drehfeld mit Zweiphasenwechselstrom vorführt. | |
| Das System „Wechselstrom“ wird sich später gegenüber dem von Thomas Alva | |
| Edison zur gleichen Zeit favorisierten Gleichstromnetz durchsetzen. | |
| Eventuell stimmt also, was Anne Morgan (Eve Hewson), Millionenerbin, | |
| Mäzenin, Tochter des Unternehmers J. P. Morgan (Donnie Keshawarz) und | |
| „Teslas“ allwissende Erzählerin, am Ende sagt: „Vielleicht ist die Welt,… | |
| der wir leben, eine Welt, die zuerst von Tesla erträumt wurde …“ | |
| Almereyda wollte den Film über den [2][Wissenschaftler], der aus dem damals | |
| zum österreichischen K.-u.-k.-Reich gehörenden Kroatien stammte, angeblich | |
| bereits vor Jahrzehnten machen – eine lange Entwicklungs- und | |
| Finanzierungsphase mit vielen Problemen führte schließlich zu einer | |
| Hybridlösung, deren Erfindungsreichtum einem Erfinder alle Ehre macht. | |
| ## Hübsche Verflechtungen | |
| „Tesla“ ist weder rein fiktionales Biopic noch reine Dokumentation, aber | |
| sprengt auch die Genregrenzen des „Dokudramas“: Originale Bilder, Fotos | |
| und Zeichnungen, belegte Ereignisse werden zwar mit Spielszenen, viele | |
| davon vor hübschen Matte Paintings, verflochten. | |
| Das Resultat unterscheidet sich jedoch von üblichen Dokudramen, in denen | |
| jene gespielten Sequenzen wenig Atmosphäre vermitteln und die mit | |
| Off-Kommentar unterlegten Originalbilder sachlich bleiben. Denn „Tesla“ | |
| springt undogmatisch in der Dramaturgie, in den Zeiten, sogar in den | |
| Formaten – und gleicht damit einer erratischen, aber nie langweiligen | |
| [3][Google-Suche] nach dem Protagonisten, bei der man frei nach Lust und | |
| Laune von Link zu Link hüpft. | |
| Auch „Teslas“ Charaktere wollen partout nicht in ihrer Ära bleiben: Anne | |
| Morgan (1873 bis 1953) googelt am Laptop Tesla und Edison, um die | |
| Ergebnisse ihrer Suche zu vergleichen – es gäbe, sagt sie direkt in die | |
| Kamera, 64 Millionen Einträge zu Edison und nicht mal die Hälfte zu Tesla | |
| (was nicht ganz stimmt: Zu Edison gibt es 76.500000, zu Tesla 46.600000 | |
| Ergebnisse. Vermutlich ist der Unterschied mit der Existenz dieses Films zu | |
| erklären – womit er es geschafft hat, in seine eigene Realität | |
| einzugreifen). | |
| ## Gegenspieler im Stromkrieg | |
| Als Teslas ehemaliger Kollege und Boss und späterer Gegenspieler generiert | |
| sich somit Thomas Alva Edison (Kyle MacLachlan): Der sogenannte Stromkrieg | |
| zwischen Edison und dem Teslas Wechselstrom verhafteten Industriellen | |
| George Westinghouse (Jim Gaffigan), der erste Formatkrieg nach der | |
| industriellen Revolution, wurde schon oft filmisch behandelt. Dass die | |
| fast zeitgleiche Veröffentlichung der drei Jahre alten, aber aufgrund des | |
| Weinstein-Skandals verschobenen Filmbiografie „Edison – Wege des Lichts“ | |
| mit Benedict Cumberbatch somit quasi die Konkurrenz der beiden Tüftler | |
| wiedergibt, ist auch wieder so ein ulkiger Zufall der Geschichte. | |
| Und die Filme unterscheiden sich tatsächlich so, wie sich ihre Subjekte | |
| unterschieden: „Edison“ ist braves, sauberes Erzählkino, „Tesla“ ein | |
| enigmatisch-kunstsinniger Versuchsaufbau, in dem Tesla zu Tears for Fears’ | |
| „Everybody wants to rule the world“ Karaoke singt (oder knurrt), | |
| Filmkomponist John Paesano ausgesuchte Neue-Musik-Stücke von Wojciech Kilar | |
| interpretiert, Sarah Bernhardt auftritt und die unterschiedlichen | |
| Stromsysteme am Beispiel elektrischer Stuhl vorgeführt werden. | |
| Das wirkt angenehm verwegen, wenn auch nicht immer sinnig. Aber Spannung | |
| hat in diesem Film schließlich multiple Bedeutungen. | |
| 19 Aug 2020 | |
| ## LINKS | |
| [1] /Muetterfilm-auf-der-Berlinale/!5277636 | |
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| ## AUTOREN | |
| Jenni Zylka | |
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