| # taz.de -- Soziale Ungerechtigkeit und Corona: Pandemie verstärkt Ungleichheit | |
| > Sind vor dem Coronavirus alle gleich? Eine Studie mahnt die Bekämpfung | |
| > sozialer Ungleichheit an. Deutschland landet auf Platz 3, trotz | |
| > Defiziten. | |
| Bild: In Indien hat nur die Hälfte der Bevölkerung Zugang zu medizinischer Ve… | |
| Berlin taz | Vor dem Covid-19-Virus sind alle gleich? Das Gegenteil bewies | |
| jüngst [1][eine Untersuchung], derzufolge Milliardär*innen trotz Krise | |
| kräftig Gewinne einfahren konnten. Im Gegensatz dazu leiden benachteiligte | |
| Gruppen deutlich stärker unter Corona. Doch die soziale Ungleichheit | |
| behindert auch die Pandemiebekämpfung. Das ist [2][das Ergebnis einer | |
| Studie], die die Hilfsorganisation Oxfam gemeinsam mit der | |
| Unternehmensberatung Development Finance International am Mittwoch | |
| veröffentlichte. | |
| „Weltweit haben Regierungen bei der Bekämpfung der sozialen Ungleichheit | |
| katastrophal versagt“, kritisiert Oxfams Expertin für soziale Ungleichheit, | |
| Ellen Ehmke. Deshalb sei die Mehrheit der Länder schlecht gerüstet gewesen, | |
| „um eine Pandemie zu bewältigen. Die Hauptlast dieser Krise tragen die | |
| Menschen am unteren Ende der Einkommensskala“. | |
| Grundlage der Studie ist eine Bewertung der Regierungspolitik in 158 | |
| Ländern in den Bereichen Steuern, Arbeitnehmer*innenrechte und öffentlicher | |
| Dienst, also Gesundheits-, Bildungs- und Sozialsysteme. Diese haben Oxfam | |
| zufolge entscheidende Bedeutung für die Verringerung von Ungleichheit, und | |
| damit auch für die Bewältigung der Pandemie. | |
| Vor allem [3][ärmere Kinder im Homeschooling] sind benachteiligt. Ist der | |
| Zugang zum Gesundheitssystem für bestimmte Bevölkerungsgruppen oder | |
| Einkommensschichten nicht möglich, können Infektionen nicht behandelt und | |
| eingedämmt werden. Gleichzeitig gibt es in vielen Branchen keine | |
| Möglichkeit, effektiv im Home Office zu arbeiten. | |
| ## Vor allem Arme sind gefährdet | |
| Oftmals prekär Beschäftigte wie Reinigungskräfte, Kellner*innen oder DJs | |
| stehen ohne Sicherungssystem schnell ohne Einkommen da. Sind Infizierte | |
| aber gezwungen, weiterhin arbeiten zu gehen, können sie das Virus | |
| weitertragen. | |
| Besonders gefährdet sind arme Menschen, die deutlich häufiger an | |
| Vorerkrankungen leiden oder unter mangelhaften Hygienebedingungen leben | |
| müssen. Dasselbe gilt für People of Color, die oftmals einen schlechteren | |
| Zugang zum Gesundheitssystem und zu sozialer Sicherung haben. Aber auch | |
| Frauen, die insgesamt häufiger in prekären Jobs oder im Gesundheitssektor | |
| arbeiten, sind betroffen. | |
| „Bis weit in die Mittelschicht hinein kam ein großer Teil der Bevölkerung | |
| nicht einmal zwei, drei Monate ohne ihr ungeschmälertes Einkommen aus. Er | |
| ist offenbar nur einen Lockdown, eine Kündigung oder eine schwere Krankheit | |
| von der Armut entfernt“, stellt der Armutsforscher Christoph Butterwegge | |
| fest. Es gebe eine „verteilungspolitische Schieflage“ der in Deutschland | |
| existierenden Finanzhilfen, sagte Butterwegge zur taz. | |
| Deshalb empfiehlt Oxfam unter anderem, 15 Prozent des Haushaltsbudgets für | |
| Gesundheit aufzuwenden. Das erreichen derzeit gerade einmal 26 Staaten. In | |
| 103 Ländern hatte mindestens ein Drittel der Arbeitnehmer*innen kein Zugang | |
| zu Schutzmaßnahmen wie Krankengeld, als Corona ausbrach. Und obwohl die | |
| Arbeitslosigkeit in vielen Ländern stark zunimmt, verzeichnet Oxfam in der | |
| Krise weltweit Angriffe auf Arbeitnehmer*innenrechte. | |
| ## Deutschland im Bildungsbereich miserabel | |
| Deutschland belegt im Ranking der Studie zwar den dritten Platz. Dennoch: | |
| Auch hier gibt es massive Defizite. So liegt der Anteil der | |
| Bildungsausgaben an den Gesamtausgaben bei knapp 10 Prozent und im Bereich | |
| Bildung damit auf einem miserablen Platz 139 vor Südsudan – dem | |
| Schlusslicht der Gesamtwertung. Hier gibt es momentan dreimal mehr Generäle | |
| als Ärzt*innen. Auch das deutsche Steuersystem liegt gerade einmal auf | |
| Platz 77. Über die Hälfte der untersuchten Länder habe demnach einen | |
| gerechteren Mix aus Einkommens-, Unternehmens- und Mehrwertsteuer. | |
| Unter den wohlhabenden G7-Staaten belegen die USA den letzten Platz. Gründe | |
| sind vor allem eine gewerkschaftsfeindliche Politk sowie ein niedriger | |
| Mindestlohn. Auch Indien, wo gerade einmal die Hälfte der Bevölkerung | |
| Zugang zu grundlegender Gesundheitsversorgung hat, schneidet schlecht ab. | |
| Dänemark liegt zwar auf Platz 2, doch auch hier wird moniert, dass die | |
| reichsten 10 Prozent die Hälfte des Landes besitzen. | |
| Doch es gibt auch Staaten, deren Regierungspolitik die Studie ausdrücklich | |
| lobt. So habe die Ukraine eine der niedrigsten Ungleichheitsraten der Welt. | |
| Trotz des relativ niedrigen Bruttoinlandprodukts wurden die Löhne dort | |
| unlängst um 300 Prozent erhöht. Während Bangladesch den vor allem | |
| weiblichen Beschäftigen im Gesundheitsbereich Bonuszahlungen gewährt, | |
| schnürte Vietnam ein umfangreiches finanzielles Hilfspaket für besonders | |
| Schutzbedürftige. Georgien schaffte sogar alle Gesundheitskosten im | |
| Zusammenhang mit COVID-19 ab. | |
| 9 Oct 2020 | |
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| [1] /Studie-ueber-Superreiche/!5718905 | |
| [2] http://xn--ber%20den%20Zusammenhang%20von%20COVID-19%20und%20sozialer%20Ung… | |
| [3] /Mehr-Kinderarmut-wegen-Corona/!5714718 | |
| ## AUTOREN | |
| Maximilian Berkenheide | |
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