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# taz.de -- Smart-Home von Amazon: Die Abhörwanze von IM Alexa
> Der Lautsprecher Echo und seine KI Alexa lernen alles über ihre Nutzer –
> wirklich alles. Kunden werden so gläsern und bezahlen noch dafür.
Bild: Echo. Ein Gerät, von dem die Stasi nur träumen konnte
Dies ist ein Produkttest. Leider muss er ohne das Produkt auskommen. Denn
der wolkenhafte IT-Riese Amazon wollte die taz sein Gerät nicht testen
lassen. Er teilte dies schwer greifbar über einen Subunternehmer für
Presseanfragen mit. Dabei war die taz die erste, die wegen des Geräts
anfragte. Schon im Juli 2016 und seither immer wieder. Monate später, am
27. Oktober, erscheinen dann die ersten Produkttest – in anderen Medien.
Wir müssen Echo, den Lautsprecher für den digitalen Assistenten Alexa –
Amazons künstliche Intelligenz für den Alltag – also aus der Ferne
begutachten.
Die Zeit schreibt in ihrem Produkttest vergnügt: „[1][Wir haben mit der]
virtuellen Assistentin Alexa geplaudert“. Und die Kollegen von der Welt
formulieren in ihrem Testbericht dramatisch: „[2][Dieses Amazon-Gerät
verändert] unseren Alltag radikal“. Dem ist vielleicht zuzustimmen, doch
bleibt nach Lektüre der Berichte der Bedarf an einer kritischen Würdigung
unbefriedigt.
Echo sieht schick schwarz aus und kann sprechen. So viel zu den positiven
Aspekt dieses Tests.
Problem: Das ganze Konzept ist eine Datenschutzhölle. Echo ist die Wanze
von IM Alexa. Und Amazon die kommerzieller Staatssicherheit, die uns bis
ins Letzte ausspioniert. Das Gerät soll als intelligenter Assistent wie ein
Interface funktionieren und als Zugang zum Internet dienen. Deswegen
lauscht ein Mikrofon permanent mit. Alles, was wir sagen. Nur dann kann das
sprachgesteuerte Gerät funktionieren. Die Amazon-Wanze wird damit sehr
weitreichende Rückschlüsse auf fast alles ziehen können, was wir tun.
## Mathematische Verhaltensauswertung
Viele Menschen wurden in den vergangenen Jahren Stück für Stück auf
Schmerzfreiheit dressiert was den Umgang mit ihren Daten betrifft. Deswegen
stößt wohl auch die Bespitzelungswanze zum Schnäppchenpreis von knapp 200
Euro nicht auf. In den USA ist das so. Dort ist Alexa oder Echo ständig
ausverkauft.
Mit Echo werden unser Verhalten und unsere Sprache mathematisch
ausgewertet, abgebildet und dann mit Datenuniversen auf Datenservern
korreliert, nur damit Nutzer per Sprachsteuerung schnöde Dinge bei Amazon
bestellen können, oder fragen, wie das Wetter wird, oder damit sie das
Licht anknipsen können, weil konnektive Geräte Echo als Schnittstelle
akzeptieren. Dabei lernen die künstlichen neuronalen Netze in der Cloud des
Konzerns wer wir sind und wie wir ticken. Mit Alexa dehnt sich die
Totalüberwachung aus dem virtuellen Raum in das Heiligste unsere
3-D-Realität aus: die Wohnung.
Amazon weiß nun, wann wir zuhause sind, ob wir allein sind, ob wir über
Merkel lästern, wen wir wählen, ob wir linksradikale Parolen singen, oder
Schlager unter der Dusche, oder ob wir merkwürdige Vorlieben im Bett haben.
Nicht im übertragenen Sinne, sondern buchstäblich. Nach kurzer Zeit wird
keinem Echo-Benutzer mehr bewusst sein, dass die Maschine von nun an und
bis in alle Ewigkeit mitschneidet.
## Profile von allen
Allein der Zugriff auf unsere Sprachmuster ermöglicht Alexa und einer
monströsen technologischen Infrastruktur, an die sie in tausenden
Kilometern Entfernung gekoppelt ist, eine so finster genaue psychologische
Profilierung. Ganze Geschäftszweige haben sich darauf spezialisiert, die
wie Amazon künstliche Intelligenz einsetzten. In den USA existiert
mittlerweile über jeden (!) Bürger ein Datendossier mit Psychoprofil von
dem die Stasi nur hätte träumen können. Cambridge Analytica ist eine Firma,
die so etwas verkauft. Und Echo trainiert mit unseren Sprach- und
Verhaltensmustern die Software zur Auswertung unserer Persönlichkeiten.
Die Nutzer von Echo werden nicht nur für ein Gadget zahlen und ihre Daten
hinblättern, die mittlerweile sogar als Anlageklasse firmieren – mehr noch:
Sie trainieren kostenlos die selbstlernende Software, die zunehmend zum
Kern aller Geschäftsfelder der IT-Oligarchen wird. Und dabei geht es nicht
nur um die Spracherkennung. Tausende von Nutzern von Echo füttern das
System mit menschlicher Privatheit. Mit Modelle davon lassen sich in
Simulationen Kaufentscheidungen durchspielen, Verhaltensmuster berechnen,
Werbung perfektionieren. Das erleichtert im besten Fall das Leben, weil uns
eben genau die Bücher empfohlen werden, die wir tatsächlich mögen. Doch
wenn es schlecht läuft, dürfen wir nicht mehr nach Amerika einreisen, weil
eine Profilierung Gefahrenmuster aufzeigt, Berufsunfähigkeitsversicherung
bleiben verwehrt, weil die Software eine Depression antizipiert, uns dies
aber nie mitteilt.
Echo ist der schicke Wegbereiter dafür, um unsere Privatheit kommerziell zu
erledigen.
Zuletzt noch was zur Geschichte: Sie führt zurück ins Jahr 2003. Damals
schrieb die Forschungsbehörde des Pentagon, die DARPA, das Projekt „Calo“
aus. Das steht für „Cognitive Assistant that Learns and Organizes“. Die
Militärs arbeiteten an einer – damals noch viel leistungsschwächeren –
künstlichen Intelligenz, die permanent von seinem Nutzer Daten erheben und
lernen sollte. Calo gehörte zum übergeordneten Programm „Personalized
Assistant that Learns“ (PAL) der Militärs, an dem laut New York Times rund
hunderte Militärs, Wissenschaftler fünf Jahre arbeiteten. Nach Vollendung
des Programms im Jahr 2008 kaufte Apple eines der Systeme und nannte es
„Siri“ – den mobilen Vorläufer von Alexa.
5 Nov 2016
## LINKS
[1] http://www.zeit.de/digital/mobil/2016-10/amazon-echo-alexa-test-deutschland
[2] https://www.welt.de/wirtschaft/webwelt/article159067947/Dieses-Amazon-Gerae…
## AUTOREN
Kai Schlieter
## TAGS
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Schwerpunkt Überwachung
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