# taz.de -- Sicherheitspolitik in China: Peking macht Jagd auf Spione | |
> Chinas Regierung schürt überall die Angst vor Spionen. Selbst | |
> Grundschüler erhalten Anti-Spionage-Schulungen. Dahinter steckt mehr. | |
Bild: Ausländisch unterwandert? „Null Covid“-Protest in Peking am 27.11.20… | |
PEKING taz | Was China dem britischen Geheimdienst vorwirft, ruft | |
Erinnerungen an James-Bond-Filme wach: Der MI6 soll laut Peking einen Mann | |
angeheuert haben, um als Führungskraft einer Beratungsfirma während seiner | |
Geschäftsreisen Staatsgeheimnisse aus der Volksrepublik zu beschaffen. Am | |
Montag schließlich machte die Staatssicherheit den Fall publik, der | |
mutmaßliche Spion sei mittlerweile festgenommen worden. | |
Tatsächlich wirft die Nachricht mehr Fragen als Antworten auf. Zum einen | |
lassen sich die Behauptungen nicht unabhängig überprüfen. Die britische | |
Botschaft in Peking hat sich nicht zu den Vorwürfen geäußert. Zudem sind | |
selbst die offiziellen Schilderungen der chinesischen Behörden lückenhaft. | |
Dennoch wirft die Causa ein Schlaglicht auf Chinas Strategie nationaler | |
Sicherheit, die sich zunehmend auf die Bevölkerung von 1,4 Milliarden | |
Staatsbürgern richtet. | |
Allein die Definition von Spionage ist im Reich der Mitte spätestens | |
[1][seit der jüngsten Verschärfung der Gesetzgebung] vom letzten Sommer | |
sehr weit gefasst. Strafbar sind mittlerweile Handlungen, die sich gegen | |
die „nationalen Interessen“ Chinas richten – ein überaus dehnbarer Begri… | |
Selbst touristische Smartphone-Schnappschüsse können darunter fallen. Wer | |
etwa auf einem Zivilflughafen Fotos schießt, befindet sich der Definition | |
nach im Besitz eines Staatsgeheimnisses, wenn das Militär den Flughafen | |
ebenfalls nutzt. | |
In den letzten Monaten gerieten wiederholt ausländische Staatsbürger ins | |
Visier der Behörden. Sie nahmen etwa im März 2023 einen japanischen | |
Geschäftsmann wegen Spionage fest. Zudem führten Behörden bei mehreren | |
US-amerikanischen Beratungsfirmen Razzien durch und beschlagnahmten | |
Laptops. | |
## Beabsichtigte Unsicherheit | |
Auch die Europäische Handelskammer kritisierte, Unternehmen wüssten nicht, | |
wo die Legalität ende. Die juristische Unschärfe ist jedoch kein Versehen, | |
sondern bewusst intendiert: Sie ermöglicht den Behörden einen weiten | |
Anwendungsspielraum der Anti-Spionage-Gesetze. Zudem kreiert sie | |
Unsicherheit, aus der vorauseilender Gehorsam resultiert. Andererseits | |
liegen negative Konsequenzen, etwa die abschreckende Wirkung auf | |
ausländische Investoren, auf der Hand. | |
Die Staatsführung nimmt das offenbar in Kauf. In öffentlichen Kampagnen | |
versetzt sie die Bevölkerung in erhöhte Alarmbereitschaft. Wer etwa durch | |
die Korridore chinesischer Staatsbetriebe schreitet, findet an den Wänden | |
unzählige Infoblätter und omnipräsente Propagandaslogans, die darüber | |
aufklären, wie man am effizientesten Spione ausfindig macht und meldet. | |
## Sündenböcke für alles | |
Selbst Grundschüler erhalten Anti-Spionage-Schulungen, wie die Staatsmedien | |
im Wochentakt stolz berichten. Als Lohn für einen erfolgreich | |
ausgelieferten Spion gibt es bis zu 65.000 Euro. | |
Allerdings: die Hintergründe sind real. [2][China und die USA befinden sich | |
im Hegemonialstreit]. Im vergangenen Sommer kündigte CIA-Direktor William | |
Burns an, das Spionagenetzwerk in China wieder aufzubauen. Gleichzeitig | |
dürfte hinter Chinas Anti-Spionage-Kampf Kalkül stehen, um in | |
wirtschaftlich schwierigen Zeiten mit Angst und Nationalismus Zusammenhalt | |
zu kreieren. | |
Zudem offeriert das Narrativ auch einen bequemen Sündenbock: Hinter jeder | |
Form der politischen Opposition – von der mittlerweile niedergeschlagenen | |
Demokratiebewegung in Hongkong bis zu den „Null Covid“-Protesten vom | |
letzten Winter – wittert Chinas Staatsführung „ausländische | |
Unterwanderung“. | |
9 Jan 2024 | |
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[1] /China-verschaerft-Gesetz-gegen-Spionage/!5927740 | |
[2] /Chinesische-Spionage-Flugkoerper/!5915499 | |
## AUTOREN | |
Fabian Kretschmer | |
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