# taz.de -- Prepper in Taiwan: Gebrauchsanleitung für einen Krieg | |
> Was passiert, wenn China Taiwan angreift? Tobie Openshaw ist bis ins | |
> Detail vorbereitet auf jedes Szenario in einer sehr realen | |
> Bedrohungslage. | |
TAIPEH taz | Tobie Openshaw ist ein Harmoniezerstörer. Das wird bereits | |
klar, als er mit seinem Land Rover durch den Yangmingshan-Nationalpark | |
ruckelt, vorbei an Wasserfällen, rosa-weiß blühenden Kirschbäumen und | |
Senioren mit Hüten und Walking-Stöcken, die in der Mittagssonne den | |
Qixing-Berg im Norden Taipehs besteigen. Openshaw, ein 60-jähriger Mann in | |
olivgrüner Hose und khakibraunem Hemd, sitzt am Steuer seines Wagens, der | |
vollgepackt ist mit Seilen, Walkie-Talkies, Erste-Hilfe-Kits und | |
Dosenfutter. „Hierhin würde ich zu Fuß fliehen, wenn mein Auto kaputt | |
wäre“, sagt Openshaw nüchtern und hält in einer Parkbucht an der | |
Serpentinenstraße. | |
Taiwans Hauptstadt wirkt von hier oben wie eine Ameisenkolonie – selbst der | |
581 Meter hohe Taipei 101, das einst höchste Gebäude der Welt, ist zur | |
Größe eines Lego-Turms geschrumpft. „Von meinem Haus aus wären das etwa | |
acht Stunden zu Fuß. Mit Gepäck. Ein guter Platz, wenn man sehen will, wo | |
in Taipeh die Raketen einschlagen.“ | |
Openshaw, ein Filmemacher aus Südafrika, lebt seit 25 Jahren in Taiwan. Und | |
er spricht aus, was auf der Insel keiner hören will. „Es macht keinen Spaß | |
darüber nachzudenken, aber: [1][China macht kein Geheimnis daraus, Taiwan | |
in naher Zukunft angreifen zu wollen].“ | |
Viele Taiwaner lassen Pekings Kampfjets in der Taiwanstraße unbeeindruckt, | |
man ist mit militärischen Provokationen aufgewachsen. Tobie Openshaw sagt, | |
er könne zwar nicht in den Kopf von Chinas Staatschef Xi Jinping schauen, | |
„aber ich denke, es ist möglich, dass China bis 2027 angreifen wird“. | |
## Wenn China morgen angreift | |
Bis 2027 soll die Volksbefreiungsarme für eine Invasion bereit sein, hatte | |
der Xi angeordnet. Dann nämlich feiert die Armee ihren 100. Geburtstag. | |
Auch das Ministerium des deutschen Wirtschaftsministers Robert Habeck | |
rechnet mit dieser Deadline in einem Strategiepapier. Tobie Openshaw ist | |
schon jetzt bereit. Würde Peking morgen angreifen, sein Rucksack ist | |
gepackt. | |
Ein schwarzer Militärrucksack, mit zig Reißverschlüssen, 15 Kilo schwer: | |
Openshaw breitet den Inhalt auf einer Camouflage-Decke aus. Landkarte, | |
Tütensuppen, Satellitentelefone, Taschenlampe, Solarpanel, Stromgenerator, | |
Gaskocher, Bargeld, Jodtabletten gegen Radioaktivität, nur für den Fall. | |
In sein Erste-Hilfe-Set hat er spezielle Druckverbände für Schusswunden | |
gepackt. Openshaw ist nicht nur für den Krieg vorbereitet, auch für | |
Erdbeben und Taifune. „Ich will nicht wirken wie einer dieser verrückten | |
Prepper aus den USA“, sagt er. „Ich rechne [2][mit realen Katastrophen], | |
nicht mit Zombie-Apokalypsen.“ Und doch: Wenn Taiwan von Zombies | |
angegriffen würde, sollte man möglicherweise Openshaw und seinem | |
Desaster-Plan folgen. | |
Ein Plan, an dem der Südafrikaner seit seinem 13. Lebensjahr tüftelt. „Ich | |
habe damals ein Buch gelesen, da ging es um einen weißen Jungen in | |
Südafrika, der seinen Eltern verloren gegangen ist. Er baute sich einen | |
Bogen, ging jagen, machte sich ein Lagerfeuer. Und irgendwie überlebte er“, | |
erinnert sich Openshaw. „So etwas wollte ich auch können. Ich wollte immer | |
auf den Worst Case vorbereitet sein.“ | |
Seine ersten Survival-Kits stellte Openshaw als Teenager zusammen – „als | |
Hobby, Jungs haben in diesem Alter oft ein Faible für Walkie-Talkies und | |
Taschenmesser“, sagt er. Openshaw erzählt, wie er während der | |
Apartheid-Jahre in Südafrika aufwuchs. Später habe er in Namibia gelebt, | |
„ein Wüstenstaat – natürlich brauche ich da ein Notfallkit, falls mein Au… | |
liegen bleibt“. | |
## Gesellschaft ist das Wichtigste | |
Openshaw sagt, er plane übrigens nicht, allein im Regenwald von Taiwan in | |
einem Kriegsszenario zu überleben, Feuer zu machen und mit Pfeil und Bogen | |
zu jagen. Im Falle eines chinesischen Angriffs wolle er als Filmemacher und | |
Journalist berichten, sagt er. Und er möchte anderen Menschen mit seinen | |
Überlebenskits und Erste-Hilfe-Fähigkeiten helfen. „Im Notfall ist das | |
Wichtigste, dass eine Gesellschaft zusammenhält, sich gegenseitig hilft.“ | |
Openshaw betreibt bereits eine Facebook-Gruppe, in der er | |
Katastrophen-Tipps mit anderen Nutzern teilt. Sie hat fast 300 Mitglieder. | |
Openshaw greift in das Handschuhfach seines Landrovers, faltet ein paar | |
zusammengetackerte DIN-A4-Blätter auseinander und setzt seine schwarze | |
Brille auf. „Bug in, bug out – bu**er off“, steht auf der ersten Seite – | |
was so viel bedeutet wie: Deckung suchen, fliehen – sich verpissen. | |
„Ich bereite mich auf drei Fälle vor“, erklärt Openshaw. „Fall eins: Es | |
kommt zum Krieg in der Taiwanstraße, aber meine Nachbarschaft ist sicher. | |
In meinem Haus gibt es noch immer Elektrizität und Wasser. Dann bleibe ich | |
und versuche, anderen zu helfen, die in größerer Gefahr sind.“ Openshaw | |
rückt seine Kappe zurecht und blättert eine Seite weiter. „Fall zwei: Meine | |
unmittelbare Umgebung ist bedroht, in meinem Haus ist es nicht mehr sicher. | |
Dann fliehe ich in meine Hütte in den Bergen.“ Er zieht die Augenbrauen | |
hoch. „Fall drei halte ich für sehr unwahrscheinlich: Chinesische | |
Bodentruppen betreten Taiwan und die ganze Insel ist nicht mehr sicher.“ | |
Openshaw räuspert sich kurz. „Dann werde ich versuchen, von der Insel zu | |
kommen, wenn es irgendwie möglich ist.“ | |
Es ist eine 30 Seiten lange Schritt-für-Schritt-Anleitung, eine | |
Gebrauchsanweisung für den Krieg. Bleibt für die Evakuierung nur noch eine | |
Minute? Handy, Schuhe, eine Hose, eine Jacke und eventuell die Brille | |
einpacken – und natürlich den Notfallrucksack. Bleibt eine Stunde Zeit? | |
Dann die Familienmitglieder anrufen, den Kühlschrank leeren, Laptop, | |
Kleidung, Dokumente und Lebensmittel einpacken. Hat man mehrere Tage Zeit, | |
um zu fliehen? Dann alle Akkus aufladen, Apps updaten, je zwei Kanister mit | |
Benzin und Wasser füllen, und: „richten Sie schon mal Ihr Quartier ein“. | |
Openshaw hat auf 30 Seiten jedes erdenkliche Szenario beschrieben. Dazu | |
Listen erstellt: mit Kleidungsanweisungen für kaltes und warmes Wetter, | |
Notfall-Telefonnummern, Koordinaten von U-Bahn-Stationen und | |
Luftschutzkellern, mit Camping-Equipment. „Ich habe nicht vor, mich mit | |
einem Zelt im Wald zu verstecken“, stellt Openshaw klar, „aber ich will | |
drauf vorbereitet sein.“ Es sei wie mit dem Warndreieck im Kofferraum, | |
meint er. „Im besten Fall braucht man es nicht, und trotzdem hat man es | |
immer dabei.“ | |
Das Funkgerät, das auf dem Dach des Land Rovers Kanäle scannt, hat er nicht | |
immer dabei. Auch das scharfe Klappmesser hat er nur zur Demonstration | |
mitgebracht. „Damit kann ich Steak schneiden, mir den Weg im Wald | |
freischlagen, mich rasieren“, sagt er und fährt mit der Klinge über seinen | |
Unterarm. Openshaw pustet die abgeschnittenen Härchen in den Wind, ein | |
paar Tropfen Blut treten aus einer kleinen Schnittwunde. Macht nichts. | |
„Seien wir ehrlich, das meiste Zeug werde ich nie wirklich brauchen“, sagt | |
er und grinst, „es ist nur cool, es zu haben.“ Dann wird er wieder ernst. �… | |
Aber ein paar einfache Dinge können Leben retten. Ich spreche aus | |
Erfahrung.“ | |
Openshaw spricht vom Jiji-Erdbeben. Als am 21. September 1999 Taiwan bebte, | |
wohnte er im zehnten Stock eines Wohnhauses in Taoyuan, einer Stadt im | |
Nordwesten der Insel. „Das Gebäude schwankte so stark, dass sich unser Bett | |
von der Wand einen Meter bewegte“, erinnert er sich. „Wir zogen den Kindern | |
Jacke und Schuhe an, brachten sie das Treppenhaus hinunter und packten sie | |
ins Auto. Dann fuhren wir ziellos durch die Gegend, weil wir dachten, in | |
unserer Wohnung sei es nicht sicher.“ | |
Openshaw und seine Familie hatten Glück: Das Gebäude blieb stehen, | |
lediglich die Gas- und Wasserversorgung war zwei Wochen lang unterbrochen. | |
Nur wenige Kilometer weiter südlich hingegen waren Menschen unter ihren | |
Häusern begraben. 2.415 Menschen starben bei dem Beben, mehr als 100.000 | |
wurden obdachlos. | |
„Viele Menschen saßen tagelang in Gebäuden fest. Stellen Sie sich vor, Sie | |
wachen auf und das Haus stürzt ein. Möbel und lose Gegenstände rutschen | |
umher, Sie sind in einem ungünstigen Winkel gefangen und haben nur die | |
Sachen neben Ihrem Bett zur Hand.“ Openshaw hält kurz inne. „Vielleicht | |
sind Sie verletzt. Sie wissen, es kann Stunden oder Tage dauern, bis | |
Rettungskräfte Sie finden. Was sollten Sie griffbereit haben, das Sie am | |
Leben hält?“ | |
Es gibt keine Nacht, in der Tobie Openshaw und seine Frau nicht ein paar | |
Schuhe neben ihrem Bett stehen haben – damit sie im Ernstfall nicht über | |
Scherben laufen müssen. Auch im Büro hat er stets einen Notfallrucksack | |
gepackt. Als Journalist filmte er in Japan während der [3][AKW-Katastrophe | |
von Fukushima im Jahr 2011]. „Telefone waren ausgefallen, genauso wie die | |
U-Bahn. Ich hatte Kollegen in Tokio, die von ihrem Büro aus fünf Stunden | |
nach Hause gelaufen sind – mit ungeeigneten Schuhen und viel zu dünner | |
Kleidung.“ | |
Manchmal hielten ihn die Menschen in Taiwan für paranoid, wenn er ihnen von | |
seinen Sicherheitsvorkehrungen erzähle, sagt Openshaw. „Aber dann sehe ich | |
in ihren Augen, wie sie sich fragen: Sollte ich mich auch besser | |
vorbereiten?“ Noch nie habe ihn jemand verrückt genannt. „Warum auch? Jeder | |
kann sich an diese Katastrophen erinnern.“ Und dann sind da die | |
chinesischen Kampfjets. Peking schickt sie fast täglich in die | |
Taiwanstraße, eine militärische Provokation. | |
Am Himmel ist die Bedrohung sichtbar. Nicht nur Openshaw ist alarmiert. An | |
der Kuma Academy, einer Zivilorganisation, üben bereits jetzt zahlreiche | |
Taiwaner den Krieg: In Workshops werden Erste-Hilfe-Kurse angeboten und | |
Evakuierungen simuliert. „Wenn man wirklich erreichen möchte, dass Menschen | |
für den Krieg vorbereitet sind, muss man sie Schritt für Schritt | |
heranführen“, sagt Puma Shen, Gründer der Kuma Academy. | |
„Das fängt bei der Informationsbeschaffung an – ich denke, die wenigsten | |
Menschen wissen, was China vorhat, welchen Nutzen Xi Jinping von einem | |
Angriff hätte. Die Medien und die Regierung müssen die Öffentlichkeit | |
eindringlicher warnen, dass es zu einem Krieg kommen könnte – und dass man | |
sich darauf vorbereiten sollte.“ | |
Für den Zivilschutz ist in Taiwan offiziell die Nationale Polizeibehörde | |
zuständig – zudem gibt es rund 420.000 Freiwillige, die in Zusammenarbeit | |
mit der Polizei für den Katastrophenfall trainieren. Ihre Übungen haben | |
sich in diesem Jahr immer mehr auf ein mögliches Kriegs-Szenario | |
fokussiert. Nur noch rund 30 Prozent der Trainingseinheiten bereiten die | |
Helfer auf Naturkatastrophen vor. In den vergangenen Jahren lag das | |
Verhältnis noch bei 50:50. | |
Eine besonders wichtige Rolle spielen Schutzräume. Laut der taiwanischen | |
Regierung verfügt der Inselstaat über 105.000 Bunker, die mehr als 86 | |
Millionen Menschen aufnehmen können – fast viermal mehr, als auf der Insel | |
leben. Im Netz sind die einzelnen Schutzräume auf einer Karte | |
eingezeichnet. Bei vielen handelt es sich allerdings lediglich um Keller | |
von gewöhnlichen Privathäusern, die zwar erdbeben-, aber nicht unbedingt | |
bombensicher sind. | |
Einem Bericht der Taipei Times zufolge wissen viele Hauseigentümer nicht | |
einmal, dass sie im Katastrophenfall ihren Keller zur Verfügung stellen | |
müssen. Demnach ist der Zivilschutz zwar gesetzlich in der | |
Verteidigungsstrategie Taiwans festgehalten, aber noch nicht in den Köpfen | |
der Bürger angekommen. | |
Um dem entgegenzuwirken, bietet die Kuma Academy als | |
Non-Profit-Organisation seit Ende 2021 eintägige Workshops an. Morgens geht | |
es in der Theorie um moderne Kriegsführung, am Nachmittag um praktische | |
Basics: Teilnehmer lernen dann, wie man eine Blutung stillt oder wie man | |
anderen Menschen bei der Evakuierung hilft. | |
## Loyalität und Vertrauen | |
„Wer möchte, kann danach unsere Fortgeschrittenenkurse besuchen“, sagt | |
Shen. „Da geht es dann um Cybersicherheit oder körperliches Training. Unser | |
Ziel ist, dass mindestens eine Million Bürger die Grundlagen des | |
Zivilschutzes im Krieg verstehen. Wenn dann nur 10 bis 20 Prozent ihre | |
Kenntnisse weiter ausbauen, hätten wir genug, fähige Leute, um einen echten | |
Zivilschutz aufzubauen. Dann wären wir für den Krieg gewappnet.“ | |
Für Puma Shen ist es weniger eine Frage, ob es zum Angriff kommt, sondern | |
wann. „Ich sage immer, dass es schon morgen so weit sein könnte“, sagt der | |
Professor für Wirtschaftskriminalität, der an der National Taipei | |
University lehrt. „Xi Jinping ist von Leuten umgeben, die die Wirtschaft, | |
das Militär und die internationale Politik nicht wirklich verstehen. Das | |
macht ihn nur noch gefährlicher.“ | |
Laut Cai Xia, einer früheren Professorin der wichtigsten Parteihochschule | |
Chinas, geht es Xi bei der Vergabe von Spitzenposten hauptsächlich um | |
Loyalität und Vertrauen. Cai war selbst Insider der Kommunistischen Partei | |
und unterrichtete 15 Jahre lang die künftige Führungselite – bis sie Xi | |
einen „Mafiaboss“ nannte und ihm vorwarf, die KP zu einem „politischen | |
Zombie“ gemacht zu haben. Der chinesische Staatschef habe zum Teil | |
ehemaligen Kommilitonen oder Schulfreunden Führungspositionen gegeben, | |
nachdem er seine Rivalen und Kritiker verdrängt hatte, schreibt sie im | |
Magazin Foreign Affairs. Heute lebt Cai in den USA im Exil. | |
Allein diese mafiaähnlichen Strukturen der KP sind für Puma Shen Grund | |
genug, um bei der Taiwan-Frage nicht auf Xis Vernunft zu setzen. „Xi ist | |
irrational. Noch irrationaler als Putin“, meint er. Umso wichtiger sei es, | |
für einen Angriff gewappnet zu sein – jederzeit. Prepper wie Openshaw | |
seien in Taiwan aber die Ausnahme, glaubt er. | |
Die wenigsten Menschen würden sich gedanklich genug mit der Kriegsgefahr | |
auseinandersetzen. „Um sich vorzubereiten, braucht man erst einmal eine | |
Vorstellung davon, gegen wen man im Ernstfall kämpfen müsste, was der | |
Gegner erzielen will, worauf man sich vorbereiten sollte.“ Würden die | |
Taiwaner dieses Wissen erlangen, meint Shen, seien gut 70 bis 80 Prozent | |
der Einwohner bereit, für ihr Land zu kämpfen. | |
Am Fuße des Yangmingshan, im Stadtteil Tianmu, reihen sich deutsche | |
Bäckereien an amerikanische Burgerläden – ein beliebtes Viertel unter | |
Ausländern in Taipeh. Tobie Openshaw sitzt in seinem Stammcafé, einer | |
Boulangerie, in der es Croissants und französischen Kaffee gibt. „Natürlich | |
verfolge ich den Ukrainekrieg ganz genau“, sagt er und blickt auf die | |
Straßenszene draußen vor dem Fenster. | |
## Ein Land in Vorkriegsstimmung | |
Da wirkt Taiwan nicht wie ein Land in Vorkriegsstimmung: Menschen stehen | |
für süße Suppe mit roten Bohnen an, ein Mädchen lässt sich im Friseursalon | |
die Haare grau-blau färben, die Müllabfuhr spielt einen grellen Pfeifton im | |
Vorbeifahren. „Putin hatte die Ukraine bereits wochenlang bedroht, und | |
trotzdem wurden die meisten Menschen unvorbereitet getroffen“, meint | |
Openshaw. | |
„Die Straßen waren verstopft, Züge sind ausgefallen, viele haben Schutz in | |
U-Bahn-Stationen gesucht.“ Auch für diesen Fall hat er eine Packliste: | |
Yogamatte, Schlafsack, aufblasbares Kissen, Klappstuhl, Campingkocher, | |
Tassen, Tütensuppen, Kaffeepäckchen, Bücher, Kartenspiele, Dinge zum | |
Tauschen – Windeln und Damenbinden etwa. Taiwan sei nicht die Ukraine und | |
Xi Jinping nicht Putin, das ist Openshaw klar. „Aber möglicherweise ist Xi | |
noch verrückter als Putin. Und möglicherweise hat er sein Volk sogar noch | |
besser unter Kontrolle.“ | |
In seiner Fantasie hat Openshaw den Krieg bereits durchgespielt. Ganz | |
unaufgeregt spricht er über die möglichen Szenarien. Tobie Openshaw wirkt | |
nicht paranoid. „In Panik gerät man, wenn man nicht vorbereitet ist“, | |
erklärt er. „Ich bin vorbereitet, also bleibe ich ruhig.“ Es wirkt beinahe | |
so, als warte er auf den Angriff, als habe er sich bereits in Stellung | |
begeben. Die Insel will er aber nicht verlassen. „Taiwan ist meine Heimat, | |
dieses Land war immer gut zu mir“, sagt er. In Südafrika werde man auf den | |
Straßen ausgeraubt. Taiwan sei schon mehr das Land, in dem man sein | |
Portmonnaie im Bus vergessen und Tage später samt Bargeld wiederfindetn | |
kann. „Ich wollte damals hierher, um meine Kinder in Sicherheit zu wissen“, | |
erklärt Openshaw. | |
Heute sind sie erwachsen und selbst in der Welt unterwegs – Openshaw kann | |
sich aber nicht mehr vorstellen, woanders zu leben. „Wo ist es schon | |
sicher? Manche Orte wirken harmlos, und zehn Jahre später sind sie es nicht | |
mehr. Man könnte natürlich in ein Land fliehen, das nicht vom Krieg bedroht | |
ist – aber wo es stattdessen mehr Kriminalität gibt.“ | |
Tobie Openshaw will in Taiwan bleiben. Jedenfalls solange das „bu**er | |
off“-Szenario nicht eintritt. | |
15 Dec 2023 | |
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