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# taz.de -- Seehofer präsentiert Kriminalstatistik: Kriminelle passen sich Pan…
> Weniger Einbrüche, mehr Onlinebetrug: Die Straftaten in Deutschland
> verändern sich. Seehofer will eine Beobachtung der Corona-Proteste.
Bild: Innenminister Seehofer am Donnerstag
BERLIN taz | Seit gut einem Jahr verändert die Corona-Pandemie diese
Gesellschaft – und sie tut es auch mit der Kriminalität in diesem Land. Am
Donnerstag präsentierte Bundesinnenminister Horst Seehofer (CSU) die
alljährliche Kriminalstatistik. Und sie zeigt: Kriminelle passen sich an
die neue Lage an.
Insgesamt ist die Kriminalität im vergangenen Jahr um 2,3 Prozent auf 5,31
Millionen Straftaten zurückgegangen – dem niedrigsten Wert seit Jahren.
„Die Entwicklung ist ausgesprochen positiv“, freute sich Seehofer. Und das
hat auch mit Corona zu tun.
Denn rückgängig waren vor allem Diebstähle. So sanken Taschendiebstähle um
11,1 Prozent – mitbegründet auch an fehlenden Großversammlungen.
Wohnungseinbrüche sanken deutlich um 13,9 Prozent, KfZ-Diebstähle um 15,9
Prozent. Auch das begründet das Bundeskriminalamt (BKA) mit der Pandemie:
Wenn sich das Leben zunehmend aufs Häusliche zurückziehe, böten sich dort
eben weniger Tatgelegenheiten von außen. Auch die eingeführten
Grenzkontrollen hätten Einbrüche und Diebstähle verhindert.
Die runtergefahrene Mobilität ist ebenso ein Faktor. So sank der
Warenkreditbetrug um 7,7 Prozent, worunter Tankbetrug fällt – was auf den
gesunkenen Autoverkehr zurückzuführen ist. Auch
Beförderungserschleichungen, also Schwarzfahren, fiel um 10,5 Prozent.
## Kriminelle steuern um
Die Straftäter:innen steuerten aber auch um: Denn gleichzeitig stiegen
etwa Einbrüche in Kellerräume um 10,6 Prozent. Auch Warenbetrug wuchs um
11,5 Prozent, vor allem durch den verstärkten Onlinehandel und gefälschte
oder nicht gelieferte Produkte. Beleidigungen im Internet wuchsen ebenso um
12,4 Prozent an.
Missbraucht wurden auch die Hilfsangebote der Bundesregierung. So stieg der
Subventionsbetrug rapide von 318 auf 7.585 Fälle, durch betrügerische
Anträge von Corona-Soforthilfen. Auch Verstöße gegen das
Infektionsschutzgesetz wuchsen – wenig überraschend – massiv: von 61 auf
6.779 Fälle.
Auch die um 6,1 Prozent gestiegenen Angriffe auf Polizeikräfte hätten in
Teilen mit der Pandemie zu tun, wie BKA-Chef Holger Münch erklärte. Der
Anstieg sei auch mit [1][Attacken auf Beamte] auf den
Corona-Demonstrationen zu begründen. Nach Münchs Auskunft gab es im
vergangenen Jahr bundesweit gut 3.000 Straftaten mit Corona-Bezug.
Auch Seehofer kritisierte die Gewalt auf den Corona-Demos und sprach sich
dafür aus, die Protestbewegung bundesweit unter [2][Beobachtung des
Verfassungsschutzes] zu stellen. „Ganz energisch und mit starker
Polizeipräsenz“ müsse gegen Straftäter unter den Protestierenden
vorgegangen werden. „Ich bin für eine rigorose Vorgehensweise des
Rechtsstaates. Man muss allen Anfängen die Stirn bieten.“
## Nur ein Hellfeld
Nicht alle Zahlen aber lassen sich mit der Pandemie begründen. So erklärt
das BKA den Anstieg von Kindesmissbrauch um 6,8 Prozent mit den
Ermittlungen zu den Großverfahren in [3][Lügde], Bergisch Gladbach und
Münster. Dazu kämen verstärkte BKA-Internetrecherchen und übermittelte
Meldungen des Nationales Zentrum für vermisste und ausgebeutete Kinder aus
den USA. Gleiches gelte für den massiven Anstieg von 53 Prozent bei der
Verbreitung von Kinderpornografie. Mitschuld sei hier auch der Trend von
Jugendlichen, solche Missbrauchsbilder in Social Media Gruppen zu teilen,
ohne sich bewusst zu sein, dass dies strafbar ist.
Klar ist auch: Die Zahlen bilden nur das Hellfeld ab. Die unentdeckten
Straftaten dürften um einiges höher sein – gerade in Pandemiezeiten. Das
betrifft etwa die häusliche Gewalt, bei der es laut BKA-Chef Münch einen
Anstieg um 6,6 Prozent gab. Das Bild sei aber noch nicht vollständig, da
viele dieser Delikte – wenn überhaupt – erst spät gemeldet würden. Andere
Fälle, die sonst durch Kitas oder Schulen gemeldet würden, blieben durch
deren Schließungen womöglich gänzlich unentdeckt.
Auch Seehofer sagte, die [4][erhöhte Inanspruchnahme von Hilfstelefonen]
lasse befürchten, dass die wahren Zahlen häuslicher Gewalt höher liegen.
Das BKA werde deshalb zum Herbst eine Sonderauswertung anfertigen. Und
Straftaten gegen Frauen müssten statistisch besser erfasst werden. „Dazu
bin ich mit den Ländern im Gespräch.“
15 Apr 2021
## LINKS
[1] /Straftaten-auf-Coronaprotesten/!5754881
[2] /Vom-Verfassungsschutz-im-Visier/!5766444
[3] /Kinderschutz-nach-Luegde/!5733923
[4] /Haeusliche-Gewalt-und-Corona/!5710777
## AUTOREN
Konrad Litschko
## TAGS
Kriminalität
Horst Seehofer
BKA
Holger Münch
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Verschwörungsmythen und Corona
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