Introduction
Introduction Statistics Contact Development Disclaimer Help
# taz.de -- Schutz der Artenvielfalt: Der Kampf um die Mittel
> Fast wäre das Abkommen zur Artenvielfalt an der Demokratischen Republik
> Kongo gescheitert. Das Land braucht Geld – auch für Artenschutz.
Bild: Emmanuel de Merode, Direktor des Virunga-Nationalparks, spricht mit Range…
Es war der entscheidende Moment, ohne den das historische Abkommen zum
Schutz der Artenvielfalt auf dem COP15-Gipfel in Montreal wohl nicht
zustande gekommen wäre: Chinas Minister für Ökologie und Umwelt, Huang
Runqiu, kam am Montag in seiner Rolle als Gipfelpräsident in den
Konferenzsaal und ergriff die Hand von Kongos Vizepremierministerin Eve
Bazaiba. Er entschuldigte sich mit einem Lächeln. Die Fotografen knipsten,
die übrigen Plenarteilnehmer applaudierten. Damit war der Deal dann doch
beschlossen.
Bazaiba hatte als Vertreterin der Demokratischen Republik Kongo den Deal
zuvor lautstark abgelehnt, den Huang Runqiu schon vorschnell für angenommen
erklärt hatte. Damit drohte [1][das historische Rahmenabkommen zum Schutz
der Artenvielfalt] fast zu scheitern. „Wir haben den Vertrag nicht
unterschrieben“, erklärte Bazaiba in ihrer Protestrede. Eine Umsetzung sei
so nicht möglich. „Wir können das Ambitionsniveau nicht ohne mehr
Finanzmittel akzeptieren.“ Rückenwind bekam sie dafür von Kamerun und
Uganda.
Die Demokratische Republik Kongo, das große Land im Herzen Afrikas, ist ein
Schwergewicht in den Verhandlungen zum Schutz der Artenvielfalt. Das
Kongobecken ist das zweitgrößte zusammenhängende Regenwaldgebiet des
Planeten nach dem Amazonas. Von den rund 180 Millionen Hektar Regenwald des
Kongobeckens liegen zwei Drittel in der Demokratischen Republik Kongo.
## Eine Allianz aus Brasilien, Indonesien und Kongo
Damit wird das bettelarme und vom Krieg gebeutelte Land zum entscheidenden
Faktor [2][in dem in Montreal beschlossenen Vorhaben, bis zum Jahr 2030
mindestens 30 Prozent der Erdoberfläche unter internationale
Naturschutzregeln zu stellen]. Denn konkret bedeutet dieser „30x30-Plan“,
dass bestehende Naturschutzgebiete ausgeweitet und neue gegründet werden
müssen – vor allem in den tropischen Regenwäldern des Kongobeckens, des
Amazonasgebietes und in den Wäldern Indonesiens mit ihrer reichen
Artenvielfalt.
Doch das muss finanziert werden. Um ein Maximum an internationalen
Fördermitteln heraus zu verhandeln, hatten Kongo, Brasilien und Indonesien
im Vorfeld des COP15-Gipfels eine Allianz formiert. Sie wollten den
Löwenanteil der Gelder für sich gewinnen.
Während der zweiwöchigen Verhandlungen in Montreal hatten sich die Staaten
auf eine Finanzierung von 200 Milliarden Dollar für Artenschutzvorhaben
jährlich geeinigt. Das beinhaltet Transferzahlungen der reicheren Staaten
an die Länder des Globalen Südens, private Investitionen sowie Gelder, die
auf den Kapitalmärkten als Rendite großer Fonds eingespielt werden. Das
Abkommen besagt, dass die Länder des Nordens von 2025 an jährlich 20
Milliarden Dollar an die Länder des Globalen Südens leisten müssen, von
2030 an mindestens 30 Milliarden Dollar.
## Die Bundesregierung ist eine der größten Geberinnen
Das geht den Regenwaldländern aber nicht weit genug. Kongos
Vizepremierministerin forderte schon vorab mindestens 100 Milliarden Dollar
jährlich an Transferzahlungen der reichen Länder aus einem neuen
Biodiversitäts-Fonds. Doch dieser kam nicht zustande. Das Geld soll nun
über existierende Fonds ausgezahlt werden, vor allem über den Fonds für die
Globale Umweltfazilität (Global Environment Facility, GEF), der 1991
gegründet wurde. Die Bundesregierung ist eine der größten Geberinnen des
Fonds. Nutznießer sind bislang vor allem China, Brasilien, Indonesien,
Indien und Mexiko. Der Kongo bekommt nur einen kleinen Teil.
Das wollte Bazaiba nun ändern. Denn das ressourcenreiche Land hat enorme
Finanzprobleme. Im Osten des Kongos herrscht derzeit wieder Krieg, wofür
die Regierung große Summen ausgibt. Im nächsten Jahr stehen Wahlen an und
auch die werden gigantische Summen kosten. Sprich: Für Artenschutz ist kaum
ein Dollar übrig.
Dies setzt die Regierung nun als Druckmittel ein. Erst vor wenigen Tagen
hat sie einen alarmierenden Bericht herausgegeben, in welchem sie den
Zustand der bedrohten Berggorillas im Virunga-Nationalpark als extrem
gefährdet bezeichnet. Rebellen haben im Juni den Park erobert, es kommt zu
Gefechten im Lebensraum der seltenen Tiere. Ohne Finanzspritzen seien sie
in Gefahr.
Kongos Naturschutzsektor wird seit jeher fast vollständig aus dem Ausland
bezuschusst. Hauptgeldgeber war bislang Deutschland, gefolgt von der EU.
Seit über 30 Jahren finanziert die Bundesrepublik mit Geld aus der
wirtschaftlichen Zusammenarbeit Kongos Naturschutzbehörde (ICCN) sowie
zahlreiche Nationalparks, darunter den Kahuzi-Biega-Park im Osten des
Landes mit seinen vom Aussterben bedrohten Grauergorillas. Sie zahlt den
dortigen Parkwächtern monatlich eine Prämie auf ihr mickriges Staatsgehalt,
um sie zu motivieren. Dasselbe tut die EU seit 2015 im
Virunga-Nationalpark.
Ein anderer Park, Odzala-Kokoua im Nordwesten, ist Pilotgebiet des von der
Bundesregierung gegründeten Legacy Landscapes Funds, bei dessen
Ausgestaltung [3][nach taz-Recherchen Menschenrechtsfragen eher
hintangestellt wurden.]
## Zurückgehaltene Gelder
Bereits 2013 hat die deutsche Entwicklungsbank KfW einen großen
Naturschutzfonds für den Kongo aufgesetzt, den sogenannten Okapi-Fonds, aus
dessen Rendite sich die laufenden Kosten für die Nationalparks und die
Gehälter der Wildhüter begleichen lassen sollen. 2018 wurde in Kinshasa ein
Konto eröffnet, auf das die Zinsen aus dem aus steuerrechtlichen Gründen in
London registrierten Fonds an ICCN ausbezahlt werden können. Die erste
Kapitalspritze setzte die Weltbank 2019 mit 7,5 Millionen Euro, die KfW
überwies 15 Millionen Euro.
Im Gegenzug hat Kongos Naturschutzbehörde ICCN zugesagt, die unter Schutz
stehende Landmasse zu erweitern, von derzeit 8 auf 15 Prozent des Landes.
Dies entspräche quasi der Fläche Deutschlands, die dann im Kongo unter
Schutz stünde.
Ausbezahlt wurde aus diesem Fonds bislang jedoch noch kein einziger Euro,
bestätigt die KfW auf taz-Anfrage. Der Grund: Kongolesische Wildhüter
begehen in den Nationalparks immer wieder Übergriffe gegen die lokale und
indigene Bevölkerung. Die Bundesregierung hat deshalb 2019 alle Gelder
eingefroren und Bedingungen gesetzt, die die ICCN bislang nicht vollständig
erfüllt. Die Übergriffe gehen bis heute weiter.
Bazaiba braucht also Geld aus anderen Fördertöpfen. Um Druck zu machen,
hatte Kongos Regierung im Vorfeld des Montreal-Gipfels einen strategischen
Schachzug unternommen. Sie hatte im Juli Öl- und Gasfirmen weltweit zu
einer Auktion eingeladen, sich Förderlizenzen für die noch unerschlossenen
Vorkommen anzueignen. Zu haben waren auch zwei Ölfelder im Osten des
Landes, die in den Virunga-Nationalpark mit seinen Berggorillas
hineinreichen.
Seit 2015 wird der Virunga von der EU mitfinanziert, sie hat seitdem über
100 Millionen Euro investiert und erst in diesem Jahr weitere Gelder
zugesagt.
Bereits 2013 hatte es um die Ölvorkommen im ältesten Naturschutzgebiet
Afrikas einen Rechtsstreit gegeben. Damals verklagte die
Naturschutzorganisation WWF Kongos Regierung, als die britische Ölfirma
SOCO mit korrupten Methoden das Öl unter dem Virunga anzapfen wollte.
Kongos Regierung verlor das Verfahren und musste unter anderem zusagen, nie
wieder Förderlizenzen für Rohstoffe innerhalb von Naturschutzgebieten
auszuweisen. Dass dies nun trotzdem passiert ist, werten Experten als
Versuch, die Welt im Vorfeld des Cop15-Gipfels quasi erpressen zu wollen.
Funktioniert hat das nun wohl nicht.
24 Dec 2022
## LINKS
[1] /Artenschutzkonferenz-in-Montreal/!5900621
[2] /Artenschutzgipfel/!5900962
[3] /Weltnaturerbefonds-der-Bundesregierung/!5900362
## AUTOREN
Simone Schlindwein
## TAGS
Afrika
Artenvielfalt
Schwerpunkt Artenschutz
Artenschutzkonferenz
Schwerpunkt Demokratische Republik Kongo
Kongo
Schwerpunkt Artenschutz
wochentaz
Schwerpunkt Klimawandel
US-Sanktionen
Papst Franziskus
## ARTIKEL ZUM THEMA
Artenvielfalt in Brasilien: Rios letzte Raubtiere
Seit Millionen Jahren leben Kaimane in der Gegend um Rio de Janeiro. Doch
ihre Lagunen werden bebaut. Unterwegs mit einem, der sie retten will.
Insektensterben weltweit: Ein Königreich für Eintagsfliegen
Silberfisch, Grashüpfer & Co sind nicht ausreichend durch
Naturschutzgebiete geschützt. Das zeigt eine neue Studie zur Verbreitung
von Insekten.
Aktivistin über Klimakrise und Widerstand: „Der Wald war schöner als die Di…
Vandana Shiva ist eine der berühmtesten Umweltaktivistinnen. Ein Gespräch
über Gandhi als Vorbild, grüne Gentechnik und Angriffe auf ihre Person.
Rohstoffschmuggel im Ostkongo: Schmutziges Gold, fragwürdige Strafen
Der Goldhändler Alain Goetz schmuggelte jahrelang Rohstoffe aus der
Demokratischen Republik Kongo. Seit Dezember steht er unter EU-Sanktionen.
Papst Franziskus in Kongo: Der Papst der klaren Worte
Bei seinem Besuch in Kinshasa übt Papst Franziskus scharfe Kritik an den
Zuständen – und spendet den Menschen Trost.
You are viewing proxied material from taz.de. The copyright of proxied material belongs to its original authors. Any comments or complaints in relation to proxied material should be directed to the original authors of the content concerned. Please see the disclaimer for more details.