# taz.de -- Schriftstellerin über Protest gegen die AfD: „Zeigen, was wir ha… | |
> Am Sonntag demonstriert die AfD in Berlin. Kathrin Röggla, die | |
> Vizepräsidentin der Akademie der Künste, erklärt, wie die Kulturszene | |
> dagegen protestiert. | |
Bild: Weniger Musik, trotzdem bunt: Protest gegen den AfD-Bundesparteitag in Ha… | |
taz am wochenende: Frau Röggla, Sie halten am Sonntag eine Rede auf der | |
Glänzenden Demo, auf der sich die Berliner Kunst- und Theaterszene | |
organisiert. Worum wird es darin gehen? | |
Kathrin Röggla: Wir möchten als Akademie der Künste grundsätzlich Position | |
beziehen gegen die menschenverachtenden Inhalte und die hetzerische | |
Rhetorik der AfD. Das sogenannte Kulturprogramm der AfD ist ein Angriff auf | |
die Kunst. Wir verwahren uns gegen die identitäre Funktionalisierung von | |
Kunst. | |
Warum gerade jetzt? | |
Die Akademie war auch im letzten Jahr schon bei der ersten Glänzenden Demo | |
gegen die Identitäre Bewegung dabei und arbeitet in Programmen auch selbst | |
mit Geflüchteten. Außerdem sitzt die AfD jetzt im Bundestag. Sie ist dabei, | |
den Diskurs zu verschieben, was wir als Gesellschaft verhindern müssen. Die | |
Debatten im Plenum muss man sich nur mal ansehen, die heftigen Reaktionen | |
der anderen Abgeordneten. Ich kann diese Emotionalität gut verstehen, aber | |
sie bringt nur weitere Erregung. Die AfD inszeniert ein Spektakel der | |
Sichtbarkeit. Ich bin Österreicherin, ich kenne das seit den neunziger | |
Jahren. | |
Erst Jörg Haider, dann die FPÖ in der Regierung. | |
Das ist ein Prozess, der seine Zeit gebraucht hat. Auch in Österreich waren | |
viele Intellektuelle auf der Straße, von Doron Rabinovici über Robert | |
Menasse, Marlene Streeruwitz und Elfriede Jelinek. Da hat sich eine starke | |
Allianz gebildet. Auch wenn sie die FPÖ letztlich nicht verhindern konnte, | |
hat sie ein anderes Bild von Österreich entworfen. | |
Befürchten Sie, die AfD könnte ähnlich viel Macht bekommen? | |
Ich will die AfD nicht größer machen, als sie ist. Zudem funktioniert die | |
deutsche Gesellschaft etwas anders als die österreichische. Sie ist größer, | |
städtischer, es gibt stärkere Institutionen wie die Bundeszentrale für | |
politische Bildung, die Medienlandschaft ist diverser. Aber der erste | |
Schritt in Richtung Normalisierung ist getan. | |
Wie hat die AfD es geschafft, den Diskurs so zu verschieben? | |
Zum Beispiel mit einer Mischung aus Provokation und dem permanenten | |
Einstreuen sogenannter Fakten. [1][Das hat man auch bei Uwe Tellkamp | |
gesehen.] Da werden Erklärungsmuster angeboten mit Zahlen, die fingiert | |
sind, mit Informationen, die entkontextualisiert wurden. Anderswo wurden | |
Argumente instrumentalisiert: Plötzlich ist man der beste Freund Israels | |
oder auch Feminist, nur um gegen den Islam vorzugehen. Das sind rhetorische | |
Operationen, die nach und nach die Grenzen verschieben. | |
Der Aufstieg der AfD lässt sich nicht nur mit Rhetorik erklären. | |
Nein. Das passiert in einem Land, das von Abstiegsängsten bestimmt ist. | |
Wenn Armut und soziale Ungleichheit wachsen und dann auch noch vermieden | |
wird, über die soziale Frage zu sprechen, dann bietet sich Regression an. | |
Es gibt viele Bereiche, die momentan angstbesetzt sind. Die AfD greift | |
diese auf. Auch am Sonntag geht sie angeblich für die „Zukunft | |
Deutschlands“ auf die Straße. Mit diesen Ängsten müssen wir als | |
Gesellschaft einen besseren Umgang finden. | |
Haben Sie Verständnis für die AfD-WählerInnenschaft? | |
Es ist kein Verständnis, sondern eine Frage nach dem Warum. Ich muss doch | |
verstehen, welchen Hintergrund das alles hat. Das heißt aber nicht, dass | |
ich sage: „Ihr armen Schäflein!“ | |
Die AfD hat doch gerade auf soziale Fragen nichts anzubieten. | |
Ihre Lösung ist die der Spaltung, Ausgrenzung und Stigmatisierung. Das ist | |
die gewaltige Inszenierung eines vermeintlich geschlossenen Kollektivs. | |
Kann die Kunst dabei helfen, diese Inszenierung zu durchschauen, muss sie | |
sich einmischen? | |
Kunst muss erst mal gar nichts – und sie muss andererseits doch etwas, wenn | |
sie nicht möchte, dass ihre eigenen Wurzeln gekappt werden. Sie ist frei – | |
aber wenn sie existieren möchte, wenn sie ihren eigenen Raum behalten | |
möchte, muss sie sich an dieser Stelle wehren. Wir sind uns als Akademie | |
der Künste einig, dass Kunst, so wie sich die AfD das vorstellt, nicht | |
funktioniert. | |
Wie stellt sich die AfD denn Kunst vor? | |
Sie will deutsche Identität an erste Stelle setzen. Aber Identitätspolitik | |
ist in der Kunst fehl am Platz. Kunst ist per se dialogisch, sie macht | |
nicht an Landesgrenzen halt. Im sogenannten Kulturprogramm der AfD geht es | |
überhaupt nicht um Kunst. | |
Worum dann? | |
Um den Kanon. Aber das ist etwas äußerst Unlebendiges. Da geht es um | |
Besitzstandswahrung und nicht um Erfahrung. In Bezug auf die Literatur kann | |
man sagen: Wenn ich etwas lese, möchte ich etwas erleben, etwas erfahren. | |
Es geht um Aushandeln, Erforschen und Dynamisieren, das ist doch die Kraft | |
der Künste. Bei der AfD wird Kunst einzig als Teil des Kulturkampfs | |
instrumentalisiert. | |
Inwiefern? | |
Der AfD geht es um Gegnerschaft, um Polarisierung. Ihr Ansatz ist insofern | |
destruktiv. Wir müssen verhindern, dass sich das durchsetzen kann. Ich | |
musste schon lachen, als ich [2][Jan Böhmermanns Satire über Hass im Netz] | |
gesehen habe, in der er sich über extrem rechte Trollnetzwerke lustig | |
gemacht hat. Mit Humor und Satire mag der Widerstand beginnen. Ansonsten | |
braucht es Aufklärung. | |
Hat es Sie überrascht, dass sich einige SchriftstellerkollegInnen | |
mindestens flüchtlingskritisch geäußert haben? | |
Nein. Manche Positionen sind ja nicht ganz neu. | |
Bräuchte es dem gegenüber eine stärkere Allianz? | |
Das Bündnis, das sich jetzt formiert hat, ist groß – und heterogen. Es mag | |
in Berlin noch relativ neu sein, dass wir als Künste so breit vereint gegen | |
die AfD auf die Straße gehen. Aber der Umgang mit rechten und | |
rechtspopulistischen Positionen beschäftigt ja viele schon lange, auch uns. | |
Wofür steht Ihr Bündnis „Die Vielen“? | |
Wir wollen als große künstlerische Allianz für eine heterogene, offene | |
Gesellschaft eintreten, wir wollen den Dialog und einen respektvollen | |
Umgang miteinander. | |
Sie werden golden glänzende Rettungsfolien dabeihaben, mit denen auch | |
Geflüchtete auf Schiffen erstversorgt werden. Ist das ein Symbol für das | |
Recht auf Asyl? | |
Das schwingt natürlich mit. Aber der Akzent liegt auf dem Gold, dem Glanz. | |
Steht Ihr Bündnis für konkrete politische Positionen? | |
Ich finde es politisch konkret genug, dass wir uns als Künste | |
zusammenschließen und für das Viele, das Heterogene, das Miteinander | |
auftreten. | |
Wollen Sie auch Grenzen aufzeigen? | |
Für Kunstschaffende wie mich stellt sich das Problem, klare Grenzen zu | |
ziehen, ohne selbst auf Linie sein zu müssen. Unser Geschäft ist es nicht, | |
Fronten zu verhärten. Ich selbst schrecke vor dem Ausmaß an Moralisierung | |
und Ideologisierung zurück, das wir derzeit erleben. Das ist kein | |
alleiniges AfD-Phänomen, das macht etwa auch die CSU. Aber natürlich muss | |
klar sein, dass bestimmte Dinge nicht sagbar sind. Und dass man einen | |
Dialog nur mit denen führen kann, die auch einen Dialog führen wollen. | |
Bekäme die AfD ein Podium in der Akademie der Künste? Nein. Da ist die | |
Grenze klar. | |
Was wünschen Sie sich für Sonntag? | |
Dass viele kommen, dass es bunt wird, dass wir Spaß miteinander haben! Ich | |
wünsche mir künstlerische Aktionen, Lesungen und Performances. Wir wollen | |
zeigen, was wir haben. [3][Die AfD muss, wie ich gelesen habe, ihren | |
DemonstrantInnen schon Geld zahlen], damit sie kommen. Das wird nicht der | |
große Auftritt, den sie sich erhofft haben. | |
26 May 2018 | |
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## AUTOREN | |
Patricia Hecht | |
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