# taz.de -- Schlechtester Regisseur aller Zeiten: Der Kritik in die Fresse schl… | |
> Uwe Bolls Filme ernteten regelmäßig Spott und Negativpreise. Kritiker | |
> ignorierte Boll oder forderte sie zum Boxkampf. Jetzt hört er auf. | |
Bild: Eine Szene aus Uwe Bolls Horrorthriller „Alone in the Dark“ aus dem J… | |
Uwe Boll lässt sich nicht mehr umstimmen. Er ist auf Abschiedstournee. 25 | |
Jahre lang hat er Filme gedreht, geschrieben und produziert, hat | |
Videospiele verfilmt, aber auch den Völkermord in Darfur und den Alltag im | |
Konzentrationslager von Auschwitz. 25 Jahre lang ist er dafür von | |
Videospielern und Filmkritikern regelmäßig zerrissen worden. Jetzt soll | |
damit Schluss sein. | |
Es ist Anfang August, Boll sitzt in der Lounge des UCI Kinos in | |
Berlin-Friedrichshain. Rot-schwarzes Licht, Kunstlederpolster, das Ambiente | |
erinnert in seiner Zwielichtigkeit an einen Stripclub. Boll zeigt heute | |
„Rampage 3“, von dem er sagt, es sei sein letzter Film. Nicht einmal eine | |
Million Dollar hat der Film gekostet und handelt von einem Mann, der | |
versucht die Welt zu verbessern, indem er vor allem Unschuldige tötet. Der | |
Film fasst all das zusammen, was Bolls Filmkarriere ausgemacht hat. | |
Zwei junge Männer stürmen auf Boll zu, sie sind Fans. „Schön, dass du | |
wieder da bist. Auch wenn wir gehofft hatten, dich noch häufiger zu sehen“, | |
sagen sie. Aber Uwe Boll bleibt dabei: „Erstens kann man mit Filmen nichts | |
mehr verändern, zweitens lohnt es sich nicht mehr. Ich reiße mir doch nicht | |
umsonst den Arsch auf.“ Boll macht also wirklich Schluss. | |
Dabei blieb er erstaunlich lange erstaunlich standhaft im Hagel aus Kritik | |
und Hass. Vor 13 Jahren beginnt Uwe Boll Computerspiele zu verfilmen. Er | |
sucht sich die bekanntesten und beliebtesten Spiele aus. Die Rechnung | |
schien logisch: Wenn ein Spiel viele Fans hat, werden diese vielen Fans ins | |
Kino gehen und den Film sehen. Allein: Die Rechnung ging nicht auf. | |
Sein erstes Werk wurde „House of the Dead“ (2003): Eine Rave Party von | |
StudentInnen wird von Zombies gestürmt, die junge Leute niedermetzeln. | |
Typischer Horrorplot, nur, so befanden die Kritiker, platt, sinnfrei und | |
anspruchslos. Auch die Spielefans sahen die Spielidee nicht angemessen | |
umgesetzt. Boll sagt darauf nur: „Die meinen zu wissen, wie eine Verfilmung | |
ihres Spiels auszusehen hat. Ich aber weiß, wie ein Film gemacht wird. | |
‚House of the Dead‘ ist das, was das Spiel ausmacht: leichte Unterhaltung | |
und viel Action.“ | |
Eine typische Reaktion von Uwe Boll. Auf Kritik reagierte er stets mit | |
Ignoranz oder Provokation. 2008 forderten mehrere hunderttausend | |
Internetnutzer in einer Onlinepetition, dass Boll das Filmemachen aufgebe. | |
Selbst der britische Süßigkeitenproduzent Cadbury Schweppes witterte den | |
PR-Duft, sprang auf die Kampagne auf und bot jedem Unterzeichner eine | |
Packung Kaugummis an, falls die Petition mehr als eine Million | |
Unterschriften zusammenbekommen sollte. Bekam sie nicht. „Ich hatte damals | |
nur eine Möglichkeit“, sagt Boll heute. „Alles ignorieren und weitermachen. | |
Den internationalen Geldgebern ist so was nämlich völlig egal.“ | |
## Kritiker k. o. schlagen | |
Ignoriert hat er jedoch nicht immer, bisweilen ging er buchstäblich in die | |
Offensive: 2006 lud er seine fünf lautesten – und wohl körperlich | |
schwächsten – Internetkritiker zum Boxkampf und schlug sie alle. Sein Ruf | |
war danach zwar nicht wiederhergestellt, sein nächster Film bekam dafür | |
aber Aufmerksamkeit. | |
Uwe Boll ist jetzt 51. Sein Körper ist breit gebaut und noch breiter | |
trainiert. Wäre man George Clooney, Michael Bay oder einer der anderen | |
Menschen, die Boll schon mal beleidigt hat, man würde ihn nicht von | |
Angesicht zu Angesicht konfrontieren wollen. Immerhin hat Boll fast | |
anderthalb Jahrzehnte geboxt; siebenmal habe er gekämpft und nicht einmal | |
verloren, sagt er. „Ich habe damals angefangen zu boxen, weil ich Leute | |
verhauen wollte, so einfach ist das.“ | |
Wahrscheinlich kommt daher sein Hang zur Actiondarstellung. 2007 erschien | |
sein Film „Postal“: In einem Freizeitpark treffen Talibankämpfer auf die | |
Polizei und Mitglieder einer Sekte. Es wird geschossen und hingerichtet, | |
vor allem Kinder sterben. | |
„In amerikanischen Filmen darf man keine Kinder töten – also haben wir nur | |
Kinder getötet. Mit viel Blut. In Zeitlupe“, sagt Boll. Für den Film | |
erhielt er den Negativ-Oscar Goldene Himbeere als „Schlechtester Regisseur“ | |
und zusätzlich für die Kategorie „Schlechtestes bisheriges Lebenswerk“. U… | |
Boll? Reagierte mit einem YouTube-Video, in dem er die Verleiher als | |
Arschlöcher beschimpft. „Wenn ihr ‚Postal‘ je gesehen hättet, wüsstet … | |
dass ihr falsch liegt“, sagt er auf Englisch. „Und jetzt geht zurück in | |
euer beschissenes Starbucks in West-Hollywood“. | |
Aber so überzeugt er sich damals von seinen Computerspielfilmen gab, um | |
2010 herum wendete er sich langsam von ihnen ab und versuchte sich an | |
politischen Filmen. Besonders stolz ist er auf „Darfur“. Boll wollte mit | |
dem Film die Welt auf den dortigen Völkermord aufmerksam machen und dazu | |
bewegen, etwas dagegen zu tun. | |
„Darfur“ ist alles andere als ein schlechter Film. Er bietet glaubhafte | |
Charaktere in einer realistischen Story. Uwe Boll hat den Film teilweise | |
selbst finanziert – wie er das später häufiger getan hat, wenn ihm ein Film | |
wichtig war. „Darfur“ gewann einen Filmwettbewerb und wurde weitgehend | |
positiv rezipiert – eine neue Erfahrung, sowohl für Boll als auch für seine | |
Kritiker. | |
Das Bad-Boy-Image wurde er dadurch aber nicht los. Dass er heute noch auf | |
seine Filme von damals reduziert wird, kränkt ihn. „Anderen Regisseuren | |
verzeiht man doch auch, wenn sie mal einen schlechten Film gedreht haben. | |
Natürlich habe ich gesehen, dass die Filme flach waren“, sagt er über die | |
Computerspieladaptionen. „Aber sie haben mir die Freiheit gegeben, später | |
die Filme zu machen, die ich wirklich machen wollte. Geld ist Freiheit – | |
ich bereue nichts.“ | |
## Was man nicht sehen will | |
Ein weiteres Thema, das Boll offensichtlich beschäftigte, war der | |
Holocaust. 2011 dreht er „Auschwitz“. Am Anfang befragt Boll darin peinlich | |
unwissende Schüler zu den Verbrechen der Nazis – um dann direkt überzugehen | |
zu seinem alten Stilmittel: brachiale Gewalt. Opfer ersticken minutenlang | |
in einer Gaskammer, während Boll als SS-Offizier vor der Tür wartet. Die | |
Leiche eines kleinen Jungen verfolgt die Kamera bis in den Ofen des | |
Krematoriums hinein. | |
Was man zuvor noch nie gesehen hatte, hätten viele auch lieber nie gesehen. | |
Vor allem in Deutschland sorgte Boll für Empörung, die Berlinale weigerte | |
sich, den Film aufzuführen. | |
Uwe Boll würde den Film trotzdem genauso wieder drehen. „In zwanzig Jahren | |
werden viele froh sein, dass mein Film existiert. So kann niemand | |
vergessen, was damals passiert ist.“ | |
Finanziert hat Boll seine Filme häufig selbst. Das ging auch, weil er | |
zweifelhafte deutsche Filmfonds nutzte, die ihm riesige Budgets, | |
hochkarätige Darsteller und viel Kritik der Spielefans einbrachten. Anleger | |
konnten über diese Fonds Geld von der Steuer abschreiben. | |
„Hätte ich mich damals nicht auf diese Fonds gestürzt, hätte ich schlicht | |
kein Kapital gehabt“, sagt Boll, dessen Vermögen auf 10 Millionen Dollar | |
geschätzt wird. Boll hat sich immer wieder auch als Geschäftsmann versucht. | |
Auch heute vermarktet er weiterhin fremde Filme über seine Firma Event | |
Films. Sein neuestes Projekt: Sein eigener Streamingdienst, Bollflix, soll | |
demnächst online gehen. | |
In seinem Umfeld glaubt man noch nicht so recht an seinen Abgang. „Ich | |
glaube nicht, dass er mit dem Filmemachen abgeschlossen hat“, sagt ein | |
Schulfreund, der ebenfalls zur Vorstellung von „Rampage 3“ gekommen ist. | |
„Dafür waren wir früher zu oft im Kino.“ | |
Boll hingegen arbeitet derweil eifrig an seinem Leben nach dem Ausstieg. Er | |
führt jetzt ein erfolgreiches Restaurant in Vancouver. Außerdem überlegt er | |
offen, in der Politik aktiv zu werden. Er hat bereits Martin Sonneborn | |
angeschrieben, um ihn zu fragen, warum er immer nur Satire macht und es | |
nicht mal mit Realpolitik versucht. | |
4 Sep 2016 | |
## AUTOREN | |
Robert Hofmann | |
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