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# taz.de -- Filmstart „The Shallows“: Unter der Oberfläche
> Eine Beauty Queen, vom Raubfisch bedrängt: „The Shallows“ bietet
> Popcorn-Kino mit einer Wendung von sexistisch zu feministisch.
Bild: Von wegen Opfer: Blake Lively, die scheinbar langweiligste Schauspielerin…
Eigentlich wollte sie morgens nur kurz im Meer schwimmen gehen – einmal im
Sonnenaufgang zur Boje und wieder zurück. Doch plötzlich zieht etwas aus
der Tiefe an Chrissie Watkins, der blonden, barbusigen Frau, die kurz
darauf mit abrupten Bewegungen durch die Fluten gerissen wird, bevor ihre
Schreie verstummen und ihr Körper hinab ins Meer gezogen wird – von einem
großen weißen Hai, wie wir später erfahren und längst ahnen.
Die Anfangssequenz aus Steven Spielbergs „Der weiße Hai“ (1975), einem
B-Movie, das sich erst zum Kassenschlager und dann zum Filmklassiker
mauserte, zeugt von einer von der feministischen Filmkritik damals oft
beschworenen Schaulust am Frauenkörper und dessen (symbolischer)
Vernichtung. Am Ende – wir erinnern uns – braucht es selbstverständlich
drei kernige Männer und ein Boot, um dem Monster auf hoher See den Garaus
zu machen.
41 Jahre später ist das Genre des Haihorrorfilms nun bei Werken wie
„Sharknado“ oder „Bait – Haie im Supermarkt“ angekommen, und es schei…
also in unsere (auch filmisch) konservativen Zeiten zu passen, dass mit
„The Shallows“ ein weiterer Film zum Thema in die Kinos kommt, der einmal
mehr aufwärmt, was wir längst zu kennen meinen – doch so einfach ist es
dann doch nicht.
Der spanische Regisseur Jaume Collet-Serra, der sich seit gut zehn Jahren
mit sehr unterhaltsamen Action- und Horrorfilmen über Menschen in
Identitätskrisen einen Namen in Hollywood gemacht hat, verwurstet hier die
bekannten Zutaten des (Hai-)Horrors neu: Er reduziert seine Geschichte auf
eine – um mit den Worten eines Kollegen zu sprechen – „lächerliche
Prämisse“ und liefert dabei ziemlich atemberaubendes und selbstreflexives
Popcorn-Kino, das sich von sexistisch zu feministisch dreht und beinahe
pausenlos zu verstehen gibt, dass es sich seiner Vorläufer bewusst ist.
## Wie aus einem Werbefilm
Der Schauplatz des gesamten Films: eine kleine entlegene Bucht in Mexiko.
Die Protagonistin: eine blonde Surferin, Typ: All-American Beauty Queen.
Die Geschichte: Sie wird vom Hai gebissen und sitzt danach auf einem Felsen
fest. So weit, so blöd. Jetzt heißt der Film aber schon mal „The Shallows�…
damit sind die Untiefen der Bucht gemeint, man kann es aber genauso gut mit
„Oberflächlichkeiten“ übersetzen, und genau mit diesen spielt Collet-Serra
zuerst genüsslich, um den Spieß dann radikal umzudrehen.
Nancy Adams (Blake Lively) lässt sich zu Beginn von einem ortskundigen
Mexikaner zur geheimen Bucht bringen („The Beach“ lässt grüßen), sieht
dabei immer blendend aus, stottert ein bisschen spanisch und ärgert sich,
dass ihre Freundin sie wegen einer durchzechten Nacht hat sitzen lassen.
Die ersten Minuten des Films wirken dabei wie aus einem GQ-Werbefilm, und
besonders wenn der makellose Körper der Hauptdarstellerin beim Surfen in
übertriebenen Zeitlupen und zu einem Großraumdisco-Techno-Score penetrant
ins Bild gesetzt wird, fällt es schwer, sich beim Augenrollen auf die
Leinwand zu konzentrieren.
Doch dieser Beginn hat natürlich System: Nicht umsonst hat Collet-Serra mit
Blake Lively („Gossip Girl“) die scheinbar langweiligste Schauspielerin der
USA besetzt, deren mädchenhafte Talk-Show-Auftritte unlängst die
feministische Comedienne Amy Schumer animierten, sie als fleischgewordene
Wichsvorlage zu parodieren. Eingestreut werden noch ein paar
Schwangerschaftsmetaphern, zwei Surfer bezeichnen Nancy als „little girl
from Texas“, und eigentlich wartet man nur darauf, dass der Hai die Frau in
die Untiefen zieht.
## Progressiv altmodisch
Macht er auch, aber dann geht’s erst richtig los. Ab jetzt ist der Film ein
einziger Überlebenskampf, und zwar einer, der sich gewaschen hat – Livelys
Figur verliert nicht nur viel Blut, sondern auch alles Süßliche, macht von
ihren Fähigkeiten als Medizinstudentin Gebrauch, beweist sich als äußerst
patent, zäh, tough, furchtlos und klug, und hat es neben dem Hai mit
Krabben, einem Wal, Quallen und Möwen zu tun. In effektvollen Bildern, die
vor der Küste Australiens, im Wassertank und am Computer entstanden,
beobachten wir das schnelle Werden einer Actionheldin, gegen die der junge
Bruce Willis alt aussieht.
Dabei ist „The Shallows“ auf wunderbar progressive Weise altmodisch: Er
gönnt sich Pausen, weiß Spannung gekonnt aufzubauen, mit Bildern des
Monsters zu sparen und seine Schockeffekte zu dosieren – Formeln, die man
im zeitgenössischen, atemlos zerstückelten Actionkino schmerzlich vermisst.
Männer spielen schnell keine Rolle mehr und Blake Lively meistert ihre
Figur der verwundeten Kämpferin derart cool, als habe der Film (trotz
Bikini-Performance) kein anderes Ziel, als zu beweisen, dass sie und das
Genre auch anders können. Am Ende besteht „The Shallows“ sogar den
Bechdel-Test (Spoiler!), keine einzige Frau stirbt, und die Boje bleibt
kein unerreichtes Ziel, sondern wird dank der smarten Heldin, die
eigentlich nur kurz Surfen wollte, zur Wunderwaffe.
25 Aug 2016
## AUTOREN
Toby Ashraf
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