# taz.de -- Schlechte Aussichten für Metallbranche: Der Boom bleibt aus | |
> Die Unternehmen leiden unter gestörten Lieferketten, Produktionsengpässen | |
> und hohen Energie- und Rohstoffpreisen. | |
Bild: Arbeiter im VW-Werk von Zwickau Ende Februar | |
BERLIN taz | Seit dem 24. Februar sind alle Wirtschaftsprognosen Makulatur. | |
Das gilt auch für die Metallindustrie, die ein boomendes Nach-Pandemie-Jahr | |
erwartet hatte. Bei den Jahrespressekonferenzen, die Konzerne und Verbände | |
dieser Tage abhalten, ist statt von Erfolgsbilanzen von Krieg die Rede. Bei | |
Volkswagen befasst sich der Vorstandsvorsitzende Herbert Diess kaum mit | |
Elektroautos und gar nicht mit seinem Streit mit dem Betriebsrat. | |
Stattdessen konzentriert er sich auf Lieferengpässe, Werksstillstände und | |
Produktionsverlagerungen. Als Lösung kündigt er an, dass Volkswagen künftig | |
mehr Autos in den USA und in China herstellen wird. | |
Oliver Zander, Geschäftsführer des Arbeitgeberverbandes Gesamtmetall, | |
beschreibt bei seiner Pressekonferenz die Abhängigkeit von Energie- und | |
Rohstoffimporten, von denen manche „nicht substituierbar“ seien, sowie den | |
höchsten Anstieg der Erzeugerpreise seit mehr als 70 Jahren. | |
Bei einem Treffen mit IG-Metall-Vorstandsmitglied Wolfgang Lemb sagen | |
Betriebsräte aus dem Maschinenbau, dass sie die Hiobsbotschaften in ihren | |
Betrieben ab Ende dieses Monats erwarten. Mitte März hat Gesamtmetall die | |
Mitglieder befragt, welche Konsequenzen der Krieg für sie hat. Resultat der | |
Blitzumfrage: Fast alle spüren den Krieg – ein Drittel sogar „schwer“. N… | |
5 Prozent der Gesamtmetall-Mitglieder, bei denen 3,8 Millionen Menschen in | |
Deutschland arbeiten, sind gar nicht betroffen. Die Metallunternehmer | |
hadern mit neuen und massiven Unsicherheiten. Ihre drei Hauptprobleme sind: | |
gestörte Handelsbeziehungen, unterbrochene Lieferketten und Energie- und | |
Rohstoffpreise, die explodieren. | |
Direkte Geschäftsbeziehungen zu den drei direkt in den Krieg involvierten | |
Ländern Russland, Ukraine und Belarus unterhält nur die Hälfte der | |
deutschen Metallunternehmen. Das ist deutlich weniger als zu den USA und zu | |
China, [1][auch wenn im Osten Deutschlands, darunter auch in der | |
Hauptstadtregion, die Geschäftsbeziehungen intensiver sind]. Das | |
Russland-Geschäft ist seit 2014 nach der Annexion der Krim stark | |
geschrumpft. Was davon vor dem Beginn der Pandemie noch übrig war, befand | |
sich vor Beginn des Krieges allerdings im Aufschwung. Nach Angaben ihres | |
Verbands VDA, haben deutsche Autobauer 43 Fertigungsorte in Russland. Viele | |
davon stehen seit Kriegsbeginn still, weshalb Präsident Putin mit | |
Enteignungen droht. | |
## Aus dem Luftschutzkeller in die Fabrik | |
In der Ukraine haben vor dem Krieg 30.000 Menschen in der Herstellung von | |
Kabelbäumen für ausländische – deutsche, französische und japanische – | |
Unternehmen gearbeitet. Die Kabelbäume, die für die Verbindungen zwischen | |
den elektronischen Einzelteilen im Fahrzeug sorgen, werden für jede | |
Bestellung einzeln hergestellt. Weil dieser Arbeitsprozess zeitlich mit der | |
Fertigstellung des kompletten Fahrzeugs abgestimmt ist, brach wegen des | |
Rückgangs der Produktion von Kabelbäumen in der Ukraine auch die | |
Produktion in Werken wie in Zwickau, Dingolfing und anderswo ein. Die | |
meisten der auf den europäischen Markt ausgerichteten ukrainischen Fabriken | |
befinden sich im Westen des Landes. Nach drei Kriegswochen funktionieren | |
sie nur noch tagsüber und mit geschrumpften Belegschaften. | |
So arbeitet der Nürnberger Automobilzulieferer Leoni nach Angaben des | |
Vorstandschefs Aldo Kamper in seinen Werken in der [2][Westukraine] seit | |
dieser Woche zwar wieder im Zwei-Schicht-Betrieb und erwartet eine | |
Produktion von etwa 60 bis 70 Prozent des Normalniveaus. Die Mitarbeiter | |
müssen wegen Fliegeralarms aber immer wieder in die Luftschutzbunker. | |
Teilweise kämen sie übernächtigt zur Arbeit, die Schichten würden deswegen | |
gegebenenfalls verkürzt. Leoni versuche, Ersatzkapazitäten in anderen | |
Werken der Gruppe zu schaffen, etwa in Serbien oder Nordafrika. Ukrainische | |
Mitarbeiter, die etwa nach Rumänien geflüchtet sind, werden dort teilweise | |
in anderen Leoni-Werken aufgenommen. Bei dem ukrainischen Personal handele | |
es sich zu zwei Dritteln um Frauen. Während sich Produktionswerke verlagern | |
lassen, sind Rohstofflieferketten unflexibler. Russland und die Ukraine | |
liefern zahlreiche wichtige Industrierohstoffe, die sich nicht so schnell | |
substituieren lassen. | |
Auch die internationalen Transportwege sind gestört. Frachtflugzeuge | |
zwischen Asien und Europa müssen Russland umfliegen und brauchen deshalb | |
mehr Kerosin, weshalb sie stärker betankt werden müssen und weniger Platz | |
für Waren haben. Wegen des Finanzembargos halten sich | |
Frachtschiff-Unternehmen bei Geschäften mit russischen Partnern zurück. Sie | |
befürchten, dass sie keinen Zugang mehr zu Devisen für die Bezahlung haben. | |
Ebenfalls stark betroffen ist der Lkw-Verkehr in Mitteleuropa. Auch ihre | |
Routen sind länger geworden, und ihnen droht Personalmangel. 100.000 der | |
europäischen Lkw-Fahrer stammen aus der Ukraine. Dort sind sie jetzt zum | |
Kriegsdienst verpflichtet. | |
24 Mar 2022 | |
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## AUTOREN | |
Dorothea Hahn | |
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