| # taz.de -- Schauspieler über Serie „Ibiza Affäre“: „Kein Kind wird als… | |
| > Politik sei oft Realsatire, sagt Schauspieler Andreas Lust. Er spielt den | |
| > Rechtspopulisten Heinz- Christian Strache in der Serie „Die Ibiza | |
| > Affäre“. | |
| Bild: Aus „Ibiza“: Strache (Andreas Lust, 2.v.l) mit der Millionen-Erbin (A… | |
| Heimlich aufgezeichnet 2017, löste das „Ibiza-Video“ bei seiner | |
| Veröffentlichung 2019 eine politische Krise in Österreich aus. Zu sehen | |
| waren darin der damalige Vorsitzende der rechtspopulistischen FPÖ, | |
| Heinz-Christian Strache, sowie sein Parteikollege Johann Gudenus in einer | |
| Finca auf Ibiza, wie sie bei reichlich Wodka-Bull korrupte Geschäftspläne | |
| mit einer vermeintlichen russischen Oligarchennichte schmiedeten. Die | |
| Folge: Strache, 2019 Vizekanzler Österreichs, musste zurücktreten. | |
| Regisseur Christopher Schier hat aus der Ibiza-Affäre nun eine vierteilige | |
| Miniserie gemacht. Die taz traf sich in Berlin mit dem Schauspieler Andreas | |
| Lust und hat sich mit ihm über seine Rolle als Heinz-Christian Strache | |
| unterhalten. | |
| taz: „Die Mentalität der Österreicher ist wie ein Punschkrapfen: Außen rot, | |
| innen braun und immer ein bisschen betrunken“, dieses Zitat wird dem | |
| österreichischen Schriftsteller Thomas Bernhard angedichtet. Würden Sie, | |
| Herr Lust, dem zustimmen? | |
| Andreas Lust: Das ist ein schöner Vergleich. Ich würd’ dem im ersten Moment | |
| zustimmen, weil es sich wirklich schön anhört. Nicht nur, dass außen der | |
| Zuckerguss ist und drinnen ist es braun und matschig, – es sind ja auch | |
| noch alte Mehlspeisen, die darin verwurstet werden. | |
| Bleiben wir bei „braun und matschig“: Wie war es für Sie, den | |
| Ex-Vizekanzler Heinz-Christian Strache zu spielen? | |
| Es war ein großer Spaß. Es hat sich gut angefühlt, weil man da so in die | |
| Vollen gehen konnte. Strache war damals, als das Ibiza-Video entstand, ja | |
| am Höhepunkt seiner bis dato Karriere. Damals noch Bundesparteiobmann und | |
| Nationalratsabgeordneter, zeigte seine Karriere dank der Umfragewerte steil | |
| nach oben. Der stand so richtig im Saft und so hat es sich auch angefühlt, | |
| ihn zu spielen. | |
| War er vielleicht auch etwas größenwahnsinnig? | |
| Ich würde sagen, er hatte ein außerordentlich gutes Selbstbewusstsein. | |
| Sie und Strache sind circa gleich alt, beide in Wien aufgewachsen. | |
| Verbindet Sie das? | |
| Wir sind nicht im selben Bezirk aufgewachsen, aber uns verbindet | |
| wahrscheinlich das gleiche Stadt-Zeit-Umfeld, sprich: Dinge, die einen, | |
| unabhängig vom Freundeskreis, von außen beeinflusst haben. Dinge, die man | |
| damals „leiwand“ fand. In der Recherche zu so einer Rolle ist man ja | |
| bemüht, Überschneidungen zu finden, die man empathisch nachvollziehen kann. | |
| Die da wären? | |
| Ich will eigentlich nicht wieder die alleinerziehende Mutter bemühen, das | |
| ist irgendwie überstrapaziert, aber die hat tatsächlich etwas zur Folge, | |
| etwas, das Menschen, die nicht so aufgewachsen sind, vermutlich nicht | |
| kennen. | |
| Das wäre? | |
| Die Reihe an „Ziehvätern“, die im Laufe des Heranwachsens eine Rolle | |
| spielen. Ich meine damit nicht zwingend die Lebenspartner der Mütter, aber | |
| im Aufwachsen mit alleinerziehenden Müttern tauchen immer wieder Männer | |
| auf, die das eigene Leben prägen. In meinem Erleben waren das oft Männer, | |
| die es bei ihren eigenen Kindern verbockt haben und die sich dann | |
| anderweitig bemüßigt fühlen, etwas gutzumachen. Meine „Ziehväter“ kamen | |
| halt eher aus einer linken Ecke, von den Pfadfindern oder aus dem | |
| Kunstbereich. Bei Strache waren es halt Männer aus dem rechtsradikalen | |
| Spektrum. Der jeweilige Einfluss spielt eine Rolle, schließlich kommt kein | |
| Kind als Nazi auf die Welt. | |
| Wie haben Sie sich konkret auf die Rolle vorbereitet? | |
| Ich hab’ mir viele Parteitagsreden von Strache angeschaut. Der hat ja die | |
| Körperlichkeit vom Heinz Conrads. Dieser Kaffeehaus-Schlurf, der da in ihm | |
| steckt, irgendwie nonchalant. Das kann ich gut nachvollziehen. | |
| Das hört sich ja fast nach einer Sympathie für Strache an … | |
| Ich halte Strache für authentisch. Unabhängig davon, was er sagt, mit dem | |
| ich nichts anfangen kann, nehme ich ihm ab, dass er an das von ihm Gesagte | |
| glaubt. Das merkt man auch in seinen Reden. Er ist einer der wenigen | |
| Politiker, der stundenlang frei sprechen kann. Das kann ja nur, wer | |
| wirklich an das glaubt, was er sagt. Das wiederum macht ihn für mich als | |
| Schauspieler auch leicht lesbar. | |
| Im „Standard“-Podcast „Serienreif“ sagen Sie, dass Sie Strache nicht f�… | |
| einen guten Schauspieler halten. Ist Sebastian Kurz ein guter Schauspieler? | |
| [1][Kurz ist kein guter Schauspieler], aber ein guter (Selbst-)Darsteller. | |
| Wie haben Sie als Österreicher das Ibiza-Video erlebt? | |
| Ich fand das wahnsinnig amüsant und unterhaltsam. Gleichzeitig war sofort | |
| spürbar, dass das ein großes Ding ist. Das gab es bis dato ja nicht; | |
| Bildmaterial von so einer Hinterzimmerbesprechung. Das wirkt ja wesentlich | |
| stärker, wenn du im Bild hast, wie sich Personen verhalten. Ich kann mich | |
| nicht erinnern, dass es das in meinem politischen Erleben schon mal gab. | |
| Wie erleben Sie die politische Stimmung seit Ibiza in Österreich? | |
| Das ist schwierig zu beantworten. Auf der einen Seite ist da so eine | |
| Aufdeckerstimmung. Die Leute scheinen sehr amüsiert; Politik macht seit | |
| langer Zeit mal wieder Spaß. Auf der anderen Seite ist es natürlich immer | |
| noch eine prekäre innenpolitische Situation. | |
| Denken Sie, dass das die Leute zum Umdenken bewegt, sprich: die | |
| rechtskonservative Entwicklung der letzten Jahre aufhält? | |
| Nein, das glaube ich nicht. Ich denke schon, dass es Einfluss auf die Leute | |
| hat und sich im Denken etwas wandelt. Ich sehe auch eine große Chance in | |
| dem Ganzen. Ich bin sehr froh, dass das alles passiert, aber ich sehe die | |
| Möglichkeit der Veränderung eher im individuellen politischen Bewusstsein. | |
| Wie meinen Sie das? | |
| Ich bin der Ansicht, dass man in seinem eigenen Verhalten und Umfeld | |
| wesentlich schneller etwas bewirkt als bei Wahlen. Teilweise sind die | |
| großen Parteien bei uns in Österreich austauschbar, dadurch, dass es so ein | |
| großes Mittelfeld gibt. Sogar die SPÖ streckt sich ja nach links und | |
| rechts. Politik ist schwerfällig, weil sie von der Wirtschaft abhängig ist | |
| und dementsprechend auch von ihr beeinflusst wird. Die einzelnen Parteien | |
| haben da, meiner Meinung nach, nur begrenzt Spielraum. Individuell haben | |
| wir da wesentlich größeren Einfluss, indem wir bestimmen, wo wir unser Geld | |
| anlegen, was wir kaufen und was wir nicht kaufen. | |
| Was kaufen Sie denn nicht? | |
| Ein plakatives Beispiel wäre abgepackte Wurst. Man kann sich aber auch | |
| überlegen, wo man sein Konto eröffnet; bei einer grünen Bank oder eben | |
| nicht. Wenn in diesen Bereichen ein Umdenken stattfindet, sehe ich da mehr | |
| Chancen als aktuell auf politischer Ebene. | |
| Einkaufsverhalten anzupassen, muss man sich auch leisten können. Da müsste | |
| die Veränderung doch von der Politik ausgehen? | |
| „Leisten können“, müsste man vielleicht auch unter Anführungszeichen | |
| setzen. Die Frage ist doch: Was muss ich mir leisten? Viele glauben, dass | |
| sie sich etwas leisten müssten, was das Leben nicht unbedingt besser macht. | |
| Ich muss beispielsweise nicht kiloweise Billigfleisch kaufen. | |
| Zurück zur Serie: Sie haben an Originalschauplätzen gedreht. Sogar in der | |
| mittlerweile berühmt-berüchtigten Villa auf Ibiza. Wie war das? | |
| Ja, die Villa ist jetzt ein Stück Österreich in Spanien. Österreichische | |
| Geschichte sozusagen. Das war ein tolles Gefühl, dort zu sein; vor allem | |
| wenn du dann noch Kollegen hast, die ihre Figuren so gut darstellen, wie | |
| Julian Looman den Johann Gudenus, dann hast du das Gefühl, du bist | |
| tatsächlich an dem Abend dabei. | |
| Den Abend nachzustellen; hat das auch Wodka-Bull impliziert? | |
| Ja, das gehört zur Stimmung. Den Abend komplett nüchtern nachzuerleben, | |
| hätte nicht funktioniert. | |
| Waren Sie mit Strache selbst im Gespräch? | |
| Nein. Aber er hat sich schon zur Serie verhalten. Es gibt ein Format wo er | |
| meinte, es sei toll besetzt. Der Gudenus auch. Also, ich glaube, die fühlen | |
| sich schon auch geschmeichelt. (Anm. d. Red.: In einem Tweet vom 21. | |
| Oktober bezeichnet Strache die Ibiza-Serie als lächerlich und nicht ernst | |
| zu nehmend.) Wie viele Politiker gibt es, über die schon zu Lebzeiten so | |
| etwas produziert wird? Das Ibiza-Video hat ja bereits Kultstatus. | |
| In der Tat: Neben der Serie gibt es ein von [2][Ibiza inspiriertes | |
| Theaterstück von Elfriede Jelinek], außerdem hieß es, dass Jan Böhmermann | |
| und David Schalko einen Film drehen wollen. Denken Sie, der | |
| Korruptionsskandal um Kurz hat auch Kultpotenzial? | |
| Ich sage aus Spaß immer, dass bereits an der zweiten Staffel geschrieben | |
| wird. Die Chatprotokolle geben schon was her. In dieser Kurzform kommt | |
| diese Arroganz und Kaltschnäuzigkeit von Kurz & Co sehr gut raus. Die sind | |
| für sich schon so toll, die muss man gar nicht mehr in anderer Form | |
| wiedergeben. Ich frage mich, was Kabarettisten da noch machen wollen. Die | |
| Politik übernimmt diese Arbeit ja quasi schon selbst. | |
| 26 Oct 2021 | |
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| ## AUTOREN | |
| Sophia Zessnik | |
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