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# taz.de -- Verfilmung der Ibiza-Affäre: Kein Plan B
> Eine auf Sky zu sehende Miniserie versucht sich an der Verfilmung der
> Ibiza-Affäre. Sie scheitert dabei nicht nur an der Grammatik.
Bild: Zackzackzack: Heinz-Christian Strache, gespielt von Andreas Lust, redet s…
Jetzt ist schon wieder was passiert. [1][Schon zum zweiten Mal musste
Sebastian Kurz seinen Posten als österreichischer Bundeskanzler räumen],
wieder infolge einer Affäre aus Korruption und Nepotismus und genereller
Geringschätzung demokratischer Organisationsformen überhaupt. Diesmal ging
es um sein eigenes Fehlverhalten – 2019 musste er die Konsequenzen tragen
für das Fehlverhalten zweier FPÖ-Politiker, mit deren Partei er so schamlos
gewesen war, eine Regierungskoalition einzugehen.
Die der „Ibiza-Affäre“ zugrunde liegenden Videoaufzeichnungen – das hei�…
maßgebliche Ausschnitte daraus – sind leidlich bekannt. Sie haben ebenso
fassungslos gemacht wie, aufgrund ihres nicht unerheblichen realsatirischen
Gehalts, zur allgemeinen Erheiterung beigetragen. Um nicht zu sagen: zur
Schadenfreude.
Dass diese schamlosen FPÖ-Deppen so deppert waren, in eine ihnen gestellte
Falle zu tappen und sich so dermaßen um Kopf und Kragen zu reden: Eine
angebliche Oligarchin soll Anteile an der Kronen Zeitung kaufen,
journalistisch den Wahlerfolg der FPÖ befördern und dafür mit
Staatsaufträgen kompensiert werden. Kein Ruhmesblatt für die
österreichische Demokratie, aber schon auch ein großer Spaß.
Helmut Dietls „Schtonk!“ über den Coup, mit dem zwei (im Film) herrlich
schamlose Hallodris dem Stern gefälschte Hitler-Tagebücher unterjubelten,
ist eine der lustigsten deutschen Filmkomödien schlechthin, eine der
größten deutschen Realsatiren überhaupt. Klar also, dass da irgendjemand
sich früher oder später auch an der „Ibiza-Affäre“ versuchen würde.
Um es kurz zu machen: In die himmlischen Höhen von „Schtonk!“ kann „Die
Ibiza Affäre“ – als vierteilige Miniserie, obwohl grammatisch doch
eigentlich ein astreines Kompositum, tatsächlich ohne Bindestrich
geschrieben – nicht vorstoßen.
Natürlich nicht. Zum einen, weil Regisseur Christopher Schier („Gestüt
Hochstetten“) – wie auch die Drehbuchautoren Stefan Holtz und Florian
Iwersen – zwar ein begabter Mensch ist, aber nicht wie Dietl: der Gott des
Gemetzels.
Zum anderen: weil er es gar nicht erst versucht. Während Dietl den Motor
von vorne bis hinten hemmungslos überdreht, fährt Schier oft mit
angezogener Handbremse. Und der Produzent Quirin Berg lässt sich vom
ausstrahlenden Sender Sky mit der merkwürdigen Aussage zitieren: „Wäre es
nicht die Realität, könnte es eine Komödie sein.“
## „Dann klappt Plan A sicher net“
Wollten sie da also überhaupt keine Satire drehen? In der Tat hat wohl W&B
Television die exklusiven Rechte am Sachbuch „Die Ibiza-Affäre:
Innenansichten eines Skandals“ des SZ-Duos Obermaier & Obermayer erworben.
Und immer wenn es in der Serie um die beiden Journalisten (gespielt von
Stefan Murr und Patrick Güldenberg) geht – wenn es in die Redaktionsräume
der Süddeutschen Zeitung geht, sieht das Ergebnis nun ein bisschen so aus,
als hätte sich da jemand an einem Remake von „Die Unbestechlichen“
versucht, nur eben ohne Redford und Hoffman.
Diesem realistischen Dokumentarspielcharakter völlig zuwider laufen aber
fraglos lustig gemeinte Ideen wie die Erklärung von Parteispenden als
Kasperletheater – buchstäblich. Dem zuwider läuft: das Schauspiel von
Nicholas Ofczarek [2][in der Rolle des Julian H.] Die Bezeichnung
„Privatdetektiv“ trifft das, was Ofczarek da gibt, nicht wirklich. Seine
Version des Julian H., dem [3][Heinz-Christian Strache] (Andreas Lust) und
Johann Gudenus in die gleichermaßen geniale wie plumpe Falle getappt sind,
ist ein schmieriger Windhund – mit dem Herzen ausnahmsweise auf dem rechten
(demokratischen) Fleck.
Solche Windhund-Typen hat der Burgschauspieler bereits in den
David-Schalko-Satiren „Braunschlag“ und „Altes Geld“ verkörpert, die w…
er so grandios wie Götz George den windigen Schmierlappen in „Schtonk!“:
„Ob wir an Plan B g’habt haam? Naa. Weil wannst an Plan B hast, dann klappt
Plan A sicher net. Is so.“ Und immer wenn Nicholas Ofczarek auftritt, dann
klappt das auch mit dem Dietl-Sound. Aber eben auch nur dann. Ist so.
„Ich hab meine Nachfolger aufgebaut. Du kannst davon ausgehen: Solange ich
nicht tot bin, habe ich die nächsten 20 Jahre noch das Sagen. In welcher
Position auch immer“, sagt Heinz-Christian Strache in dem Ibiza-Video. Da
liegt er falsch. Aber könnte es vielleicht sein, dass er einfach nur
nachplappert, was ihm Sebastian Kurz zuvor bei einer anderen b’soffenen
G’schicht erzählt hat?
21 Oct 2021
## LINKS
[1] /Ruecktritt-von-Kanzler-Kurz/!5804258
[2] /Interview-mit-Ibiza-Video-Macher/!5752440
[3] /Ibiza-Affaere-in-Oesterreich/!5796763
## AUTOREN
Jens Müller
## TAGS
Ibiza-Affäre
Österreich
Sebastian Kurz
Adolf Hitler
Interview
Sterbehilfe
CDU/CSU
Lesestück Recherche und Reportage
Film
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