# taz.de -- Sanktionen gegen Russland: Den Oligarchen an den Kragen | |
> Das eingefrorene Vermögen von reichen Russ:innen könnte für den | |
> Wiederaufbau der Ukraine genutzt werden. Doch es gibt einige rechtliche | |
> Hindernisse. | |
Bild: Dilbar, die Superyacht des russischen Oligarchen Usmanow | |
BERLIN taz | Während russische Waffen ukrainische Städte zerstören, könnte | |
das eingefrorene Vermögen reicher Russ:innen dazu genutzt werden, den | |
Wiederaufbau der Ukraine zu finanzieren. Das Geld und der Erlös aus dem | |
Verkauf von Villen, Yachten und Flugzeugen könnten dabei direkt an das Land | |
überwiesen werden. Die Idee fasziniert viele in Europa und den USA, von | |
Kommissionspräsidentin [1][Ursula von der Leyen] bis US-Präsident Joe | |
Biden. Doch es gibt rechtliche und praktische Hindernisse. | |
Nach den neuesten Zahlen der EU-Kommission stehen 1.158 Russ:innen auf | |
der Sanktionsliste der EU. Darunter sind Politiker wie Präsident Wladimir | |
Putin und alle Duma-Abgeordneten, aber auch Militärs und über 30 kremlnahe | |
Unternehmer, sogenannte Oligarchen. Vor allem ihnen gilt das Interesse, | |
weil ein Großteil ihres Reichtums im Westen liegt und inzwischen durch | |
Sanktionen eingefroren wurde. | |
So teilte die EU-Kommission mit, dass bei Unternehmen und Einzelpersonen | |
insgesamt Werte in Höhe von rund 12,5 Milliarden Euro „eingefroren“ sind, | |
darunter Villen, Yachten, Hubschrauber, Kunstgegenstände, Geld und Aktien. | |
Im April waren es nur 6,7 Milliarden Euro. Hinzu kommen russische | |
Zentralbankreserven im Wert von 23 Milliarden Euro sowie Transaktionen | |
russischer Banken in Höhe von 196 Milliarden Euro. Wenn Gelder | |
„eingefroren“ sind, heißt das, dass die Oligarchen ihr Geld weder abheben | |
noch nach Russland überweisen können. Die Villen, Yachten und | |
Privatflugzeuge dürfen sie nicht verkaufen oder vermieten, allerdings | |
weiterhin selbst nutzen. Sie bleiben rechtlich auch Eigentümer. | |
Umsetzung schwierig | |
Um diese Vermögen für den Wiederaufbau in der Ukraine zu verwenden, müssten | |
die Oligarchen erst enteignet werden, dann könnte der Staat die Villen und | |
Yachten verkaufen und die Erlöse schließlich zusammen mit dem konfiszierten | |
Geldvermögen an die Ukraine überweisen. „Das würde gegen das Grundgesetz | |
und die EU-Grundrechtecharta verstoßen“, sagt jedoch Rechtsprofessor und | |
Sanktions-Experte Christian Tietje. Sein Kollege Kilian Wegner stimmt zu: | |
„Privatpersonen allein aufgrund ihrer Staatsangehörigkeit oder einer | |
irgendwie gearteten Nähe zu einer Kriegspartei zu enteignen ist mit Grund- | |
und Menschenrechten unvereinbar.“ | |
„Erforderlich wäre mindestens eine strafrechtliche Verurteilung im | |
Zusammenhang mit dem Ukrainekonflikt“, so Experte Tietje, „denn dann könnte | |
Vermögen, das im Zusammenhang mit der Tat steht, vom Staat eingezogen | |
werden.“ In der Regel dürfte es um strafbare Sanktionsverstöße gehen, etwa | |
wenn eingefrorenes Vermögen verkauft oder vermietet wird. | |
In diesem Zusammenhang hat jetzt die Staatsanwaltschaft München drei | |
Wohnungen und ein Bankkonto eines Duma-Abgeordneten beschlagnahmt. Weil er | |
auf der EU-Sanktionsliste steht, durfte er die Wohnungen nicht mehr | |
vermieten. Für die Mieter ändert sich durch den staatlichen Zugriff nichts, | |
doch der Abgeordnete könnte das Eigentum an den Wohnungen an den Staat | |
verlieren, falls der Sanktionsverstoß gerichtlich bestätigt wird. | |
Die EU-Kommission hat im Mai vorgeschlagen, dass schon das Umgehen von | |
Sanktionen in der gesamten EU als Straftat behandelt werden soll. [2][In | |
Deutschland] würde das nichts ändern, denn hier hat der Bundestag Ende Mai | |
im [3][„Sanktionsdurchsetzungs-Gesetz“] die Strafdrohung für | |
Sanktionsverstöße bereits ausgeweitet. Danach macht sich nun auch jede | |
Person strafbar, die auf einer EU-Sanktionsliste steht und nicht | |
„unverzüglich“ ihr in Deutschland liegendes Vermögen bei den deutschen | |
Behörden anmeldet. | |
Ein Verstoß gegen diese Anzeigepflicht könnte laut Außenwirtschaftsgesetz | |
bereits dazu führen, dass die verschwiegenen Vermögen vom Staat eingezogen | |
(also ersatzlos enteignet) werden können. Rechtsprofessor Kilian Wegner | |
sieht hier allerdings Probleme mit der Verhältnismäßigkeit. | |
## Wem gehört die Villa? Wem gehört die Yacht? | |
Das eigentliche Problem der Sanktionen ist aber ein praktisches: Oft ist | |
unklar, wem eine Yacht oder eine Villa gehört. Der Oligarch sagt meist, er | |
sei nur Mieter. Offizieller Eigentümer ist dann in der Regel eine | |
Briefkastenfirma im Ausland, die einer anderen Gesellschaft gehört, zum | |
Beispiel aus einem Steuerparadies, das ungern bei Ermittlungen kooperiert. | |
So dauerte es mehrere Wochen, bis das Bundeskriminalamt die beiden | |
[4][Yachten „Dilbar“] und „Luna“, die in Hamburg liegen, russischen | |
Oligarchen oder ihren Verwandten zuordnen konnten. Bis zu fünf | |
Gesellschaften waren dazwischengeschaltet. | |
Wegen solcher praktischer Probleme dürfte sich die politische Diskussion | |
bald auf ein anderes Feld verlagern: die Enteignung der russischen | |
Devisenreserven im Westen. Hier sind nicht nur die Summen etwa doppelt so | |
hoch, auch die rechtlichen und tatsächlichen Probleme sind geringer, weil | |
hier keine Privatpersonen betroffen sind. Finanzminister Christian Lindner | |
(FDP) erklärte sich jüngst „offen für die Idee“. Das Thema werde auf | |
EU-Ebene bereits intensiv diskutiert. | |
22 Jun 2022 | |
## LINKS | |
[1] https://www.tagesschau.de/ausland/europa/ukraine-eu-wiederaufbau-von-der-le… | |
[2] /Gesetz-zur-Sanktionsdurchsetzung/!5850274 | |
[3] https://www.bundesfinanzministerium.de/Content/DE/Gesetzestexte/Gesetze_Ges… | |
[4] https://www.vesselfinder.com/de/vessels/DILBAR-IMO-9661792-MMSI-319094900 | |
## AUTOREN | |
Christian Rath | |
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