# taz.de -- Wirtschaftssanktionen gegen Russland: Verbote wirken nur bedingt | |
> Die EU und die USA wollen die russische Wirtschaft ausbremsen. Doch | |
> China, Indien und Zentralasien ignorieren die die Sanktionen. | |
Bild: Auf der Importverbotliste: Gold | |
Seit Februar 2022 hat die EU in inzwischen elf Paketen Sanktionen gegen | |
rund 1.800 russische Personen und Organisationen verhängt, zuletzt im Juni | |
2023. Auch die USA haben die Sanktionen in mehreren Schritten ausgeweitet. | |
Betroffen sind unter anderem Russlands Präsident Wladimir Putin, Politiker | |
und Wirtschaftsgrößen wie [1][Oligarch Alischer Usmanow], der am Tegernsee | |
in Bayern gelebt haben soll. | |
Die EU hat rund die Hälfte ihrer Ausfuhren nach Russland und 58 Prozent der | |
Einfuhren mit Sanktionen belegt – Luft- und Raumfahrttechnologie, | |
elektronische Bauteile, Software, aber auch Luxusgüter wie Champagner, Öl, | |
Kohle, Stahl, Gold stehen auf der Ex- und Importverbotsliste. Zudem sind | |
rund 300 Milliarden Euro Reserven der russischen Zentralbank blockiert. Im | |
Kern geht es darum, Russland von dringend notwendigen Devisen abzuschneiden | |
und die Wirtschaft auszubremsen. | |
Doch die Sanktionen haben ein grundsätzliches Problem: Russland ist ein | |
großer Rohstofflieferant. „Das Land ist international zu wichtig und zu | |
groß, um es komplett auszuschließen“, sagt ein Experte, der nicht genannt | |
werden will. Umfangreiche Verbote würden die Weltwirtschaft in Turbulenzen | |
stürzen, deshalb „gesteht man Russland gewisse Einnahmen zu“. | |
Ein weiteres Problem: Nicht alle großen Wirtschaftsnationen der Welt haben | |
sich den Sanktionen angeschlossen. China und Indien etwa ziehen nicht mit. | |
Allerdings nutzen sie die Lage Russlands aus und kaufen Öl billig ein. So | |
haben führende Wirtschaftsnationen [2][Ende 2022 eine Preisobergrenze für | |
russisches Öl] von 60 Dollar je Fass (159 Liter) eingeführt. Die US-Sorte | |
WTI kostet derzeit um die 81 Dollar. China und Indien kaufen weiter | |
russisches Öl – zu günstigen Konditionen. | |
Auch sonst haben Händler Wege gefunden, die Sanktionen zu umgehen, | |
mutmaßlich über ehemalige Sowjetrepubliken in Zentralasien. Nach | |
Kirgisistan beispielsweise verachtfachte sich der Wert der Ausfuhren vom | |
ersten Halbjahr 2022 bis zum ersten Halbjahr 2023 auf rund 372 Millionen | |
Euro. Das Exportplus kann aber auch andere Gründe haben. Viele Waren sind | |
nicht sanktioniert, Geräte für die Landwirtschaft etwa, Waschmaschinen oder | |
auch Kleinwagen. Das legale Geschäft läuft dann über die zentralasiatischen | |
Länder, indirekt nach Russland. Oder Ware, die früher über Russland nach | |
Zentralasien gehandelt wurde, wird jetzt direkt dorthin verkauft. | |
Ein viel größeres Problem sind andere Länder in Asien, die sich nicht an | |
den Sanktionen der westlichen Länder beteiligen: Neben China und Indien | |
nennt ein Manager, der ebenfalls nicht genannt werden will, Hongkong, | |
Taiwan, Thailand und die Philippinen. | |
Und wenn viele Zwischenhändler beteiligt sind, kann auch das | |
ambitionierteste deutsche Unternehmen nicht nachvollziehen, wo seine | |
Produkte landen. Ein kleinerer Mittelständler hat ohnehin keine Kapazität | |
dafür. Zumal die Zwischenhändler alles daransetzen, die Wege zu | |
verschleiern. So landen sanktionierte Produkte sogar im Kriegsgebiet. | |
Zuletzt entdeckten Experten Chips des deutschen Herstellers Infineon in | |
russischen Marschflugkörpern, die in der Ukraine abgeschossen wurden. | |
Diese Handelsstrukturen zu nutzen, kostet. Zwischenhändler lassen sich das | |
Risiko bezahlen. Dringend benötigte Teile kommen später – und gar nicht. So | |
bleiben zahlreiche Flugzeuge in Russland am Boden, weil Airbus keine | |
Ersatzteile liefert und auch sonst wenige zu beschaffen sind. Für Einfuhren | |
auch von Konsumgütern braucht Russland Devisen. Denn auch in Zentralasien, | |
China oder Indien wird sich niemand mit dem schwächelnden Rubel bezahlen | |
lassen, sondern auf harten Währungen wie Dollar, Euro, Schweizer Franken | |
oder auch Yuan bestehen. | |
Derzeit lebt Russland von Reserven, die es in der Vergangenheit aufgebaut | |
hat. Geld fließt in die Kriegswirtschaft, was zuletzt das | |
Bruttoinlandsprodukt steigen ließ, und in hohe Soldatengehälter. Aber: | |
„Wirtschaft und Innovationskraft Russlands leiden“, heißt es vom | |
Ost-Ausschuss der Deutschen Wirtschaft. „Die Sanktionen wirken, aber es | |
dauert. Die Frage ist, wie lange. Große Wachstumsperspektiven hat das Land | |
jedenfalls nicht.“ | |
22 Aug 2023 | |
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## AUTOREN | |
Björn Hartmann | |
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