# taz.de -- Russland will Kickboxer ausliefern: Alexei Kudin droht Haft in Bela… | |
> Einst ehrte Diktator Alexander Lukaschenko den Profi-Kickboxer als | |
> „verdienten Sportler der Republik Belarus“. Jetzt will er ihn einsperren. | |
Bild: Fünf Jahre Haft drohen dem Kampfsportler in Belarus | |
MÖNCHENGLADBACH taz | Eigentlich wollte der [1][Boxer Alexei Kudin am 10. | |
August letzten Jahres] nur mal kurz vor die Türe gehen, um herauszufinden, | |
ob auch bei seinen Nachbarn das Internet nicht mehr funktionierte. Und was | |
er sah, machte ihn fassungslos: Hunderte von jungen Menschen waren auf der | |
Straße, einige knieten und ihnen gegenüber standen Polizisten der | |
OMON-Sonderpolizei, die alle Personen auf der Straße aufforderten, sofort | |
nach Hause zu gehen. | |
Doch Kudin konnte es nicht fassen, dass er einfach so von Polizisten | |
aufgefordert wurde, nach Hause zu gehen. Er blieb auf der Straße. Und noch | |
viel weniger konnte er es fassen, dass jemand ihm auf der Straße Schläge | |
androhte. | |
Ihm, dem langjährigen Mitglied der belarussischen Nationalmannschaft im | |
Thai-Boxing, dem Profi-Kickboxer, der von [2][Diktator Alexander | |
Lukaschenko] als „Verdienter Sportler der Republik Belarus“ geehrt worden | |
war. | |
Beim KOK World Fight (King of Kings) hatte er 2010 den zweiten Platz | |
geholt, bei der Europameisterschaft im Thai-Boxen 2006 die Goldmedaille. | |
Auch jetzt nimmt Kudin regelmäßig an Meisterschaften in Muay Thai und | |
Kickboxing teil. | |
Er entschied sich, dass hier das Recht auf Selbstverteidigung gelte. | |
Belarussische Medien berichten, mindestens ein Polizist sei von seinem | |
Schlag zu Boden gegangen. Doch gegen das Tränengas, die Gummikugeln und die | |
Schläge mit den Gummiknüppeln hatte der Kampfsportler keine Chance. Schwer | |
verletzt wurde er in ein Krankenhaus eingeliefert. Der behandelnde Arzt | |
hatte um sein Leben gebangt. Dann kam er in ein Untersuchungsgefängnis. Die | |
Behörden werfen ihm Widerstand gegen die Staatsgewalt vor. Bei einer | |
Verurteilung drohen ihm fünf Jahre. | |
## Flucht nach Moskau | |
Nach der Haft musste er in den Hausarrest. Um einer langjährigen Haft zu | |
entgehen, floh der Vater von fünf Kindern schließlich am 18. November nach | |
Moskau. Doch lange konnte der Mann, der sich bis zum 9. August 2020, dem | |
Tag der Präsidentschaftswahlen, immer als unpolitisch verstanden hatte, | |
nicht in Freiheit verbringen. Am 21. Januar wurde er dort aufgrund eines | |
belarussischen Auslieferungsgesuchs verhaftet. Sein Asylgesuch wurde von | |
den russischen Behörden abgelehnt. | |
Jeden Tag trainiere ihr Mann in der Abschiebehaft, berichtet seine Frau | |
Tatjana Parchimowitsch der taz. Er werde sich nicht unterkriegen lassen. | |
Auch in Moskau erfährt der Boxer viel Solidarität. Die | |
Menschenrechtsorganisation „Zivile Unterstützung“ stellte dem Sportler eine | |
Rechtsanwältin zur Seite. Angeführt von [3][der ehemaligen | |
Schwimm-Weltmeisterin und dreimaligen Olympiamedaillengewinnerin | |
Aljaksandra Herassimenja] haben über 400 Sportler, vor allem aus Russland | |
und Belarus, den russischen Generalstaatsanwalt aufgefordert, Alexei | |
Kudin nicht auszuliefern. | |
Am Freitag wird ein Moskauer Gericht über das belarussische | |
Auslieferungsgesuch entscheiden. Dann wird Ehefrau Tatjana nach Monaten, | |
wenn auch durch eine Glasscheibe getrennt, wieder einen Blick auf ihren | |
Mann werfen können. | |
17 Jun 2021 | |
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## AUTOREN | |
Bernhard Clasen | |
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