Introduction
Introduction Statistics Contact Development Disclaimer Help
# taz.de -- Sportdiktatur in Belarus: Sprinterin auf der Flucht
> Wer das Sportsystem kritisiert, muss mit Repressalien rechnen. Die
> 200-Meter-Sprinterin Kristina Timanowskaja wurde zur Staatsfeindin in
> Belarus.
Bild: Einen Vorlauf über 100 Meter durfte Kristina Timanowskaja absolvieren, d…
Kristina Timanowskaja war eine glückliche Olympionikin. Die Sprinterin aus
Belarus postete vor ihrer Abreise nach Tokio stolz Bilder ihrer Bordkarte
auf Instagram, schickte dann Bilder mit dem Blick aus ihrem Zimmer über das
olympische Dorf hinaus in die Welt und versprach, ihr Bestes zu geben. Am
Sonntag, vier Tage später, gilt sie in ihrer Heimat als Persona non grata.
Funktionäre ihres Verbandes wollten sie gegen ihren Willen ausfliegen. Man
packte ihre Koffer und verfrachtete sie in ein Auto Richtung Flughafen.
Die belarussische Oppositionsführerin Swetlana Tichanowskaja sollte später
via Twitter von Kidnapping sprechen. Am Airport wandte sich die Sprinterin
an die japanischen Sicherheitsbehörden und begab sich in deren Gewahrsam.
Die Sprinterin sandte per Videobotschaft einen Hilferuf an das
Internationale Olympische Komitee. Innerhalb weniger Stunden war aus einem
nicht besonders auffälligen Mitglied der Olympiamannschaft von Belarus eine
Staatsfeindin geworden.
Begonnen hatte die Story um Timanowskaja mit einer Entscheidung der
Athletics Integrity Unit des Internationalen Leichtathletikverbands, drei
belarussischen Leichtathletinnen die Teilnahme an den Spielen zu verwehren,
weil an ihnen zu wenige Dopingtests durchgeführt worden waren. Darunter
waren zwei Läuferinnen der 4x400-Meter-Staffel. Die Trainer setzten die
200-Meter-Spezialistin Timanowskaja ohne deren Wissen auf die
Teilnehmerinnenliste für die Staffel. Darüber äußerte die Sprinterin
[1][auf Instagram ihren Unmut]. Die Kritik an den Trainern, die auch für
den Ausschluss ihrer Kolleginnen von den Spielen verantwortlich seien,
wurde in belarussischen Medien wie Landesverrat verhandelt.
## Unheimlicher Besuch
Derweil suchte der Trainer der belarussischen Sprinter die 24-Jährige im
olympischen Dorf auf und forderte sie auf, eine Verletzung vorzutäuschen
und ihren Start über 200 Meter abzusagen. „Das Thema wird nicht auf der
Ebene des Verbandes oder des Sportministeriums verhandelt“, soll der
Trainer gesagt haben, nachdem sie sich geweigert hatte, das Spiel
mitzumachen. Doch man gab ihr zu verstehen, dass sie keine Wahl habe. Von
diesem Moment an hatte sie Angst, im Gefängnis zu landen.
Sie beriet sich mit Freunden und ihrem Mann und entschloss sich auf dem
Flughafen, sich in die Obhut der japanischen Polizei zu begeben. Von dort
setzte sie ihren Hilferuf an das IOC ab. Das kündigte in einer ersten
Stellungnahme an, dem Fall nachgehen zu wollen. Derweil verschickte die
belarussische Olympiadelegation eine Stellungnahme, in der es hieß,
Timanowskaja sei wegen psychischer Probleme zurückgezogen worden.
Timanowskaja hatte in einem Gespräch mit dem [2][oppositionsnahen
Sportportal tribuna.by] ihrer Verwunderung Ausdruck verliehen, dass man
ihr, während sie ihre Sachen zu packen hatte, einen Psychologen ins Zimmer
geschickt habe. „Er hat mir irgendeinen Quatsch erzählt, wie er mit Mördern
gearbeitet hat“, schildert sie den unheimlichen Besuch und meinte: „Ich
habe versucht, einfach nicht hinzuhören.“ Jetzt wird sie wissen, warum der
Psychologe bei ihr war.
Die Angst Kristina Timanowskajas vor Repressalien ist nicht unbegründet.
Sportlerinnen, die sich an den [3][Protesten gegen die Wahlfälschungen],
mit denen sich Langzeitpräsident Alexander Lukaschenko im vergangenen Jahr
eine weitere Amtszeit erschlichen hat, beteiligt haben, [4][wurden aus
Kaderlisten entfernt oder landeten hinter Gittern]. Aus diesem Grund hatte
das IOC den damaligen Chef des Nationalen Olympischen Komitees von Belarus
von den Spielen ausgeschlossen. Dessen Name: Alexander Lukaschenko. Auch
sein Nachfolger seht unter dem IOC-Bann. Der heißt Viktor Lukaschenko und
ist der Sohn des Präsidenten.
Am Montagmorgen teilte das IOC mit, Timanowskaja habe die Nacht unter
Polizeischutz in einem Hotel verbracht. Zudem habe man das
UN-Flüchtlingshilfswerk UNHCR in die Angelegenheit involviert. Gut möglich,
dass Timanowskaja bald in Polen landet. Pawel Jablonski, der
stellvertretende Außenminister des Landes, sagte am Montagvormittag, man
habe sich der Sache angenommen. Auch das Thema politisches Asyl sei
verhandelt worden. Timanowskajas Mann, Arseni Sdanewitsch, hat sich derweil
in die Ukraine abgesetzt. Die Angst geht um in der Familie der Sprinterin.
2 Aug 2021
## LINKS
[1] https://www.instagram.com/p/CR9Pw_slelw/
[2] https://by.tribuna.com/tribuna/blogs/kontorapishet/2949805.html#supertop?ut…
[3] /Sportler-protestieren-in-Belarus/!5706710
[4] /Proteste-in-Belarus/!5728275
## AUTOREN
Andreas Rüttenauer
## TAGS
Schwerpunkt Olympische Spiele 2024
IOC
Belarus
Olympische Winterspiele 2022
Schwerpunkt Olympische Spiele 2024
Schwerpunkt Krisenherd Belarus
Schwerpunkt Olympische Spiele 2024
Schwerpunkt Olympische Spiele 2024
Sportler
Schwerpunkt Krisenherd Belarus
Schwerpunkt Krisenherd Belarus
## ARTIKEL ZUM THEMA
Olympische Regeln im Ukraine-Konflikt: Neutralisierung von Prinzipien
Den Aufruf zum Frieden eines ukrainischen Skeletoni wertet das IOC als
unpolitisch, will aber selbst dazu nichts sagen. Man betont seine
Neutralität.
Timanowkskaja und Belarus: Rauswurf für zwei Trainer
Sie wollten Kristina Timanowkskaja zur Heimreise zwingen. Nun hat das IOC
den Trainern die Akkreditierung entzogen. Sie sollen Tokio bereits
verlassen haben.
Belarus und Olympia: Geld vor Solidarität
Die Flucht von Kristina Timanowskaja bedeutet einen Imageschaden für
Belarus' Diktator. Trotzdem fällt Lukaschenko weich – dank westlicher
Firmen.
Politik auf dem Siegerpodest: Mao erobert Olympia
Politische Proteste erreichen das Podium der Spiele. Mal wird gegen
Rassismus demonstriert, mal für Mao. Und das IOC? Stellt Untersuchungen an.
Weitsprunggold für deutsche Athletin: Mit Gelassenheit zu Gold
Weit springt, wer selbstbewusst ist. Der Olympiasieg von Malaika Mihambo
entspringt einer ganz besonderen Sicht auf den Leistungssport.
Russland will Kickboxer ausliefern: Alexei Kudin droht Haft in Belarus
Einst ehrte Diktator Alexander Lukaschenko den Profi-Kickboxer als
„verdienten Sportler der Republik Belarus“. Jetzt will er ihn einsperren.
Proteste in Belarus: Angst vor der Säuberung
Früh haben sich Sportler gegen Machthaber Lukaschenko postitioniert. Doch
viele Athleten schweigen. Zu groß sind die Abhängigkeiten vom Staat.
Sportler protestieren in Belarus: „Wir sind Teil des Volkes“
Beachtlich viele belarussischen Sportler und Sportlerinnen gehen auf
Distanz zu Präsident Lukaschenko – trotz Entlassungen und Stopp für
Stipendien.
You are viewing proxied material from taz.de. The copyright of proxied material belongs to its original authors. Any comments or complaints in relation to proxied material should be directed to the original authors of the content concerned. Please see the disclaimer for more details.