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# taz.de -- Weitsprunggold für deutsche Athletin: Mit Gelassenheit zu Gold
> Weit springt, wer selbstbewusst ist. Der Olympiasieg von Malaika Mihambo
> entspringt einer ganz besonderen Sicht auf den Leistungssport.
Bild: Landeanflug in Tokio: Malaika Mihambo springt genau sieben Meter weit
Tokio taz | Es gibt Sprünge, die glücklich und unglücklich zugleich machen.
Im Finale von Tokio ist ausgerechnet der letzte und entscheidende Satz von
Malaika Mihambo in die Grube einer dieser Art. Zumindest ein paar bange
Minuten lang. Bei ihrer Landung klatscht sich die 27-Jährige zuerst selbst
Beifall, danach hält sie sich nervös die Hände vors Gesicht. „Ich habe
gemerkt, dass es ein guter Sprung war. Ich war happy.“ Dann habe sie
gesehen, dass er „gar nicht so weit von der Siebenmeterlinie weg war“,
beschreibt Mihambo die Situation nach ihrem letztlich goldenen Sprung.
[1][Das gute Gefühl hat sie nicht getäuscht]. Das Problem war nur, dass sie
19 cm vor der Absprunglinie abgesprungen war. Gelandet ist sie genau nach
sieben Metern. Dennoch rückte die bis dahin Dritte auf den ersten Platz
vor. In diesem Moment hätte sich die Geschichte zu beiden Seiten drehen
können. Wird Malaika Mihambo die coole Gewinnerin oder diejenige, die wegen
19 verschenkter Zentimeter Gold nachtrauern muss? Denn die Nigerianerin Ese
Brume und die US-Amerikanerin Britney Reese, die in diesem Jahr schon 7,13
und 7,17 Metern gesprungen sind, konnten sie noch übertrumpfen.
„Schlimm“ seien diese Momente gewesen, sagt Mihambo, wenn man nur noch
zuschauen und nichts mehr machen könne, insbesondere wegen dieser 19
Zentimeter. „Ich war nicht bei 100 Prozent, deshalb ist es mir schwerer
gefallen, die letzten Minuten abzuwarten.“ Nun empfinde sie aber ein
„bescheidenes Glücksgefühl“.
Die Weltmeisterin von 2019, die damals in Doha mit ihrer Bestmarke von 7,30
Metern und ihren offenen und unverstellten Auftritten im Nu zum Gesicht der
deutschen Leichtathletik und zweimal hintereinander zur Sportlerin des
Jahres gewählt wurde, ist nun auch Olympiasiegerin – mit vielleicht 90
Prozent und Jahresbestweite. Letztmals hat das Heike Drechsler bei den
Spielen 2000 in Sydney geschafft.
## Großes Interesse an der vielseitig talentierten Sportlerin
Mihambo wird sich auf einen noch größeren Bienenschwarm von Interessenten
einstellen müssen. Zum einen liegt das an den mangelnden Alternativen in
der deutschen Leichtathletik, zum anderen an dem eloquenten Charme der
[2][Studentin der Umweltwissenschaften], die allen mit größter
Freundlichkeit begegnet und auch nach dem Olympiafinale bereit ist, über
ihre spielerischen Qualitäten auf der Gitarre und auf dem Klavier Auskunft
zu geben.
In Zeiten, da auch bei diesen Spielen viel über [3][die Psyche von
Sportlerinnen und Sportlern] gesprochen wird, beeindruckt Mihambo vor allem
aber in ihrem Umgang mit äußeren und eigenen Erwartungen, die in ihrem Fall
besonderes Gewicht haben. Nach ihrem WM-Sieg hatte sie mit Umstellungen bei
ihrem Anlauf zu kämpfen. Das hört sich nach einem sehr technischen Problem
an. Worüber Mihambo in der Mixed Zone des Olympiastadions sprach, war aber
die mentale Dimension: „Es gab viele Tiefen, es war hart für mich, den Weg
zu gehen, zu sehen, man versucht sein Bestes, aber man schafft es nicht, da
anzuknüpfen, wo man 2019 aufgehört hat.“
Bis in den Juni hinein sei das so gegangen, dann habe sie für sich
herausgefunden, niemanden mehr etwas beweisen zu müssen. „Ich muss nicht
nach Tokio reisen und Gold gewinnen, und kann mich trotzdem wohlfühlen und
sagen: Ich bin eine gute Sportlerin, ich mag mich als Mensch und ich bin
glücklich mit dem, was ich erreicht habe.“
Es hat wohl schon lange kein Weitsprungfinale mehr gegeben, in dem
Gelassenheit und mentale Stärke so gefragt waren wie an diesem Dienstag.
Mihambo sagte: „Das war wahrscheinlich einer der spannendsten
Weitsprungfinals ever.“ Nach den ersten drei Durchgängen lagen die besten
vier Springerinnen nur vier Zentimeter auseinander.
Als Mihambo zum letzten Versuch antrat, war ihr die Bronzemedaille nicht
mehr zu nehmen. Woran sie in diesem Moment gedacht hat? „Ich weiß, dass ich
es besser kann. Da war dieser innere starke Glaube an mich selbst, dass ich
das erreichen kann.“ Sie habe sich selbst ruhig und gelassen gefühlt.
Malaika Mihambo scheint über viele Talente zu verfügen. Dank ihres so
eindrücklich bewiesenen guten Umgangs mit Drucksituationen steht ihr jetzt
eine Zukunft als Mentalcoach offen. Aber erst einmal denkt sie nicht daran,
ihre Karriere zu beenden. Im Herbst will sie in [4][die Trainingsgruppe des
neunfachen Olympiasiegers Carl Lewis] nach Houston in die USA wechseln.
„Für mich ist es wie nach der WM 2019 in Doha interessant, wie weit ich
noch springen kann. Dieses Jahr habe ich noch keine Bestleistung aufstellen
können. 7,30 Meter muss man erst einmal schlagen, aber ich weiß, dass ich
das kann.“
3 Aug 2021
## LINKS
[1] https://www.youtube.com/watch?v=JmFDjOVVfro
[2] https://www.fernuni-hagen.de/universitaet/aktuelles/2021/06/auf-dem-weg-nac…
[3] /Rueckzug-von-Osaka-von-French-Open/!5771720
[4] https://uhcougars.com/staff-directory/carl-lewis/122
## AUTOREN
Johannes Kopp
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